With Full Force 2008 - Freitag

Am Rückstau. In den vorherigen Jahren begann der erst direkt vor der Autokontrolle, aber diesmal standen die Autos schon direkt im Ort. Gut, der ist nicht groß, aber bis zum Gelände ist es noch ein gutes Stück. Die Wartezeit wurde mit Fußballspielen, Hupen und ähnlichen Aktivitäten überbrückt, bis endlich die Einlasskontrolle durch die wie immer freundliche Security erfolgte. Der Donnerstag bot den Abends Ankommenden schlechtes Wetter, was sich des Nachts zu einem ausgewachsenen Schauer entwickeln sollte und einige Zelte unter Wasser gesetzt haben dürfte.
Das diesjährige Line-Up löste in der Altersgruppe Ü25 nostalgische Gefühle aus, waren doch mit MACHINE HEAD, AGNOSTIC FRONT, SLAPSHOT, RYKER’S, MINISTRY, MADBALL, LIFE OF AGONY und H2O einige Ikonen der Jugendzeit anwesend. METAL-INSIDE.DE war in doppelter Mannstärke vor Ort, um ehrwürdig ergraute Bands ebenso live zu erleben wie hoffnungsvolle Nachwuchsacts.
Der Freitag begann kühl, das Wetter wurde aber nach und nach besser. Pünktlich zur ersten Band schien dann sogar die Sonne und die Temperatur lag bei angenehmen 25 Grad.
WAR FROM A HARLOTS MOUTH
Der Auftakt des persönlichen WFF-Spielplanes machten die Berliner Krachomaten WAR FROM A HARLOTS MOUTH. Die sind auf Platte durchaus anstrengend und – aller Komplexität zum Trotz – langweilig. Trotzdem werden sie gerade von den HC-Kids geliebt, entsprechend voll war das Zelt und entsprechend gut die Stimmung. Das konstante Touren hat sich ausgezahlt, die Musiker wissen, was zu einer guten Live-Show gehört, allen voran Shouterr Nico, der mit ehrlichen und witzigen Ansagen die Menge bei Laune hält und für einige Lacher gut ist.
MESHUGGAH
Nach den Jungspunden kamen die Vorreiter: MESHUGGAH gaben sich auf der Main Stage die Ehre. Wer jetzt ein Chaos-Metal-Gefrickel-Feuerwerk erwartete, wurde enttäuscht. Die Schweden hatten die Songs in die Setlist gepackt, die am leichtesten zugänglich sind – oder vielleicht sind die Ohren der Hörer in den letzten Jahren mit so vielen Chaoscore-Combos konfrontiert worden, dass die Originale dagegen zahm werden. Selbst die „Destroy Erase Improve“-Sachen, die vor einer Dekade noch für offene Münder gesorgt haben, wollten an diesem Tag nicht zünden. Da nutzte auch das gute Stageacting nichts, MESHUGGAH gewannen an diesem Tag keinen Blumentopf.
CALIBAN
CALIBAN waren da eine ganz andere Marke, mit technischem Gefrickel hat die Combo nix am Hut. Die Meinungen über die Band mögen auseinander gehen, aber in Sachen Show macht ihnen niemand mehr was vor. Die Musiker flitzen über die Bühne, mit sichtlich Spaß an der Sache und haben jede wichtige Pose im Repertoire, von der SCORPIONS-Pyramide mal abgesehen. Shouter Andy sieht mit Backenbart und Kinnfusseln gewöhnungsbedürftig aus (so recht passt das nicht zu Kajal-Augen), kann sich so aber von seinen mit Tattoos punktenden Kollegen absetzen. Die Setlist bot einen soliden Querschnitt durch alle Alben, wobei das enthusiastische Publikum auch „Alle meine Entchen“ gefeiert hätte.
CATARACT
Knutschkugel Fedi und seine Schweizer Kollegen von CATARACT bewiesen in der Hardbowl, dass sie auch nach zehn Jahren voller Energie sind und sich ihr neues Werk problemlos in die Setlist einbauen lässt. Mittlerweile mehr Metal als Core war auch das Publikum bunt gemischt (beim WFF ja normal) und feierte mit den Eidgenossen eine große Party.
MORBID ANGEL
David Vincent is back! War es so eine große Überraschung, dass Steve Tucker gehen musste, um Platz für den Rückkehrer zu machen? Fakt ist, dass Mr. Vincent ein begnadet symphatischer Fronter ist, der das Publikum unterhält und umgarnt, wenn er nicht gerade Klassiker ins Mikro röhrt. An seinem Outfit muss sich der geneigte Fan aber erst gewöhnen, gerade das zwei Nummern zu enge Lack-Oberteil ist mächtig individuell. Neben ihm verblassen die Herren Gitarristen beinahe, doch nur fast. Während ZYKLON-Gitarrero Destructhor fast schon eingeschüchtert wirkt, gilt das so gar nicht für seinen Kollegen an der anderen Axt. Trey sieht aus wie ein Relikt der 80er, weiße Basketballschuhe und quasi-toupierte Haare inklusive, und spielt in sich versunken seine Parts, die Heerscharen von Musikern beeinflusst haben. Aber der Funke will nicht überspringen, zu konfus wirkt das MORBID ANGEL-Gesamtkonzept an diesem Tag, Songstrukturen lassen sich mehr erahnen als erkennen. So leert sich der Platz vor der Bühne nach und nach, nur Die Hard-Fans bleiben bis zum Ende.
AGNOSTIC FRONT
New York Hardcore, die Erste. Wer auch immer die Running Order des Freitages erstellt hat, bewies ein Gespür für Timing. Erst AGNOSTIC FRONT, dann MADBALL, das bedeutet zwei Stunden New York Hardcore Unity Pride Respect, Brother! Klar sind Roger Miret und seine Kumpanen prollig und die Ansagen scheinbar aus der Klischeekiste gezogen zu sein, aber es macht Spaß, schlicht und einfach. Die Herren haben Spaß, haben Energie, haben Authenzität und liefern einen vorzüglichen Gig ab, der vor Klassiker kaum noch laufen kann. Highlight ist, natürlich, „Gotta Go“, das jeder mitsingt, der sich auch nur in der Nähe der Bühne aufhält. Dazu noch Bruder Freddy auf die Bühne geholt, viel von Respect, Unity und Pride gesabbelt und alles war gut.
MADBALL
Die Wifebeater-Bandana-lange-Socken-Fraktion ging dann geschlossen in die Hardbowl, um New York Hardcore Teil Zwei zu erleben. Was für AGNOSTIC FRONT galt, galt auch für MADBALL: Ansagen aus dem Lehrbuch, viel Action, Bruder auf der Bühne und Hit an Hit in der Setlist. Logische Konsequenz war ein großer Moshpit und dadurch viel Arbeit für die Security. Als nach einer Stunde der letzte Ton verklungen war und sich Freddy bei allen Fans und Musikern bedankt hatte (remember: Respect, Unity, Pride), waren zwei Stunden Hardcore vom Feinsten vorbei und für die New York-Fanschar das Highlight des Tages bereits da.
MACHINE HEAD
Nu headlinen sie endlich die große Bühne: Lang genug hat's gedauert,
bis MACHINE HEAD endlich, endlich den Schritt vom ewig Zweiten zum absoluten Headliner-Status geschafft haben.
Allerdings sind die Ansagen von Robb Flynn ein deutliches Indiz dafür, warum es über die vergangenen fast zwanzig Jahre
dann doch oft nicht geklappt hat: Robb Flynn braucht einen Sprachkurs. In Englisch. Das Publikum des WFF frißt ihm mit
"Machine-fuckin-Head"-Sprechchören aus der Hand, und alles was ihm dazu einfällt ist "Man, you are awesome". Ja danke.
Ihr auch. Denn die Songs sind seit fast zwei Jahrzehnten erstliga-reif. Ebenso wie die aktuellen von den Alben "The Blackening"
und "Through The Ashes Of Empire", mit denen der Set anfängt. Songs wie "Imperium" sind fett und machen warm für das
bald folgende Hammer-Riff des "Ten Ton Hammer", mit dem der Platz das erste Mal planiert wird.
Diesen Momenten des Thrash-Hochgenusses folgt extrem unpassende Komik, denn der nächste Song wird dem verstorbenen ehemaligen
Roadie der Band gewidmet. Pathetisch kommt die Ansage "With Full Force, are you
feeling free?!" Der junge Mann neben uns konnte sich daraufhin die einzig passende Antwort nicht verkneifen und piepste: "Yeah,
like a bird!" Das war großes Tennis mit Medizinball!
Musikalisch bekamen MACHINE HEAD ihren Gefühlsdusel aber wieder in den Griff, das Iron Maiden-Cover "Hallowed Be Thy Name"
haben sie mehr als anständig runtergezockt - und bei der Zugabe "Davidian" krönte die legendären Zeile "Let Freedom Reign with a
Shotgun Blast" den Abschluss. (laetti)
BRUTAL TRUTH
Dank der Verzögerung auf der Main Stage überschnitten sich MACHINE HEAD mit ROTTING CHRIST, so dass der Gig der Griechen nicht besucht werden konnte. BRUTAL TRUTH prügelten sich danach vor halbvollem Zelt durch ihre Historie und konnten damit aus den ersten Reihen die letzten Kraftreserven holen. Danny Lilker am Bass war wie immer ein Anblick für die Götter, dass sein Bewegungsradius nicht sonderlich groß war, überraschte weiter nicht. Mit der Gelassenheit und dem Charme des Veteranen zockten BRUTAL TRUTH ihren Set runter und bewiesen, dass sie auch anno 2008 noch ganz vorne in der Krach-Liga mitspielen.
MAYHEM
Musikalisch war der nun folgende Gig von MAYHEM definitiv der
schlechteste, den ich über die vergangenen 10 Jahre von ihnen gesehen
habe - und dass die Band das genauso sah, konnten aufmerksame Beobachter
schon an Hellhammers wutschnaubendem Abgang nach dem letzten Song
ersehen. Die Band hatte mit massiven Soundproblemen auf der Bühne und im
Publikum zu kämpfen, so dass die Bandmitglieder ihre eigenen Songs nicht
wiedererkannten - und jeder so leidlich vor sich hin spielte, mit
Hellhammers Bassdrums als einzigem Orientierungspunkt.
Das, was von der Setlist zu erkennen war, begann mit den neuesten Songs
vom "Orden des Chaos", auch ein Punkt, an dem sich MAYHEM-Fans in
bedingungslose Unterstützer und Blackmetaller scheiden.
Aber, trotz allen Widrigkeiten atmete der Gig einen Moment großer Kunst.
Denn Attila Czishar ist auf jeden Fall ein charismatischer Frontmann und
großer Schauspieler. Während MAYHEM mit Maniac als Frontmann ein
unkontrollierbares Geschoss mit großem Selbstverletzungspotential waren,
sind sie unter Attila ein avantgardistisches Gesamtkunstwerk. Die
Überraschung, die er mit dem Outfit aus rotem Satin-Hemd über weißer
Weste und scharzer Bondage-Hose bereitet hat, hallte eine ganze Weile
nach. Um den Hals baumelte ihm ein umgedrehtes Symbol, dass bei genauer Betrachtung höchstens wie eine
plattgeklopfte Libelle aussah. Und wie bei einem Autounfall konnte das Publikum im anfangs pickepacke
vollen Zelt nicht weggucken, während Attila mit dem Henkersknoten am
Mikro spielte. Allerdings eben nicht mit der Option, ihn sich selbst
umzuhängen, sondern als abstrakte Ankündigung. Boshaft wie Jack Nicolson
als "Joker" verkauft die Bühnenperson Attila C. die ihm anvertrauten
Seelen garantiert nur zum besten Preis weiter - und eben nicht als
Unfall beim Schweineköpfe-verteilen. Bei einem Sound der jegliche
Ansagen und Gesänge zu einem Ratespiel machte, hatte sich diese
Faszination allerdings auch nach etwa der Hälfte des Sets aufgebraucht
und das Zelt leerte sich rapide. (laetti)
Danach war die Knüppelnacht für das METAL-INSIDE.DE-Team vorbei, BELPHEGOR, KRISIUN und 1349 wurden nur noch aus der Ferne gehört, beim Dixie-Bingo und anschließendem Chillen auf dem Zeltplatz. Auf dem war die Party natürlich noch lange nicht vorbei, sondern ging bis in die Morgenstunden. Und am nächsten Tag weiter...
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