Konzert:
Winternoise Festival - Osnabrück/Georgsmarienhütte, Eventcenter B51
by Dennis Otto
Konzert vom 13.01.2007Zum wiederholten Male fand in Osnabrück/Georgsmarienhütte das "Winternoise"-Festival statt, das trotz eines erneut sehr namhaften Billings eher zu den Geheimtipps zählt. Vielleicht lag auch diesmal das Problem des recht wenigen Andrangs (grob geschätzt 400 Leute fanden den Weg ins "Eventcenter B51"-es ging alles andere als eng in der angeblich kurz vor dem Abriss stehenden Mehrzweckhalle zu) an der bunt gemischten Ausrichtung des Festivals. Nahezu jede metallische Stilrichtung war vertreten, von poppigem Alternative Rock bis hin zu ultrabösem Black Metal; eine einheitliche Orientierung lockt für gewöhnlich mehr Fans zu den Events, aber es wäre eine Schande, die Veranstalter deswegen zu rügen, denn objektiv sehenswert war grundsätzlich jede der aufspielenden Bands. Der einzige Punkt, der wirklich etwas auf den Magen schlug, war das Angebot, sowie die Preise der Getränke. 2,50 Euro für ein 0,3er Bier sind zwar heute ein üblicher Großstadt-Kneipenpreis, aber auf einem kleinen, feinen Festival hab ich bislang noch nie so hohe Preise gesehen. Auch das Angebot (außer Bier nur Jägermeister für 2,50 Euro und als Longdrink 3,50 Euro, von den etwas günstigeren antialkoholischen Getränken natürlich abgesehen) hielt sich diesbezüglich in Grenzen, was auch den nicht ganz so großen Andrang an der Theke und das Mitbringen von allerlei Fremdgetränken erklärte. Und hier lag gleich automatisch der zweite Hase im Pfeffer: da es keinerlei Security gab, konnte jeder Besucher Alkohol von draußen mit in die Halle bringen, was zu zig umherpolternden Flaschen auf dem Boden führte. So schien es, dass der Veranstalter eine komische Mischkalkulation auffuhr, die zwar einerseits den konkurrenzlos günstigen Eintrittspreis (ca. 23 Euro im VVK, 28 Euro an der AK), aber im Gegenzug auch die hohen Getränkekosten (auch noch in Wertmarken, die man nur in umständlichen Zehnerpacks (!) erstehen musste) logisch machte. Hätte man beim Eintritt etwas drauf geschlagen, sich zwei Aufpasser an der Tür geleistet und dafür die Getränke um 50 Cent nach unten geschraubt, wäre da sicher Vieles besser gelaufen und das Festival nahezu perfekt gewesen. Und ein bissel mehr Werbung vorher hätte sicher auch ganz gut getan, denn das "Winternoise" schreit geradezu nach besseren Besucherzahlen. So viel zum Drumherum und zur konstruktiven Kritik, aber davon ab war es ein richtig geiler Abend! ...der seinen Anfang mit einem "Local Support" nahm, der sich als PATH OF GOLCONDA herausstellte, die wir jedoch leider knapp verpassten, weil sich die Anfahrt von Osnabrück als recht komplex entpuppt hatte. Bei Eintreffen in der Halle stellten wir auch fest, dass das Billing leicht modifiziert wurde; THE DUSKFALL sowie LACRIMAS PROFUNDRE (wegen denen sogar ein paar Fans extra angereist waren) hatten leider im Vorfeld abgesagt. Weiterhin wurde alles eine Stunde nach hinten verschoben, weil der Einlass erst so spät erfolgte, was aber sicher niemanden groß gestört haben dürfte. Dann ging es gleich weiter mit SUDDEN DEATH, die aus Osnabrück stammen, ein fettes Death Metal-Brett auffuhren und ordentlich Werbung für ihr neues Album ?Rethroned? machten. Das äußerte sich in ca. 17 Ansagen von Sänger Markus Raneberg, man solle doch bitte "bei dem Mann da hinten" das Album erwerben. Und wenn ich mich nicht ganz getäuscht habe, war es Bassist Markus Weckermann, der gegen Ende des Sets mit seiner Axt durch das Publikum lief und mächtig herum poste. Dass die Jungs schon ein paar Tage länger dabei sind, wurde jedenfalls deutlich, denn auch wenn die Mucke nicht sonderlich spektakulär war, konnte man den Songs ihre Qualitäten nicht absprechen, was den Gig sehr unterhaltsam machte.
Nach einer wie immer etwa viertelstündigen Umbaupause erlebte man ein Bild der eher unfreiwillig komischen Art: ein Keyboard piept, und ca. 100 Banger verlassen geschlossen den Saal. Und das nicht ganz unverständlicherweise, denn A LIFE DIVIDED repräsentierten an diesem Tag die Vereinigung der Alternative Rocker, die allerdings auf dem ?Winternoise? keine große Lobby hatte. Die Mucke, die irgendwo zwischen DEFTONES und KORN lag, war objektiv wahrlich nicht übel, wirkte allerdings arg bemüht an den Vorbildern orientiert, und mit Mädchenschwarm Jürgen Plangger fand man einen Frontmann vor, der zwar optisch gewisse Reize auf gewisse Geschlechtsgruppen versprühte, jedoch bei seinem verkrampften, oft gequält wirkenden, hohen Gesang eher schien, als habe er chronische Verstopfung. Ich kann mir vorstellen, dass A LIFE DIVIDED auf einem "alternativen" Festival tierisch abräumen, bei Metallern sind sie aber deutlich Fehl am Platz. Da nützen auch wirklich gute Songs wie "Anyone" oder "Walking In My Shoes" (?) nicht mehr viel.
Nach dem Zuschauer-Desaster von eben sollte dann Götterdämmerung mit deutlich mehr Publikum erfolgen! Die Finnen MOONSORROW spielten den ersten Gig ihrer in den kommenden Monaten weiter ausgedehnten Tour in Deutschland. Und um ganz ehrlich zu sein: ich bin bis zum Schluss nicht sicher gewesen, ob die Jungs etwas von ihrem neuen Album gespielt haben. Und wenn, dann versteckten sie es geschickt als Medley in ihren älteren Stücken. Ansonsten hatten sie ein paar Startschwierigkeiten beim ersten Song, was den Gig leicht holprig beginnen ließ, im Folgenden aber in den typischen Soundfluss der wohl zurzeit besten Viking/Pagan Metal-Band mündete. Etwas schade war allerdings, dass Henri "Apfelkorn" Sorvali nicht mit von der Partie war, sondern an der Gitarre vom wohl mittlerweile permanent agierenden Live-Klampfer Janne Perttilä ersetzt wurde, während am Keyboard Markus Euren zuständig war. Sänger und Bassist Ville wird wohl auf ewig zu den schüchternsten Frontmännern der Welt gehören, denn Herumgepose liegt ihm, wie eigentlich auch seinen Mitstreitern, nicht sonderlich. Ein paar nette, sehr kurze Ansagen, und weiter ging die live genauso famos wie auf Platte funktionierende Klangwunderwelt, die mit einem fröhlichen "Tulkaapu Ij T" ihren tollen Ausklang fand. Hoffentlich bleibt die Band noch eine Weile in unseren Breitengraden!
Obwohl das aktuelle Album "Navigator" zweifellos zu den besten deutschen Black Metal-Scheiben der letzten Zeit zählt, bleiben ENDSTILLE für mich live nach wie vor ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es kaum eine Band, die "True Black Metal" so sehr lebt und mit ordentlich räudigem Vollgas ins Auditorium hämmert, andererseits fehlt den Jungs über weite Stecken die Abwechselung. Es schien mir echt so zu sein, dass die Band nur einen einzigen Song, nämlich "den schnellen", spielte. Kein Midtempo, kaum Breaks, und dazu wieder das Gefühl, dass die Band viel zu schnell für ihren Sänger agierte, den instrumentalen Tacho stets im Anschlag, aber Fronter Iblis immer auf der Bremse. Und das bei jedem Song! Nicht, dass die Band eine gänzlich schlechte Vorstellung lieferte, aber die mögliche Durchschlagskraft und Wut verpuffte so zu einem sehr statischen Soundbrei, den auch ein Stück wie "Navigator" nicht mehr retten konnte, was wirklich schade war.
Ganz anders sah es da schon mit den Norwegern COMMUNIC aus, die den perfekten Kontrast zum eben erlebten Black Metal-Programm boten. Ich hatte ja erst Bedenken, ob Oddleif Stensland und Co. ihr unglaublich hohes Niveau von den Platten würden halten können, aber es gelang besser als erwartet. Natürlich ist das Trio live nicht sonderlich agil, und natürlich gehen live einige der großartigen Melodien etwas unter, aber dass das Label die Jungs auf ausgedehnte Headliner-Tour geschickt hatte, machte ich bemerkbar. Als Einstieg wählte man das geniale "Communication Sublime", das als Live-Opener vorzüglich ankam, aber auch die hauptsächlich vorgestellten, neuen Stücke wie "Frozen Asleep In The Park", "Under A Luminous Sky", "Waves Of Visual Decay" oder "Fooled By The Serpent" konnten überzeugen, nicht zuletzt dank der vorzüglichen Stimme des Frontmannes. Etwas schade war allerdings, dass COMMUNIC sowohl auf ihren bekanntesten ("Conspiracy In Mind"), als auch auf ihren besten ("The Distance") Song verzichteten. Aber diese Band kann auch ohne "Hits" was reißen, schließlich hat sie ausschließlich Hammersongs im Gepäck!
Die Ir(r)en PRIMORDIAL gehören wohl zu den brillantesten Livebands überhaupt, nicht zuletzt aufgrund ihres außergewöhnlichen Fronters Alan Nemtheanga, der an diesem Abend wieder ein Theater vor dem Herrn abriss, indem er wie wild gestikulierte, eine bedeutungsschwangere Bewegung nach der anderen durchführte und an Charisma kaum zu toppen war. Es schien, als wurden die Instrumente hier zu Statisten degradiert, aber auch nur auf den ersten Blick und auch wirklich nur optisch. Denn wenn man Gänsehauthymnen wie "The Burning Season", "Sons Of The Morrigan", "The Gathering Wilderness" oder das endgeile "The Coffin Ships" (das einen rundlichen Banger neben mir komplett durchdrehen und wie einen Bekloppten losbrüllen ließ) im Gepäck hat, dann kann man nur gewinnen. Folglich gehörten PRIMORDIAL zu den Abräumern des Festivals, obwohl auch zu diesem späten Zeitpunkt immer noch kein Krieg, sondern eher entspanntes Zuschauen mit ausreichend Platz vor der Bühne stattfand.
Danach kam die Überraschung schlechthin! Dass die Portugiesen MOONSPELL zu den größten und originellsten Düster-Bands der 90er Jahre gehörten, hatte auch ich schon lange vergessen. Doch mit dem neuen, sehr coolen Album "Memorial" hat man ein Comeback nach Maß geliefert, mit dem man sich für den ganzen Experimental-Kram in den letzten Jahren entschuldigt. Davon gab´s auch gleich den Abräumer-Opener "Finisterra" zu hören, das live gleich noch mal doppelt so drückte wie auf Platte. Der schon den ganzen Tag über sehr gute Sound wurde noch mal verbessert und bescherte uns einen Gig, der hauptsächlich aus altem Material der Band bestand. Leider waren die Zuschauerreaktionen bei Krachern wie "Opium", "Full Moon Madness", "Wolfshade", "Alma Mata" oder "Vampiria" etwas verhalten, und die Jungs erreichten zumindest vom Zuspruch her nicht ganz Headliner-Status, wobei die Portugiesen natürlich die meisten Leute an diesem Tag anzogen. Einziges echtes Manko: Sänger Fernando Ribeiros äußerst homosexuelles Auftreten mit Schminke, Stulpen an den Armen und pseudo-esoterischen Gesten, die oftmals an so erotische Fensterputzer erinnerten. Dafür hat die Band jedoch mit Ricardo Amorim den vielleicht eigenständigsten und besten Gitarristen der gesamten Gothic-Szene in ihren Reihen. Ein superber Gig, der zeigte, dass MOONSPELL immer noch eine waschechte Metal-Band sein kann, die richtig Druck und steife Nackenmuskeln produziert, wenn sie will. Gerade zu den heftigeren Parts konnte man bangen ohne Ende! Als Zugabe gab´s dann unverständlicherweise noch zwei Nummern vom "Antidote"-Album, die man sich hätte schenken können. Zumal es vor der Bühne ebenso unverständlicherweise immer weniger Leute wurden...
Trotzdem ein cooler Event mit einigen echten Highlights, die leider unter zu wenig Zuspruch krankten, was am Ende nicht so schön war. Bei dieser durchgehend hohen Qualität ist das "Winternoise" nämlich ohne Frage einen Besuch wert!
