Konzert:
With Full Force 2010 - Freitag

Die Wettervorhersage für das WFF-Wochenende versprach einiges: jeden Tag mehr als 30 Grad, dazu wenig bis keine Wolken und nur leichter Wind – es könnte also noch heftiger werden als im Vorjahr, was ja auch nicht ohne war. METAL-INSIDE.DE war in doppelter Stärke vor Ort, um vom lautesten und wahrscheinlich heißesten Acker Deutschlands zu berichten. (lh)
Auf dem WITH FULL FORCE war leider - wie zuletzt vor zwei Jahren - eine
organisierte Diebesbande unterwegs. Einer aus der Festival-Organisation
sagte am Sonntag mittag, es würden bei den großen Bands auf der
Hauptbühne in den Umbaupausen zwischen 30-50 Portemonnaies im Graben
gefunden. Er sei sowohl mit Securities in Zivil als auch unabhängig
davon Zivi-Bullen unterwegs um zu gucken, aber anders als 2008 hätten
sie noch keinen Fahndungserfolg vorzuweisen. Diese Info ist aber vom
Sonntag mittag, das Gespräch hat zwischen Tür und Angel stattgefunden -
wer weiß, was sich im Nachhinein als die wirkliche Größenordnung der
bestohlenen Personen oder als der womögliche Fahndungserfolg
herausstellt. An dieser Stelle sollte man an die Aufmerksamkeit aller
Metal-Fans appellieren: Wenn man jemanden sieht, der dem Vordermann an
die Hosentasche geht, kann das natürlich ein mißverständlicher Joke
unter Freunden sein - aber es schadet nicht, darauf ein Auge zu haben
und so jemanden gegebenenfalls bei der Security zu melden oder gleich
abzuliefern.(laetti)
Bislang hielt sich das Wetter an die Vorhersage, nach einem schon heißem Donnerstag stiegen die Temperaturen am Freitag weiter, während die Sonne gnadenlos vom wolkenlosen Himmel brannte. Wind kam auch nur mäßig auf, so dass jeder nach Abkühlung, Schatten und kalten Getränken suchte. Zum Glück bietet der nahe Baggersee Abkühlung, auch wenn der Staub auf dem Rückweg noch besser am Körper zu kleben scheint als vorher…
ALL FOR NOTHING
Während auf der Main Stage THE FACELESS schwitzten, konnten ALL FOR NOTHING die Vorzüge der Hardbowl genießen und im Schatten loslegen. Die Holländer, die dank ihrer Frontfrau ewig mit WALLS OF JERICHO verglichen werden, gaben sich alle Mühe, mit einer energischen Show zu punkten. Das gelang ihnen, zumindest bei den Fans in den ersten Reihen, die aber auch mit dem Material der Band vertraut zu sein schienen. Weiter hinten im gut gefüllten Zelt ging nicht viel, viele Leute schienen mehr am Schatten als an Songs von „Miles And Memories“ interessiert gewesen zu sein, was ALL FOR NOTHING nicht gerecht wurde.
BLOODWORK
In der Sonne mussten dann BLOODWORK ran, die sich zwar redlich bemühten, Leute anzulocken, aber dank der knalleheißen Temperaturen nur wenig Resonanz bekamen. Dazu war das Auftreten von Sänger David zu nett (er wirkte mehr wie der nerdige Typ aus der Schule und weniger wie ein amtlicher Metal-Shouter) und die Chose zu unspektakulär, was angesichts des guten 2009er Albums überrascht. Aber SOILWORK-mäßiger Death Metal war vielleicht einfach nicht das richtige bei 35 Grad im Schatten…
CROWBAR
CROWBAR hatten das gleiche Problem der ungünstigen Plazierung im Billing: schwerer New Orleans-Doom, leidend und apokalyptisch, funktioniert im strahlenden Sonnenschein einfach nicht. Da kann sich Sympathikus Kirk am Gesang noch so viel Mühe geben und die handwerkliche Leistung der Herren über jeden Zweifel erhaben sein, an diesem Nachmittag waren CROWBAR einfach Fehl am Platz.
ARKANGEL
Wesentlich besser erging es da ARKANGEL, die im leider nur halbvollen Zelt viele Fans und wenige Schattensucher begrüßen konnten. Heftigen, bösartigen Metalcore hatten die Herren im Gepäck, der wie nicht anders zu erwarten gut ankam und voll auf die Zwölf ging. Shouter Baldur brüllte sich mit so viel Energie und Wut durch die Setlist, dass ernsthaft Angst um seinen Gesundheitszustand aufkam, während seine Kollegen etwas relaxter Metalcore-Granate um Metalcore-Granate abfeuerten (einer der Gitarristen war entspannt mit Flipflops auf die Bühne gekommen). Das Publikum war eher auf Baldurs Seite und machten einen großen Pit auf und feierte jeden Song, gerade die älteren Sachen kamen da gut an.
FEAR FACTORY
Wenn einer an diesem Tag aufgeregt war, dann Burton C. Bell, seines Zeichens Mikroschwinger bei FEAR FACTORY. Nach der ganzen Soap Opera um de Wiedereinstieg von Dino Cazares und dem daraus folgenden Ausstieg von Raymond Herrera und Christian Olde Wolbers ist es für die verbliebenen Urgesteine schwierig und um so wichtiger, den Fokus wieder auf die Musik zu legen. Ergänzt um die ZIMMER’S HOLE/ STRAPPING YOUNG LAD-Burschen Byron Stout und Gene Hoglan himself, gab es an der handwerklichen Leistung der Band nichts auszusetzen. Allen voran Mr. Hoglan, der sich präszise wie ein Uhrwerk durch die Songs trommelte und sich natürlich vor Raymond Herrera nicht verstecken muss, wurde jeder Song präzise und heftig gespielt. Die Setlist hatte einen gesunden Mix aus neuem und alten Material zu bieten, wobei die meisten Fans sicher mit einem rein aus „Demanufacture“- und „Obsolete“-Material bestehendem Set zufrieden sein dürften, denn auch wenn „Mechanize“ ein gutes Comeback-Album geworden ist, fehlt doch der letzte Kick in den Songs. Ansagen gab es vom aufgeregten Sänger wenig, dafür war seine Stimme voll da und ließ ihn die Klassiker sicher intonieren. An und für sich ein gelungener Gig, wäre nicht das Gefühl da, hier eine halbe FEAR FACTORY-Coverband gesehen zu haben…
Setlist FEAR FACTORY
Mechanize
Shock
Edgecrusher
Linchpin
Acres Of Skin
Powershifter
Martyr
Demanufacture
Self Bias Resistor
Replica
DOWN BY LAW
Bei DOWN BY LAW erwartete niemand das Original Line-Up, die Sorge waren die alten Punkrocker schon mal los. Zweifellos eine Ikone im Punkrock der 90er (ganz zu schweigen von Querverweisen wie z.B. zu BRUJERIA), hatten DOWN BY LAW an diesem Tag nur wenig Leute anlocken können, das Zelt war gerade einmal zu einem Drittel gefüllt. Entweder wissen die Kids nicht mehr, welche Bands vor 2005 aktiv waren oder der lange heiße Tag hatte seinen Tribut gezollt. Was auch immer der Grund war, so wenig Resonanz war überraschend. DOWN BY LAW ließen sich davon aber nicht die Laune verderben, voller Einsatz zockten sie ihre Klassiker runter und hatten sichtlich Spaß dabei.
CALIBAN
In meiner Badewanne bin ich Kapitän - moooment! CALIBAN sind auf dem
Force inzwischen so eine Macht, dass sie sich zur weiteren
Publikumsunterhaltung ein paar Dinge überlegt hatten. Zum einen hatten
sie eine überdimensionierte Badeinsel dabei, auf der eine Freundin der
Band von der Bühne zum FOH dümpeln sollte. Sollte. Denn die Freundin war
wahrscheinlich ziemlich klug und hat ihren Badeurlaub gar nicht erst
angetreten. Stattdessen durfte eine Freiwillige aus dem Publikum ran.
Die kam allerdings noch nicht einmal bis in die ersten Reihen, da
rutschte sie bereits an der Palme vorbei. Aber die Badeinsel machte ihre
Tour von der Bühne bis zum FOH-Turm und wieder zurück auf die Bühne...
Zum zweiten sind jetzt auch CALIBAN in die Reihen der Bands
aufgestiegen, die Pyros für mehr Effekte benutzen. Zu vielen
Hardcore-Bands passt das wie Kiss ungeschminkt, aber CALIBAN haben genug
metallisches in ihren Songs, dass sie sich die dicke Hose leisten
können. Zum dritten nächstes ging dann Sänger Andy Dörner verschütt,
allerdings ungeplant. Zu "I Sold Myself" ging er ins Publikum hinein, um
die Wall of Death anzuzählen. Allerdings brachte er sich nicht
rechtzeitig selbst in Sicherheit und wurde erst irgendwann mitten im
Song wieder an der Graben-Absperrung angespült. (laetti)
Setlist CALIBAN
Love Song
My Time Has Come
It´s Our Burden To Bleed
No One Is Safe
I Will Never Let You Down
I´ve Sold Myself
Forsaken Horizon
24 Years
Nothing Is Forever
SICK OF IT ALL
Noch länger als DOWN BY LAW sind SICK OF IT ALL aktiv (und haben sich dabei keine mehrjährige Auszeit genommen), umso beeindruckender, dass die New Yorker immer noch so aktiv und wütend Platten schreiben und Touren. Anno 2010 hat sich daran nichts geändert, Lou Koller & Co. nutzen die gesamte Main Stage, während vor der Bühne der größte Pit des Tages zu sehen ist. Gewohnt ehrlich und direkt wie immer sind die Ansagen, breitgefächtert die Setlist, von alten Sachen bis zu Material von „Based On A True Story“wird jede Schaffensphase der Band abgedeckt. Wobei… es klingt wie aus einem Guss, immerhin haben SICK OF IT ALL nie was anderes geschrieben als Hardcore, schnörkellos und direkt auf die Fresse. Das war in den 90ern gut, das war Anfang des Jahrtausends gut und das ist auch 2010 gut. So einfach kann das sein. (lh)
SICK OF IT ALL hatten wie immer eine Menge Gäste auf der Bühne - das
heißt normaler Weise, dass sich die New Yorker nicht dran stören, wenn
Support-Bands und Freunde ihnen von beiden Seiten der Bühne zugucken und
anfeuern. Dann hat man auch kürzere Wege, wenn man einen alten Kumpel
wie Howard Jones von KILLSWITCH ENGAGE ans Mikro bittet. Aber manchmal
können bei einer derart bevölkerten Bühne auch unerwartete Dinge
passieren: Ein Mitglied von ARKANGEL war von der Aussicht von der großen
Bühne, der Gegenwart seiner Helden und der Tatsache, dass diese sich
Gäste ans zweite Mikrofon geholt haben so überwältigt, dass er in rüder
Hardbowl-Manier Howard Jones von hinten ansprang und mit ihm in das
Mikrofon zu schreien versuchte. Blöd für den französischsprachigen
Belgier (der mit jeder weiteren Minute immer weniger des Englischen
mächtig war), dass Howard Jones im Gegensatz zu ihm exzellente Reflexe
hat und sich dieser Attacke von hinten mit einem gezielten Schlag
erwehren konnte. Noch blöder allerdings, dass dieser Schlag bei dem
betrunkenen Wallonen nicht unbedingt verschüttete Gehirnzellen
freigesetzt hat, eher im Gegenteil. Und so bekam er an diesem Abend nock
mehrmals die Bekanntschaft mit der Security... (laetti)
KILLSWITCH ENGAGE
Eigentlich sind KILLSWITCH ENGAGE die unwahrscheinlichste
Band-Konstellation vorstellbar. Drei ruhige Typen in der
Rhythmus-Abteilung, ein Brüllwürfel am Mikrofon, der sogar ab und zu
Singen kann, und dann Adam Dutkiewicz. Schon allein Adam Dutkiewicz ist
als Rockstar so unvorstellbar, dieser Clown gewordene Entenarsch mit
Gitarre. Aber er ist der entscheidende Aktivposten der Band, bestimmt
die Laufwege der anderen und drückt der Band nicht nur soundtechnisch
seinen Stempel auf. Und so steh ich da, staune und gucke und singe
natürlich in diesem vielstimmigen Chor "The End of Heartache" mit und -
oh, fast vorbei. Aber wenn eine Band mit Stil Dio ehren kann, dann
KILLSWITCH. Ordentlicher Abschluß des ersten Tages! (laetti)
Setlist KILLSWITCH ENGAGE
Rose of Sharyn
Reckoning
Starting Over
Breath Life
Fixation On The Darkness
The Arms of Sorrow
Take This Oath
This Is Absolution
Life To Lifeless
The End of Heartache
My Curse
My Last Serenade
Holy Diver
UNLEASHED
Am Tag 36 Grad Celsius, dagegen war es in der Nacht mit etwa 20 Grad
Celsius richtig kalt... Ok., das ist eine schäbige Überleitung, denn bei
"Winterland" kochte im Zelt die Stimmung über. UNLEASHED haben ein neues
Album draußen und in homöopathischen Dosen alte Hits mit "As Yggdrasil
Trembles" vermischt, und das kam gut an. Das Zelt war noch richtig voll,
und die Miesepeter, die nach dem ersten Song wegen eines vermeintlich
schlechten Sounds das Zelt verlassen hatten, verpassten das Beste - denn
der Sound wurde besser und der alte Volvo ist noch für so manche Death
Metal-Hymne gut -"Death Metal Victory"! (laetti)
DARKENED NOCTURNAL SLAUGHTERCULT
Ehrlich gesagt - bis zum WFF sagten mir die dort angekündigten "DARKENED
N.S." gar nix. Aber eine Band, die so tief in der Klischee-Kiste wühlt,
braucht auch nicht groß eingewiesen zu werden: Im Früh-Neunziger
Corpspaint schritten Frontfrau Onielar und der Rest ihrer Band aus dem
schönen Nordrhein-Westfalen, namentlich also Velnias, Horrn und
Adversarius auf die Zeltbühne und drehten die Zeit stumpf erst mal 20
Jahre zurück. Mit beeindruckender Konsequenz erfüllen DARKENED NOCTURNAL
SLAUGHTERCULT jedes noch so kleine Detail aus dem großen 1x1 des Black
Metal. Allerdings mit der Ausnahme, dass die Stimme die da faucht und
röchelt weiblich ist. Herrlich asynchrone Zeitreise! (laetti)



