Konzert:
With Full Force 2009 - Samstag

MUCKY PUP
Die reformierten New Jersey-Helden MUCKY PUP waren die erste Band des persönlichen WFF-Tages – und bei weitem die peinlichste des ganzen Festivals. Ein übergewichtiger Sänger in schlampigem Outfit, der zudem mit peinlichen Ansagen und einer allerhöchstens mittelmäßigen Gesangsleistung aufwartete, und eine Saitenfront, die auch eher peinlich als souverän agierte. Da halfen auch die im Grunde coolen Songs nicht, dieser Auftritt war einfach peinlich und MUCKY PUP in dieser Form überflüssig.
SUICIDAL TENDENCIES
Mike Muir hatte sich mit der definitive coolsten Backing Band ever auf den Weg in den Osten gemacht. Vom massiven Schlagzeuger, dessen Arbeitsweise was leicht Kampfsportmäßiges hatte, über den Entertainer am Bass bis zum völlig unscheinbar auftretenden Gitarristen waren hier echte Typen auf der Bühne, die Mr. Muir zumindest Show-technisch das Wasser reichen konnte, auch wenn der immer noch der Einzige ist, bei dem Bandana und weiße Kniestrümpfe nicht panne aussehen. Wie ein Irrer flitzte er so ausstaffiert über die Bühne, macht Schattenboxen in den schnelleren Parts und laberte das Publikum in den Pausen zu. Die Setlist enthielt „War Inside My Head“ genau wie „Possessed To Skate“ und einen Haufen neuerer Songs, die allesamt dazu geeignet waren, das Publikum auf Touren zu bringen. Das kam dem nach und hatte beim letzten Song am meisten Spaß, als es aufgefordert wurde, die Bühne zu stürmen und von da aus „Pledge Your Allegiance“ mitzusingen. Die Security ließ die Leute gewähren, hat aber sicher Blut und Wasser geschwitzt während der fünf Minuten. Von außen betrachtet war es eine coole Aktion, die einen ebenso coolen Gig gebührend beendete.
SEPULTURA
Tief in die eigene Geschichte hatten sich SEPULTURA vergraben und in ihren Set „Troops Of Doom“, „Escape To The Void“, „Inner Self'“, „Territory“ und „Arise“ untergebracht. Alles solide gespielt, aber ohne dass die Glanzzeiten der Cavalera-Ära vergessen gemacht werden konnten. Da konnte sich Derrick Green noch so bemühen, an den großen Vorgänger kommt er nicht ran. SEPULTURA wirken anno 2009 eher altbacken als cool, so sehr sie auch bemühen.
BRING ME THE HORIZON
BRING ME THE HORIZON brachten gleich zu Beginn die Security ins Schwitzen, als sie beim ersten Song geschlossen ans Gitter gingen und sich von den Fans anfassen ließen, ohne dabei aus dem Song zu kommen. Die Kerle sehen zwar immer noch aus wie 14jährige Nerds (allen Tattoos zum Trotz), hauen aber ein dermaßes brutales Brett raus, dass die Optik schnell vergessen ist. Die durchweg sehr jungen Fans feierten das Inferno enthusiastisch ab und da diesmal die ersten Reihen nicht nur aus Mädchen bestehen, gibt es einen großen Pit und ordentlich Stagediver. BRING ME THE HORIZON sind definitiv eine der Bands der Stunde, die mit etwas Glück noch lange von sich reden machen werden.
WALLS OF JERICHO
Candice im Rock ist die optische Überraschung beim WALLS OF JERICHO-Gig, hat das kleine Energiebündel doch sonst immer auf Bein bedeckende Bekleidung gesetzt. Musikalisch änderte sich aber nichts, der Detroiter Haufen war die erwartete Abrissbirne und legitimer Headliner des zweiten Tages – egal ob Songs von „The American Dream“ oder „With Devils Amongst Us All“, jeder Song sitzt perfekt, bringt das Publikum zum Ausrasten und lässt die Musiker kollektiv wie Duracell-Männchen über die Bretter springen. Allen voran natürlich Candice, die Kilometer abreißt, das Publikum zu mehr Action anfeuert und zwischen den Songs Ansagen mit herz und Hirn macht (da kann sich ein Andrew Neufeld noch was abgucken). Erwartet grandioser Auftritt einer immer besser werdenden Band.
AMON AMARTH
AMON AMARTH waren heute auf sich selbst gespannt. Während DIMMU BORGIR
gestern - "selbe Welle, selbe Stelle" - eine Menge Zuschauer an DIE
KASSIERER verloren hatten, spielten AMON AMARTH nur gegen die Zeit.
Innerhalb unserer kleinen Reisegruppe verloren sie an Dusche, Kaffee und
Matratze, aber Schwund ist immer: Über den Daumen gepeilt haben die
Schweden mindestens ein Drittel mehr Zuschauer als die Kollegen aus
Norwegen. Gut, man kann Äpfel und Birnen nicht vergleichen. Aber die
großen Assets der Stockholmer sind ihre Hymnen: Bei "Twilight Of The
Thundergod" bekomme ich das besonders aus einer Richtung zu spüren, denn
der Superfan hinter mir schreit mir besonders schräg ins Ohr. Vom
T-Shirt her würde man den jungen Mann eher für einen Hardcore-Bollo
halten, aber die Mitsinghymnen machen Amon deutlich kreuzüber-tauglicher
als viele andere Metal-Bands, und das nicht nur, weil auf der Hardbowl
gerade nichts läuft. Johann Hegg spielt den Wikinger und sammelt mit
obersympathischem Grinsen die fette Beute ein: Die meisten seiner
Ansagen sind auf deutsch, nur kompliziertere Sätze kommen auf Englisch -
das kommt dementsprechend gut an. Der Schwerpunkt der Setlist liegt auf
neuerem Material, aber die Fans können selbst die Sprechpassage zu
Beginn von "Runes To My Memory" mitgröhlen. Damit ist der ruhige Teil
des Abends besiegelt, bei "Guardians of Asgard" gibt es mit der
Flammenwand im Hintergrund zwar noch einmal angemessen pathetische
Stimmung, aber der Grundtenor der Songs geht ab jetzt nur noch auf die
zwölf. Wenn ich jetzt noch einen Halbsatz lang meckern soll, dann am
Sound, denn der war leider zu laut (und ein bisserl gitarrenarm), was
auch das Ordnungsamt bemerkt hat... (laetti)
Setlist AMON AMARTH
Intro
Twilight Of The Thundergod
Free Will Sacrifice
Asator
Varyags Of Miklagaard
Runes To My Memory
Guardians Of Asgaard
Live For The Kill
Victorious March
Pursuit Of Vikings
Cry Of The Blackbirds
Death In Fire
HATEBREED
Jamey Jasta und HATEBREED sind unter den Headlinern so ein bisschen die Jungspunde, auch wenn die Band schon seit einer Dekade existiert. Ist den Fans aber eh wumpe, auf HATEBREED kann sich so ziemlich das ganze WFF-Publikum einigen – da überrascht der gewaltige Pit vor der Bühne, der vom ersten Song an tobt, keineswegs. Überraschender sind auf jeden Fall die Pyros, die zuhauf auf der Bühne gezündet werden und die für Hardcore ja ungewöhnlich sind. In sicherem Abstand dazu springt Jamey gewohnt ruhelos über die Bühne, feuert das Publikum an und lässt seine markanten, leicht prolligen, Ansagen los. Derweil post die Saitenabteilung ordentlich und unterlegt „Beholder Of Justice”, „This Is Now“ und die anderen Songs, die den Mob zum Toben bringen, mit dem nötigen Punch. „Thirsty And Miserable” ist eine gelungene Verneigung vor BLACK FLAG, bevor die Band zur Zugabe in Form von „To The Threshold“ und „Destroy Everything“ noch einmal auf die Bühne zurückehrt. Insgesamt wirkten HATEBREED professionell und routiniert, ohne dabei völlig gelangweilt (was MASTODON von einigen Leuten vorgeworfen wurde) zu wirken – also den Spagat zu schaffen.
THE CARBURETORS
Der nächste Teil der norwegischen Invasionstruppe: Bei THE CARBURETORS
singt mit Eddie Guz der Sänger von Shagrath' Zweitband CHROME DIVISION.
Aber eigentlich ist diese Ankündigung eine Beleidigung für diese
Kapelle, die mit so viel Energie den echten Rock'n'Roll der Fünfziger
und Sechziger (oder eher: deren äußerst kriminellen großen Bruder) ins
heute retten. Die Norweger klettern auf Boxentürme, lassen mit dem
Boogie die Knie schlackern und die Haartollen wippen. Gefährlich, rrrr!
(laetti)
SMOKE BLOW
Müssen wir die Kieler noch vorstellen? Da sie immer noch nicht auf der
Hauptbühne spielen: Ja! SMOKE BLOW haben mit ihrem letzten Rundling
"Colossus" ihr bisher "fröhlichstes" Album herausgebracht, und die
Energie fließt zu 100 Prozent in diese Liveshow. Das sind
Mitschreihymnen, klar -- aber das Lachen bleibt einem auch im Halse
stecken und muss doch mit wippendem Fuss und erhobener Faust wieder
raus. SMOKE BLOW sind der primitive Anschlag auf den Solarplexus und
manchmal auch den guten Geschmack -- gleichzeitig wird der Intellekt
immer weiter gefordert -- nicht nur damit, dem Nachbarn oder einem
fliegenden Stagediver ausweichen zu müssen. Fronter Jack Letten gibt
heute "nur" 199 statt 200 Prozent, aber die Bandleistung geht wie immer
weit über das Energieniveau anderer Bands drüber hinaus. Um das Glück
perfekt zu machen spielen sie dann noch die Bandoldies "Vampire", "777
Bloodrock" und als vorletzten Song "Midnight Hour" von Billy Idol -- und
ich werde zum Hooligan. (laetti)





