Konzert:

Wave-Gotik-Treffen 2011 - Samstag

Konzert vom 11.06.2011Gestern waren wir auf dem Mittelaltermarkt an der Moritzbastei – heute chillen wir im Heidnischen Dorf in den Tag hinein. Die Mittelalter-Veranstaltungen sind die Oasen im Meer der Oberflächlichkeiten: Nur hier vermischen sich die Sub-Szenen tatsächlich, setzt sich der Cyberpunk neben den Steampunk und isst der Gruftie mit dem Metaller. Und man lächelt nur über die Lästereien des Vorabends, als noch auf dem Campingplatz EBM'ler mit Brikett-Frisur über kulturlose Heavy-Metal-Kiddies geschimpft haben, mittelalterliche Recken über Quetschkommoden und Samtsofas sich die Zunge verbogen haben und die Zwei-Zentner-Elfen gegen Ringelstrümpfe und Textmarker ins Feld gezogen sind. Sackpfeifen sind schon unverstärkt zu laut, um dagegen an zu reden, Sonne macht albern und die kurzen Regenschauer treiben das Publikum unter den wenigen Zelten zusammen. Die Welt könnte so schön sein...



Oder so schön böse! Das WGT bietet schon seit ich denken kann eine Nische für Punk, Horrorpunk und Psychobilly, aber in diesem Jahr platzt diese Sub-Szene aus allen Nähten. Rund um das Werk II stehen frisuren-technisch die Achtziger wieder auf und die Haare zu stacheligen Iros zu Berge. Bei der ersten Horrorpunk-Band des Festivals gleich in mehrere Richtungen. Doch die Frisuren von THE CEMETARY GIRLS aus Frankreich bleiben das außergewöhnlichste an ihnen, musikalisch gibt es drei Akkorde und wenige Breaks, da gibt es Bands, die die Melange aus Misfits, The Stooges und ein wenig Show besser hinbekommen.



BARREN EARTH aus Finnland spielen in der Alten Messe, Halle 15. Bis zum letzten Jahr fanden die Metal- und Death-Metal-Konzerte während des WGT in einem Nebengebäude statt, dass dank seines Daches aus mehreren konischen Kegeln denkbar ungünstige Soundverhältnisse hatte. Alle waren froh, dass der "Kohlrabizirkus" in diesem Jahr nicht mehr zur Verfügung stand – das Nachfolgegebäude war nach seiner Messe-Karriere in den vergangenen 20 Jahren als Autohaus genutzt worden, hatte mehrere (abgesperrte) Stockwerke, zu denen zwei ebenfalls abgesperrte Rolltreppen führten – und war im Sound noch viel mieser als der Kohlrabizirkus. Der Soundmann gab sein Bestes und versuchte die Atmosphäre der Songs irgendwie zu retten: Die ehemaligen Amorphis-Mitglieder Olli-Pekka Laine und Kasper Martenson knüpfen bei BARREN EARTH zusammen mit den Moonsorrow-Mitgliedern Janne Perttilä (git) und Marko Tarvonen (dr) und Sänger Mikko Kotamäki dort an, wo AMORPHIS nach The Karelian Isthmus und Tales From The Thousand Lakes aufgehört haben. Also elegische, schwere Songs mit Death-Metal-Wumms. Für die filigraneren Töne sorgt normaler Weise Sami Yli-Sirniö an der zweiten Gitarre, der hatte aber an diesem Wochenende mit KREATOR andere Verpflichtungen, an seiner Stelle hatte man Ersatz gefunden. In den ersten paar Reihen war der Sound dann ganz annehmbar, und der Zauber der Songs ließ sich erahnen. Macht Lust auf mehr!


Setlist BARREN EARTH

Jewel

Our Twilight

Flicker

Forlorn Waves

The Leer

Cold Earth Chamber

Deserted Morrows



Die Schweden von VINTERLAND wurden danach von den Blackmetallern heiß erwartet – nach dem 1994er Demo und der 1996er-Scheibe "Welcome My Last Chapter" machte die Band tatsächlich kurzen Prozeß und ist nie (oder nie wieder? – eine Frage an den BM-Connoisseur – Red.) aufgetreten. Nun also hier und das Ergebnis ist... anders als erwartet. Drei schwedische Jeanskutten-Träger stürmen die Bühne, man erwartet schon fast skandinavischen Schweinerock á la Hellacopters, oder wenigstens wie Dimmu Borgirs Side-Project Crome Division – und bekommt einfallslosen Black Metal aus der Mitte der Neunziger. Nicht, dass es Hoffnung auf mehr gegeben hätte, aber... Diese Retro-Veranstaltung braucht kein Mensch!



Währenddessen spielen im Werk II die Iren von HOUSE OF DOLLS – und waren auch ein bißchen verkehrt am Platz, denn HOUSE OF DOLLS sind – das darf man ihnen wahrscheinlich gar nicht sagen – die irische Variante von THE VERVE. Wären die Jungs etwa 300 km weiter westlich aufgewachsen, hätten sie mit "Britpop" ein verkaufsförderndes Schildchen um den Hals. Jetzt sind sie hier die – nach konventionellen Kriterien - bestangezogensten Jungs des Saales und machen verdammt gute Musik – aber die Stimmung kommt nicht so richtig auf. Wahrscheinlich, weil sie auch damit beschäftigt sind, auf ihre Schuhspitzen zu gucken...



Zu CASTRATI und THE LAST DAYS OF JESUS saß ich wieder in der Straßenbahn, um LAKE OF TEARS in der Alten Messe nicht zu verpassen. Die Schweden spielten einen Set aus vielen neuen Songs des aktuellen Albums "Illwill" - und trafen damit offensichtlich in die schwarzen kleinen Herzen der anwesenden Fans. Die Songs sind so sperrig wie die Oldschool-Hits "So Fell Autumn Rain" von der "Forever Autumn" und passten daher bestens auf ein Grufti-Festival. Songs wie "The Greymen" oder "Sweetwater" hoben sich von dem Set fast rockig und fröhlich ab. Die Schweden gingen mit offensivem Stageacting an die Bühnenkante, so dass letztendlich alle Arten von Fans zum Mitgehen animiert werden konnten.



Setlist LAKE OF TEARS

Taste of Hell

Illwill

The Greymen

Raven Land

As Daylight Yields

U.N.S.A.N.E.

Boogie Bubble

So Fell Autumn Rain

House of The Setting Sun

Out of Control

Demon You/Lily Anne

Sweetwater

Crazyman



Währenddessen legten im Werk II CINEMA STRANGE die große Show voller verschiedenster Kostümierungen aufs Parkett, Monica Richards von Faith And The Muse kam als Gast auf die Bühne – aber seht selbst in der Fotogalerie!



In der Messehalle 15 stand derweil eine kleine Hippie-Kommune auf der Bühne und... Hippie-Kommune? TIAMAT waren ohne richtige Crew angereist und bauten ihre Instrumente selbst auf. Zum aktuellen Line-Up gehören der Keyboarder und der Gitarrist, die schon auf der Kurztour im Dezember dabei waren. Und als der Set dann mit "Fireflower" los ging, hatte die hohe Männerstimme des dürren Schlackses an der zweiten Gitarre etwas magisches im Duett mit Johan Edlund. Noch viel lustiger war es, dass diese Magie Minuten später nicht verflog, als Johan Edlunds Gitarren-Amp abrauchte und ein Freund der Band hektisch versuchte, den Gitarrensound zusammen mit der lokalen Crew wiederherzustellen. Genauso entspannt wie beim Aufbau wartete die Band auf der Bühne und der Keyboarder improvisierte "Tequila" von The Champs – begleitet vom klatschenden Publikum. Wo waren wir noch gleich, auf dem Summer Jam? Auf dieser Welle des Publikumsapplauses surften die Schweden den Gig nach Hause – vielleicht konnte bei dieser Setlist auch einfach nichts wirklich schiefgehen: Von fast jedem Album war ein Song vertreten, "Vote For Love" und "Brighter Than The Sun" ließen zwar die Frauenstimme vermissen, hatten aber den Gitarristen als zerbrechlichen zweiten Duettpartner. Und zur Zugabe mischten sich dann "ah"s und "oh"s unter den Applaus, als der vorherige Hobbytechniker als "Martin" vorgestellt wurde und bei "The Sleeping Beauty" die Growls übernahm. Der Wildhoney-Überhit "Gaia" rundete den Set ab – besser konnte es unter diesen Bedingungen nicht laufen!



Setlist TIAMAT

Fireflower

Children Of The Underworld

---

Cain

Whatever That Hurts

Divided

Vote For Love

Brighter Than The Sun

Until The Hellhounds Sleep Again

The Ar

Cold Seed

--

Wings Of Heaven

Sleeping Beauty

Gaia


Aber das war noch nicht alles. Für Verwunderung sorgte noch WGT-Maskottchen NOCTULUS. Der hatte in diesem Jahr seine eigene, kleine Bühne an der Außenseite der Agra, am Ende der Meile der Eitelkeiten. Gut, Bühne ist zuviel gesagt, aber der Künstler mit den rohen Ansagen und dem Smash-Hit "Die rasierte Königin" hatte einen Stromanschluß und eine Art improvisiertes Zelt, von dem aus er die Passanten ansprach. Plötzlich am Abend kam die Fehlermeldung von der Security, an den Dixi-Klos an der Agra sei der Strom und damit auch das Licht ausgefallen. Nach 5 Minuten Rückmeldung über das Funknetz: "Das Licht geht wieder!" Noctulus habe für einen Kurzschluss gesorgt und stehe jetzt eben ohne Strom da. Nur Sekunden nach dieser Erfolgsmeldung kam das Kommando vom Einsatzleiter: "Um Himmels Willen! Sofort NOCTULUS wieder einstöpseln!" Es müsse schnellstmöglich eine andere Lösung für die Beleuchtung der Klos gefunden werden, aber den Ärger, Noctulus ohne Strom da stehen zu haben, den wollte niemand...



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