Konzert:
Verse, Zann, Anchor, Empty Vision, I Rise, Ritual - Hamburg, Rote Flora

Den Auftakt machten RITUAL, die mittlerweile bei Reflections Records gelandet sind und dort im nächsten Jahr ihr neues Album rausbringen werden. Aus dem gab es einige Songs zu hören, die allesamt überzeugen konnten und sich im für RITUAL melodischen Hardcore bewegen. Dass die Band nicht nur auf Platte zu den großen Hoffnungen des europäischen Hardcores zählt, sondern dass sie auch Live ganz groß sind, nachten sie an diesem Nachmittag mit Nachdruck klar. Die Recklinghausener waren mit Herzblut und vollem Einsatz bei der Sache, da flogen die schlechten Haarschnitte, da wurde gesprungen, geschrieen und gepost, dass es eine Wonne war und der Funke schnell auf die ersten Zuschauer übersprang. So verflog die Zeit, schon war der Set zu Ende und die Erkenntnis gewonnen, dass RITUAL 2009 ziemlich durchstarten dürften.
Nach angenehm kurzer Umbaupause machten I RISE weiter – und hatten mit dem gut angeheizten Publikum leichtes Spiel, was aber auch an ihrem famosen Stageacting (ja, auch ohne Stage) und dem eingängigen Songmaterial lag, das mit 90er-Touch gewürzt war. Direkt vor der engagiert agierenden Band ging es gut ab, auch wenn nur wenige Leute mit dem Material der Amis vertraut zu sein schienen. Der erste kleine Pit bildete sich trotzdem und über viel Applaus konnten sich I RISE ebenfalls freuen. Eine gute Show einer viel versprechenden Band.
Dann war Zeit für die vorletzte EMPTY VISION-Show ever, am 17.01.2009 gibt’s die letzte und dann ist vorbei. Nicht verwunderlich, dass Hamburg die Chance nutzte und noch mal alles gab, als die Hannoveraner Kracher um Kracher rausrotzten. Im Vergleich zu RITUAL und I RISE wurde das Intensitätslevel noch mal gesteigert, sowohl von den Musikern als auch vom Publikum – zeitweise verschwanden Michael samt Mikro in einer Menge brüllender, tobender und übereinander kletternder Typen. Zwischen den Songs gab es gewohnt intelligente Ansagen, in die sich immer wieder trockene Selbstironie mischte. Mit EMPTY VISION verabschiedet sich eine der sympathischsten Bands überhaupt, das wurde an diesem Tag wieder einmal schmerzlich bewusst.
Charisma ohne Ende versprühten auch die schwedischen Vegan-Edger ANCHOR, die vom Start weg die Herzen der Leute erobert hatten, allen voran der Sänger, der das Mikro ein ums andere Mal an die Leute abgab Es ging ordentlich der Punk ab, die Edger-Front war beinahe geschlossen auf Tuchfühlung mit den Schweden und sang die Songs der neuen Scheibe lauthals mit. Wer mit den ANCHOR-Songs noch nicht vertraut war, wurde spätestens beim zweiten Fan der Schweden, so melodisch.-eingängig wie die waren. Ich sach’ nur: Charisma.
ZANN waren der Kontrapunkt zum restlichen Line-Up: kaum Ansagen und sperrige Songs bestimmten die nächsten 30 Minuten. Der immer vorhandene Groove lud dabei zum Kopfnicken ein, zu großer Action taugte die Musik aber nicht, aber das dürfte auch nicht der Anspruch der handwerklich erstklassigen Musiker sein.
Und dann kamen die Herren, die vorher noch relaxt (und leicht siffig aussehend) beim Veganen Fastfood-Stand saßen, auf die Bühne: VERSE. „The New Fury“ und „Old Guards, New Methods“ machten den Auftakt und kickten gewaltig, das Publikum ging erwartungsgemäß steil und brachte die ersten Crowdsufer in die Luft, während das Mikro kreiste und die Fäuste in die Luft gereckt wurden. Also alles gut? Irgendwie nicht, denn VERSE machten nach jedem Song lange Pausen, in denen aber keine politischen Statements abgegeben wurden, sondern nur so vor sich hingedudelt. Merkwürdig, auch wenn Sänger Sean hin und wieder gewohnt bissige und direkte Kommentare zum politischen Geschehen abgab, wobei die Amis von den Geschehnissen in Griechenland (nach dem Tod eines 15jährigen Demonstranten durch eine Polizeikugel gab es krasse Ausschreitungen Autonomer) nichts mitbekommen hatten, jedenfalls gab es dazu keine Worte. Wenn sich VERSE ihren Songs widmeten, war alles bestens, aber mit Kracher wie den „Rebuild“ Über-Hit „Tear Down These Walls“ kann auch nichts schief gehen. So blieb ein etwas zwiespältiger Eindruck einer eigentlich grandiosen Live-Band zurück.





