Konzert:

Tuska Open Air 2005 - Sonntag, Helsinki

Konzert vom 17.07.2005Der Samstag abend war hart - das ist er auf jedem Festival, aber wenn die Aftershowpartys so elementarer Teil des Festivals sind wie hier und es zudem ein großes Taxi-Problem von 3:55 bis mindestens 5 Uhr gibt, wird er noch einmal härter. In weiser Voraussicht und aus Rücksicht auf die allgegenwärtige Kirche war das Festival heute erst dementsprechend später angesetzt - für uns allerdings immer noch zu früh, und so verpassten wir CHILDREN OF BODOM - und damit wahrscheinlich den besten Act zumindest dieses Tages.


STAM1NA dagegen sind die Local Heroes auf der "Hellsinki Stage". Schon wieder Finnen mit finnischen Texten - dafür spielen sie schnörkellosen Achtziger Metal sehr gerade heraus, fast schon thrashig. Sehr un-finnisch auch, dass sie keinen Keyboarder dabei haben. Das Zelt ist voll, die Jungs werden gefeiert - und finden das so rührig, dass sie sofort Fotos vom Publikum knipsen.


Ein Beerdigungsmarsch wird angespielt und vier Leutchen kommen mit Sarg auf die Bühne - klar, SENTENCED haben noch etwas mehr als eine Handvoll an Abschiedsshows vor sich. Bis dahin werden keine Gefangenen gemacht, möchte man meinen, mit dem Krachmacher "Where Waters Fall Frozen" wird eingestiegen, und so richtig entschuldigen werden wir es ihnen wohl nicht, dass sie die Band zu Grabe tragen. Heute macht der Fünfer aus Oulu aber eher den Eindruck, als solle die verhasste Hauptstadt noch einmal ordentlich um die Brüder aus dem viel kälteren Norden weinen: Ab Song zwei werden die langsamen Tränendrüsendrücker aus dem Repertoire gekramt. Noch trauriger wird es mit "Despair-Ridden Hearts". Aber gerade dieser Song zeigt, wie sehr SENTENCED trotz allem als Musiker gewachsen sind, Sami Lopakka spielt die Mundharmonika live, ganz herzzerreißend. Den finnischen Fans muss natürlich niemand den Humor der ausschließlich finnischen Ansagen erklären, aber laut meinem freundlichen Übersetzer sagt Ville auch nicht so viel anderes als auf Konzerten Übersee. Zu "Bleed" hielt ein Fan seine mitgebrachte Pappsense in die Höhe. Aber man konnte leider auch sehen, dass es Gründe gibt, warum diese Band jetzt auseinander geht: Mika Tenkula spielt "Noose" an, das Publikum klatscht begeistert mit - auf der Setlist steht aber erst "Cross My Heart". Dasselbe Spiel noch mal bei "No One There". Der Sarg erweist sich zwischendurch als überaus praktisch, denn darin kann man das Bier auf die Bühne tragen und Ville Laihiala hat einen Sitzplatz auf der Bühne, als er bei "Cross My Heart" auf das Gitarren-Zwischenspiel wartet. Der Abgang dagegen ist fast so kompromisslos wie gestern bei DIMMU BORGIR: Die Beerdigungsorgel spielt, Vesa Ranta schmeißt seine Stöcke ins Publikum und es ist vorbei.


Setlist SENTENCED:

Where Waters Fall Frozen

Excuse Me While I Kill Myself

May Today Become The Day

Nepenthe

Ever-Frost

Rain Come Falling Down

Despair-Ridden Hearts

Bleed

No One There

Noose

Vengeance Is Mine


PASKA heißt auf finnisch Scheiße - und so schlimm ist der schon etwas ältliche Metal-Komödiant auch. Aber auch scheiße-lustig. Mit seiner verwaschenen Lederjacke rennt er über die Bühne und "covert" MOTÖRHEADs "Ace Of Spades", nur mit Stimme und Gesten - haha. Mit etwas Verzögerung kann dann aber auch der deutsche Tourist lachen, wenn man sich erklären läßt, was PASKA sonst noch so alles gesagt hat. So hat sich dieses Einmann-Ereignis schon mal wegen "musikalischen Differenzen der Bandmitglieder" aufgelöst. Holzhammer-Humor mit feinen, kleinen Spitzen.


VIIKATE stehen anschließend im Zelt auf der Hellsinki-Stage. VIIKATE sind hier anscheinend Kult - und dafür auch eigensinnig genug. Eine der beiden Gitarren hat einen Sound wie die Geige auf den frühen MY DYING BRIDE, der Sänger mit der Hillybilly-Tolle singt finnisch, und zusammen covern sie Roky Eriksons "Night Of The Vampire" - düster und langsam. Allerdings, wie schon gesagt, auf Finnisch. Bei ENTOMBED hatte das irgendwie mehr Schmiß. Das elegische Titelraten könnte so weiter gehen, der nächste Song klingt verdammt nach SENTECEDs "Nepenthe" - könnte aber auch irgendwas anderes sein...


Des einen Freud - des anderen Leid. Die kleidsamen Fußballshirts nach Art des dreifachen Fußballweltmeisters Deutschland gingen weg wie warme Semmeln, trotzdem war es bei weitem nicht mehr voll als ACCEPT als Headliner und letzte deutsche Band auf die Bretter gingen. Zahlreiche finnische Musiker hatten sich im Vorfeld gewundert, warum die Metal-Urgesteine sich auch nach ihren wieviel-auch-immer Jahren in der Praxis nun tatsächlich vorher im Nosturi warmspielen wollten und diese Nachricht deshalb flux die Runde machte - es wird sich wohl gelohnt haben. Denn ACCEPT waren tight und haben die mehreren Tausend mitgerissen, die wegen ihnen geblieben sind. Die "Klassiker-Lehrstunde" blieb nicht auf das eigene Material beschränkt, dazu haben Udo Dierkschneider und Co. ein Medley aus Klassik-Stücken geliefert, unter anderem Edward Griegs "Hall Of The Mountain King". Und als Zugabe gab es eine 10-Minuten-Version von "Balls To The Walls".


Ein Tipp für Besucher, die sich in Helsinki noch nicht so super auskennen und in einem Aftershow-"Klubi" landen wollen, in dem sie garantiert einige Größen der finnischen Metalwelt treffen: Geht ins Tavastia. Der 700er Club war zwar schon lange ausverkauft, weil hier die offizielle Abschlußparty stattfinden sollte, aber wir kamen hinein, als sich die meisten noch auf dem Weg zurück vom Gelände befanden. KILL THE ROMANCE mussten vor relativ lichten Reihen ran und zogen fett über die Seiten. Originalität ist nicht gerade die Stärke dieser fünf Finnen, aber wer "Only For The Weak" von IN FLAMES in ähnlicher Qualität covert wie die Originale aus Göteborg, hat meinen Respekt.


TRANSPORT LEAGUE teilen dasselbe Schicksal, allerdings auf anderem Terrain und mit umgekehrten Vorzeichen: TRANSPORT LEAGUE kommen selbst aus Göteborg und sind mit Sicherheit die einzige Nu Metal Kapelle, die ich von dort kenne. Nur die Riffs und Bassläufe, die sind leider nur allzu bekannt - STATIC X, MUDVAYNE, DEFTONES, COAL CHAMBER - um nur die offensichtlichsten Einflüsse zu nennen. Immerhin kann Herr Jelencovich wechselweise Schreien, Kreischen, Brüllen und Singen und die finnischen Girls liegen ihm zu Füßen. Souveräner Gig, souveräne Liveband.


Der Rest des Abends ging dann in lustigen Gesprächen, reichlich Alkohol und einer PANTERA-Tribute-Band unter, bei der die Mitglieder unter anderem von TRANSPORT LEAGUE und GODSPLAGUE lustig die Instrumente mit allen möglichen anderen tauschten und munter Klassiker aus der Feder von Dimebag Darrel (RIP) coverten.


Insgesamt sollen 33.000 Leutchen auf dem TUSKA OPEN AIR gewesen sein - angesichts der Größe des Geländes wurden in dieser Zahl wahrscheinlich die zahlreichen Tageskarten-Käufer besonders am Samstag und die Clubgänger mitgezählt. Das TUSKA ist damit aufgrund des Platzes an seine Grenzen gestoßen - aber eine wirklich reibungslose und nette Organisation inklusive Security haben dafür gesorgt, dass wir auf jeden Fall wieder kommen wollen - und hoffen, dass es auch im nächsten Jahr stattfindet!


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