Konzert:

With Full Force 2012 - Freitag

Konzert vom 29.06.2012Das With Full Force hat sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe im europäischen Festivalbereicht gemausert und lockt jedes Jahr gut 30.000 Leute auf den laut Eigenwerbung lautesten Acker Deutschlands. Auch wenn das Festival letztes Jahr buchstäblich ins Wasser fiel (38 Stunden Dauerregen), ließen sich davon nur wenige Besucher von einem erneuten Ausflug zum WFF abhalten, so dass auch in diesem Jahr die gewohnten Menschenmassen auf dem großzügigen Gelände tummelten.

Das Gelände hatte sich dabei im Aufbau geändert, die Hardbowl war jetzt nicht mehr rechts der Hauptbühne zu finden, sondern auf der linken Seite. Dahinter befand sich der große Merch-Stand von Impericon, dafür gab es dieses Jahr keine Motorrad-Stuns-Show zu sehen. Neu war auch der von Jägermeister unterhaltene zweigeschossige Gasthof schräg hinter dem Mischerturm der Hauptbühne, von dem aus ein guter Blick über das Gelände zu bekommen war.

Ansonsten war alles beim alten, bis hin zur umfangreichen Auswahl an Fressbuden, Merch- und Infoständen (u.a. PETA 2). Selbst das Wetter spielte mit – bis zur Nacht von Samstag auf Sonntag, als ein extrem schweres Gewitter über dem Festival niederging (mehr dazu im Bericht vom Samstag).



DEFEATER waren nach Stau auf diversen Autobahnen die erste Band, die ich sehen konnte. Die Jungs aus den Staaten kamen quasi direkt aus dem Flieger auf die Bühne, immerhin starteten sie an diesem Tag ihre gut dreiwöchige Europa-Tour. Von Jetlag oder Müdigkeit war bei Jay Maas & Co. aber nichts zu merken, von Beginn an gaben sie Vollgas und präsentiertem der vollen Hardbowl eine ausgewogene Mischung aus „Travels“- und „Empty Days & Sleepless Nights“-Songs. Der Security im Graben wurde so viel Arbeit beschert, ab dem zweiten Song flogen die Crowdsurfer im Sekundentakt. Auf kontroverse Ansagen in Bezug auf Armee und Unterstützung von Soldaten verzichteten DEFEATER, stattdessen gab es die Standard-Ansagen, die eine HC-Band eben so macht. Der Gegenwind, den sie bei ihrer letzten Europa-Tour gerade in Deutschland bekommen haben, hat hierbei sicher eine Rolle gespielt. Aber auch ohne klare Statements (und dem Willen, dafür geradezustehen), lieferten DEFEATER eine erstklassige Live-Show ab, die das With Full Force eindrucksvoll einläutete.



Um Politik scheren sich MADBALL in der Regel weniger, aber das erwartet von den New Yorkern um Szene-Urgestein Freddy ja auch niemand. Erstmals auf der Hauptbühne, gab die Band direkt Vollgas, allen voran besagter Freddy am Mikro, der unermüdlich über die Bühne sprintete und das Publikum animierte. Das war, am Freitagnachmittag noch frisch und ausgeruht, ein dankbarer Abnehmer und machte einen großen Pit aus. Ein sehr beeindruckender Anblick, wie MADBALL auf einer großen Bühne genau richtig wirken und ein paar tausend Leute davor abgehen. Musikalisch machten MADBALL eh alles richtig, die Setlist der Show hatten sie ja schon ein paar Mal erprobt (u.a. beim Reload Festival) und sie mit allen Hits ihrer langen Karriere gespickt. Alles richtig gemacht und angemessen dafür belohnt worden. Geil!



POISON IDEA im Zelt lockten viele Leute an, die die Punklegende endlich mal live sehen wollten. Wer schon immer mal wissen wollte, wie Altpunks aussehen, die sich entsprechend wasted verhalten haben, sollte sich diese Band anschauen. Eine gewisse Grundcoolness ist bei den Typen immer noch zu bemerken, egal ob bei Jimmy A oder der Saitenfraktion. Das Publikum war eine ganze Spur jünger als die Band, hatten aber augenscheinlich Lust auf eine Lektion Punkhistorie, auch wenn es im Pit relativ ruhig blieb, verglichen mit DEFATER oder noch folgenden Bands. POISON IDEA boten eine solide Show, die sich auf ihren Coolnessfaktor konzentrierte und es Jimmy A überließ, Klartext zu sprechen. Der Mann bietet mit seiner Körperfülle, den blondierten Haaren und der obligatorischen Bierflasche in der Hand einen passenden Anblick, hat aber über die Jahre nichts an Ehrlichkeit und Selbstironie verloren – und definitiv mehr zu sagen als die meisten Nachwuchsbands.



PENNYWISE-Sänger Zoli (IGNITE) entpuppte sich dann auf der Main Stage als der am stärksten leidende Mann des Festivals: ein Rückenleiden machte ihm sehr zu schaffen und zwang ihm nach beinahe jedem Song zu einer kurzen Zwangspause. Seine Stimme beeinflusste das allerdings nicht, da bot er gewohnte Qualität, egal ob bei Bandklassikern oder Songs des neuen Albums „All Or Nothing“ (dessen Titelsong sich als echter Hit entpuppte). Basser Randy Bradbury gab sich derweil gnadenlos und machte nach jedem Song Witze über Zolis Zustand und wirkte generell nicht mehr ganz nüchtern, während sich Fletcher Dragge immerhin nicht über seinen Sänger lustig machte. PENNYWISE wirkten hier nicht wie eine Band, in der die Chemie stimmt. Dem Publikum schien es relativ egal zu sein, bis beinahe bis zum Mischerturm reichte die Masse der Leute, die mit den Kaliforniern auf die Punkrocksongs abging und auch der Security im Graben eine arbeitsreiche Dreiviertelstunde bescherte. Am Ende blieb ein zwiespältiger Eindruck zurück, da PENNYWISE musikalisch zwar überzeugen konnten, aber die zwischenmenschlichen Töne nicht stimmten.



Danach gab es eine Pause für’s Essen, so dass EMMURE (die auf der Main Stage für LAMB OF GOD einsprangen, denen in Tschechien der Sänger verhaftet wurde) und SUICIDE SILENCE verpasst wurden. Weiter ging es dann mit den WFF-Dauergästen MACHINE HEAD um Robb Flynn, die mit „I Am Hell“ und „Old“ den perfekten Start hinlegten und das pickepacke volle Infield damit in der Hand hatten. Schon auf der ersten Tour zu „Unto The Locust“ im November wurde von MACHINE HEAD klargemacht, dass auch die neuen Songs Live-tauglich sind. Daran bestand auch an diesem Abend kein Zweifel mehr – und wenn eine Band dann noch so gut aufgelegt ist wie die vier Typen an diesem Abend, kann nichts mehr schief gehen. Adam Duce war wie immer der Fels in der Brandung und überließ die Metal-Posen den Herren Flynn (heute in Kutte mit MACHINE HEAD-Patch gekleidet) und Demmel, die sich optisch mittlerweile sehr angeglichen haben. Unterstützt von einer effektiven Lightshow und einer großen LED-Installation überzeugte auch das Bühnenbild und sorgte für den passenden Rahmen. Vor der Bühne ging es erwartungsgemäß gut ab, viele Fans hatten sich ihre Kräfte für den Headliner aufgespart. Als immer wieder die schon obligatorischen „Machine Fuckin’ Head“-Rufe zu hören waren, nahm sich Mr. Flynn dann auch Zeit für eine Ansprache. Und siehe da, er kann mehr als nur „Prost“ und „Aweseom“ sagen… heuer überzeugte er mit einer ehrlichen und langen Ansage, in der sich für den Support der Fans und des WFF bedankte, ehe er den Fans zuprostete. Weiter ging es dann im Text, MACHINE HEAD spielten ihren Set zu Ende und hinterließen eine vollends zufrieden gestellte Meute, die sich völlig verausgabt von einem würdigen Freitags-Headliner verabschiedete.



Setlist (wie immer ohne Gewähr):

1. I Am Hell (Sonata in C#)

2. Old

3. Imperium

4. Beautiful Mourning

5. Locust

6. Aesthetics Of Hate

7. Darkness Within

8. This Is The End

9. Ten Ton Hammer

10. Halo

11. Davidian



Nach dem Headliner auf der Main Stage steht am Freitag traditionell die Knüppelnacht an, bei der Death/ Black-Bands bis zum Morgengrauen spielen. In der Regel halten das nur die Unermüdlichen durch, aber in diesem Jahr war das Zelt bis zu NASUM sehr gut gefüllt, deutlich stärker als in den Jahren zuvor.

DARK FUNERAL legten kurz nach dem Ende von MACHINE HEAD los und zogen von Beginn alle Register. Bedrohliches rotes Licht, Corpsepaint und betont bösartiges Auftreten, ganz wie es bei einer Black Metal-Band sein muss. Die Jungs um Chef Ahriman präsentierten sich gut aufeinander eingespielt, der letzt große Mitgliedertausch 2011 hat der Band jedenfalls nicht geschadet. Nachtgarm (NEGATOR) überzeugte in seiner Roller als Fronter und gesanglich, während die Saitenfraktion zwischen Headbanging und evil posing of hell wechselte. Das kam bei den Schwarzmetallern in den ersten Reihen natürlich gut an, das halbe Zelt war am Moshen, zu Klassikern wie dem obligatorischen „The Secrets of the Black Art“ ebenso wie zu neueren Songs. Ein rundum gelungener Auftakt für die Knüppelnacht 2012.



Bei DYING FETUS war dann auf der Bühne weniger los, vorsichtig ausgedrückt. Das Trio hat mit dem Problem zu kämpfen, dass sowohl John Gallagher als auch Sean Beasley nicht nur hochkomplexe Parts spielen, sondern auch noch den Gesang übernehmen müssen, was zur Folge hat, dass beide konzentriert am Mikroständer stehen und da auch verharren. Technisch sehr beeindruckend, aber für eine Live-Show sehr langweilig. Immerhin hatte die Setlist auch die Klassiker zu bieten („Killing On Adrenaline“) wie auch einige neuere Songs vom „Reign Supreme“-Album. Das kam bei den Fans sehr gut an, die Black Metal-Fraktion hatte vor der Bühne Platz gemacht für die Death Metal-Fans, die sich 40 Minuten lang beim DYING FETUS-typischen Groove die Seele aus dem Leib bangen konnte.



Danach ging auf und vor der Bühne wieder die Luzie ab, ENDSTILLE hatten erkennbar Bock auf große Black Metal-Posen (und zwei Panzersperren als Bühnendeko mitgebracht). Abgesehen von einem der beiden Gitarristen waren alle aktiv, mächtig am Posen. Über die Frage, ob Corpsepaint nun zu ENDSTILLE gehört oder nicht, waren sich die Herren auch an diesem Abend nicht einige, aber was soll’s, solange die Musik stimmt? Die Stimmung war bestens, auch wenn die Kieler nicht die komplette Spielzeit nutzten, sondern nach „Navigator“ nach gut 35 Minuten die Bühne verließen. Das Publikum war zufrieden, hatte es doch schon die zweite gute Black Metal-Band der Nacht gesehen.



NASUM befinden sich auf einer quasi-Abschiedstour, zum 20jährigen Jubiläum der Bandgründung machen sie sich noch einmal auf, ein paar Shows zu spielen. Das Erbe als Sänger tritt dabei ROTTEN SOUND-Fronter Keijo Niinimaa (aka "G") an, auf dem natürlich das Hauptaugenmerk gerichtet war. In Sachen Bühnenpräsenz weiß der an sich schüchterne Finne nach x Jahren ROTTEN SOUND natürlich, was Sache ist; ebenso wenig gab es an seiner Gesangsleitung zu kritteln – die NASUM-Klassiker (und in der Selist fand sich nichts anderes) wurden von ihm 1a rübergebracht. Unterstützt von dem Skytt-/ Lindqvist-/ Liveröd-Trio an den Saiteninstrumenten (die ja die letzten NASUM-Touren mitgemacht hatten) konnte hier nichts schief gehen. Hochmotiviert und konzentriert ging die schwedisch-finnische Crew zu Werke und haute den um 2:40 Uhr noch sehr zahlreich Anwesenden ein gut 40minütiges Grindfeuerwerk um die Ohren, das so nur wenige Bands hinbekommen. Es wurde wieder einmal deutlich, wie talentiert NASUM waren, wenn es um das Schreiben knackiger, intelligenter Grincore-Songs war: egal ob Stoff von „Human 2.0“, „Shift“ oder den älteren Sachen kam, alle zündeten. Es war eine Lehrstunde in Sachen Grindcore, nicht mehr und nicht weniger.



Danach standen noch ABORTED und DEBAUCHERY an, aber der lange Tag forderte seinen Tribut. Sahen auch viele Besucher so, nach NASUM wurde es erkennbar leerer im Zelt, wenn auch bei weitem nicht so sehr wie in den Vorjahren um diese Zeit.


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