Konzert:

Wave-Gotik-Treffen 2012 - Sonntag

Konzert vom 27.05.2012Zwei Tage WGT reichen aus, um am dritten die ersten Wunden zu lecken. Wir schieben erst mal eine ruhigere Kugel und gehen ins Heidnische Dorf. Dort erklärt ein alter Handwerker, was Zunder ist, und wie man mit einem Feuerstein und einem Eisen Funken schlagen kann. Für das Gesamtpaket will er 20 EUR. Ansonsten pendeln die Preise im „Heidi-Dorf“ zwischen „Festival-üblich“ und „moderat“ - ein Gewürztee mit selbstgebackenem Früchteriegel kostet 4 EUR, Fleisch zwischen 2,50 und 4,50 EUR. (Veganes Essen von „Vegetarisch in Berlin“ gibt es nur an der Agra.) Wie die Kräuter-Nudeln schmecken, testen wir nicht, denn ihr Duft mischt sich mit dem Geruch von Sauerkraut, angebranntem Fleisch vom Nachbarstand und Urin von irgendeinem Dixi. Mjam!



Aber wir bleiben trotzdem im Heidi-Dorf, denn hier spielen jetzt EUZEN aus Dänemark. Sängerin Maria ist ein zartes Wesen mit roten Haaren und außergewöhnlicher Stimme, die ganz unverschämt mit ihrem Keyboarder auf der Bühne flirtet, ein Lied kündigt sie an, es sei „entstanden, als Christopher mich das erste Mal privat zu Hause besucht hat.“ Dieser Strom an fröhlichen Indiskretionen fließt mit der Musik die Bühne hinunter und macht dieses Konzert zu einem hippiesken Kleinod. Zum letzten Song (war das „Judged By“? So heißt der eingängigste Song der Band) bekommen EUZEN dann einen Gast, eine Ballerina oder Kunstturnerin, die im Takt der Musik Kunststücke mit einer Glaskugel vollführt. Eskapismus pur!



Wir kommen wieder im Hier und Jetzt an und fragen uns, was wir mit unserem angefangenen Nachmittag anfangen sollen - der „Das-Gras-ist-grüner-auf-der-anderen-Seite“-Award des heutigen Tages geht an keine Band auf einer anderen Bühne, sondern gleich an ein anderes Festival in der gleichen Stadt. Und zwar haben sich schon vor sieben Jahren einige Horrorpunks vom WGT abgewandt und organisieren seitdem ihr eigenes Batcave-/ Rockabilly-/ Deathrock-/ Horrorpunk-Festival unter dem Titel „Gothic Pogo Festival“, ganz in der Nähe zum WGT. Dort ist das Billing mit z.B. ZOMBINA AND THE SKELETONES dieses Jahr insgesamt besser als auf den Horrorpunk-Festivitäten des WGT. Aber: Auch da spielt heute keine so tolle Band.



Also begeben wir uns schon Stunden vor MESH in den Kohlrabizirkus. Da steht gerade SCANDY ganz allein auf der Bühne – und ist viel unterhaltsamer, als man das von einem einzigen Techno-DJ allein hinter seinen Reglern erwarten mag. COMBICHRIST-Kopf Andy LaPlegua hat eine Mischung aus der Maske von Boba Fett und einer Discokugel als Helm auf, und bringt die Massen mit ziemlich harter Mucke aus der Schnittmenge von Electro/Techno und einer Prise EBM zum Tanzen. Das beste hatten wir da schon verpasst, bei einem Song gab es dazu eine Rollschuh-Performance auf der Bühne. Im Publikum sehen wir die Cybergothics tanzen gehen. Die Neonlocken leuchten und wippen während an den Armen und Beinen befestigte Lichterketten dafür sorgen, dass man auch sieht, was für Verrenkungen die GLiedmaßen so veranstalten. Da das sicher die dem Metal am weitesten entfernte Spielart der schwarzen Szene ist: Gebt einfach mal bei Youtube „Cybergoth Dance“ ein, dann wisst ihr, was ich meine.



FROZEN PLASMA klatschen ab, und die Musik wird langsamer. Die beiden Deutschen kommen gut an. Der Kohlrabizirkus ist für EBM, Synthie-Pop oder Techno übrigens viel besser geeignet als für Metal oder Gitarren-Goth, die Akustik ist gut, und dem Publikum gefällt es. Die Cybergoth tanzen weiter.



England ist das Mutterland des Pop, auch des Synthie-Pop, und MESH sind deren vernachlässigte Nachkommen. Vom Songpotential kommen die drei Musiker an Bands wie die Pet Shop Boys, New Order oder Erasure nah dran. Sie hatten halt nur noch nicht den einen großen Hit. Vielleicht sollten die mal für das United Kingdom beim Eurovision Song Contest antreten, dann müssen wir nicht nächstes Jahr wieder darauf wetten, welcher „Ostblock-Staat“ dem anderen die Punkte zugeschustert hat. Und während wir aufs angenehmste den Abend bei MESH ausklingen lassen, werde ich abgelenkt – es gibt wirklich noch absurdere Tanzstile als den der Cybergoth!


Die Band des Tages fand heute ohne uns statt – den größten Zuschauer-Andrang und die fetteste Bühnenshow sollen heute MONO INC. in der Agra gehabt haben, wurde berichtet.



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