Wave-Gotik-Treffen 2012 - Freitag

Metal-Inside.de war mit zweiköpfigem Team angereist – und hier könnt ihr lesen, was wir zu sehen geschafft haben...
TANZWUT haben den musikalischen Teil des Festivals in diesem Jahr auf der Agra-Bühne eröffnet. Da waren wir allerdings schon im Werk II:
Hach, waren die süß miteinander! Das war der erste Auftritt ever von DARK DRIVE CLINIC, und die Sängerin wird nicht müde, das zu betonen. Und so schnatterte sie sich vor Nervosität um Kopf und Kragen, „ich werde jetzt meine Bandmitglieder blamieren, wenn ich sie vorstelle“, sagte sie entwaffnend charmant, und auch der Ehemann lächelte, als sie ihn als den ihren vorstellte. Und doch war sie dabei so selbstironisch, schlau und witzig, dass sie das Publikum im Sturm eroberte – und die Band, ja die mochten sie eh. Mit toller Stimme sang sie akustische und elektrifizierte Songs. War das noch Goth-Rock? Die Musik war auf jeden Fall sehr eigen!
Wir blieben zu CONTROLLED COLLAPSE im Werk II. Und haben es bereut und sind dann doch in Richtung Agra geflohen: Die polnischen Elektroniker kommen aus der Konserve so ganz peacig rüber, aber hier war der Sound nur noch laut – und statt Gesang gab es Gebrüll. Nein, nein. Also weiter:
In der Agra durften als zweite Band STAHLMANN auf die Bretter – und wurden abgefeiert hoch 10. Ich war erst skeptisch – aber dazu lassen die Göttinger einem gar keine Zeit. STAHLMANN haben den nötigen Arschtritt, um (rein altersmäßig) Oomph nachzufolgen. Wie auf dem Video zu „Spring nicht“ sind alle Bandmitglieder metallisch angemalt – das passt ja zum aktuellen Album „Quecksilber“.
Und dann kamen wir zur ersten deftigen Terminüberschneidung: In der Agra bleiben, oder BLAZING ETERNITY im Kohlrabizirkus gucken? Dort wenigstens für LACUNA COIL vorbei schauen, oder sich im Heidnischen Dorf einen Platz auf einer mittelalterlichen (höhö) Picknick-Decke suchen, um WARDRUNA zu lauschen? Aaahhhrgh, eine typische WGT-Situation!
Wir blieben erst einmal in der Agra: Die Dark-Wave-Heroen CLAN OF XYMOX spielten sich durch alle Schaffens-Phasen und sorgten für eine große Party in der alten Halle, die bis zu 8.000 Leute fassen kann. Die Holländer sind schon so lange dabei, dass ihre Musik schon in ein Dutzend Schubladen passte, und dann doch immer wieder rausfiel. Aber das beste: Band und Publikum befeuerten sich gegenseitig, am Ende bleibt die Feststellung: Schön,dass es Menschen gibt, die sich nur durch den Zuspruch des Publikums jung und schön fühlen können. Denn wichtig ist doch im Herzen!
Ja, so ähnlich hätte die Ansage der beiden Moderatoren auch gehen können – nach der inzwischen also drölften Band kommt die offizielle Eröffnungsansage des 21. WGT, mit einer speziellen Widmung an alle „Virgins“, also die WGT-Erstbesucher. Die englischen Worte werden mit einem Misch aus Sächsisch und Schwäbisch betont. Herzlisch Willgommen!
Und bevor jetzt noch jemand anfängt, zu flauschen... Ach quatsch. Natürlich wird weitergeflauscht! Statt mit hanseatischer Sachlichkeit beginnt Peter Spilles von PROJECT PITCHFORK seinen Set mit „Hallo WGT. Schön, bei euch zu sein.“ Spilles singt wenigstens in seiner üblichen, heiseren Singstimme, sonst würde mich hier jetzt alles wundern. PITCHFORK haben sich anscheinend mal wieder einem Line-Up-Wechsel unterzogen, außer Spilles erkenne ich nur noch Jürgen Jansen als „ständiges Mitglied“ auf der Bühne, stattdessen sind zwei Drummer dabei, einer im Hintergrund und einer ganz in den Vordergrund gerückt, der Rest ist Auslauffläche für Peter Spilles. Bei „Timekiller“ ist das doppelte Live-Drumming nicht nur ein Eyecatcher, sondern heizt das Publikum zusätzlich an. Doch dann stimmt „Lament“ den eher langsamen Teil des Sets ein, und ich überlege: Schaffe ich es noch rechtzeitig in den Kohlrabizirkus? Ich schaffe es!
Setlist PROJECT PITCHFORK
Intro
Continuum
Timekiller
Lament
Conjure
Run FOr Cover
Souls
Endless Infinity
K.N.K.A.
The Queen Of Time And Space
Souls
The Dividing Line
Beholder
Existence
Fire And Ice
LACUNA COIL
Jaha, der Kohlrabizirkus ist wieder da. Diesen Satz muss man am besten vor dem Spiegel sagen, während sich der linke Mundwinkel dem Erdmittelpunkt zuwendet und links alle Muskeln erschlaffen und die rechte Gesichtshälfte freudig erstrahlt. Das Venue mit den von allen Seiten hallenden Wänden (und speziell das konische Dach) ist für Rockkonzerte so geeignet wie eine Sperrholzdose für ein Kirchenkonzert. Also NICHT. Trotzdem ist es viel besser als die letztjährige Messehalle 15, wo zu den Sound- noch die Platzprobleme kamen. Im Kohlrabizirkus sieht man wenigstens von überall gut und hat selbst bei 2.000 anwesenden Gästen genug Platz zum Hüpfen und Tanzen. Doch dazu bekamen die Italiener ihre gotischen Freunde erst sehr spät. Keine Ahnung, ob das Gerücht stimmt, dass viele enttäuscht gegangen sind, weil Andrea Ferro, Cristina Scabbia und Co. keine Songs von den ersten beiden, eher gotisch-langsamen Alben gespielt haben. LACUNA COIL sind seit fast 10 Jahren eine Band, zu der man eher abgehen kann, und die ihre überbordende Energie in Bewegung umsetzen. Und das auch noch tun, wenn sie selbst seit über 30 Stunden keinen Schlaf bekommen haben, die sechs kommen direkt aus Iowa vom letzten Gig der Tour mit Megadeth. So bleibt der Gig ein Ringen – kein Vergleich mit den letzten Wahnsinnsauftritten zum Beispiel auf der großen Bühne in Wacken, aber zu „Swamped“ und „Trip The Darkness“ springen auch die Schwarzgewandeten. Punktsieg!
Setlist LACUNA COIL
Kill The Light
Heaven's A Lie
Entwined
Give Me Something More
Spellbound
Our Truth
Upsidedown
In Visible Light
To The Edge
Fragile
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Swamped
Trip The Darkness
My Spirit
Doch damit war der Abend noch nicht zu Ende, der fotografierende Teil der Metal-Inside.de-Abordnung war noch im Centraltheater bei LOVE IS COLDER THAN DEATH. Die früheren DDR-Dark-Wave-Pioniere sind inzwischen eher ein Gesamtkunstwerk – und verhalten sich dementsprechend. Als einzige Interaktion mit irgendjemandem sagt die Sängerin „Wir hätten immer noch gern Licht auf der Trommel,“ an die Technik gewandt – ansonsten muss die Kunst für sich sprechen. Und da fahren LICTD groß auf, spielen Theremin vor einem phantastischen Bühnenbild, zur Trommel wird Bauchtanz vorgeführt. Spannend, und etwas ganz anderes als ein Konzert.