Tuska Open Air 2005 - Freitag, Helsinki

Dabei grenzt der Kaisaniemi-Park an einer Seite an die sicherlich auch nicht leisen Gleise des Hauptbahnhofes. Gleichzeitig das stärkste Plus der Veranstaltung, denn so günstig ist die Verkehrsanbindung bei keinem anderen europäischen Festival.
Apropos günstig: Die Preise auf anderen Festivals sind sehr günstig gegenüber denen hier auf dem TUSKA - was natürlich auch an den generell hohen Kosten für Lebensmittel und Alkohol in Finnland liegt: Wer vergessen hatte, sich den großen Rucksack mit Getränken aller Art in Plastikflaschen oder Tetra-Packs vollzuladen, in dessen Portemonnaie herrschte schnell gähnende Leere: 0,5l Bier kosteten 5 EUR, und der halbe Liter wurde mit Oktoberfest-ähnlicher Sparsamkeit ausgemessen. Essen ist noch teurer, eine Portion Pyttipanna macht für 6 EUR satt, ein Chili-Wok-Mix für 8 EUR. Preiswerter gab es nur Süßes oder die Saunawurst ab 1,50 EUR aufwärts.
Pünktlich um 3 Uhr nachmittags ging die "finnische Antwort auf MANOWAR" auf die Hauptbühne. TERÄSBETONI sind deutlich schmächtiger als Joey DeMaio und Konsorten, lassen aber kein Klischee aus, das jemals in Metall gegossen wurde. Herrje, dafür bin ich noch nicht betrunken genug!
FINNTROLL dagegen feierten und wurden gefeiert - das perfekte Heimspiel. Zwar brannte die Sonne unbarmherzig und ohne jeden Hauch von einem Wölkchen am Himmel auf die kugeligen Bäuche und Gesichter der stattlichen Trolle herab, aber die bangten sich kurzerhand die nicht weniger dichten Haare vors Gesicht und ließen sich nicht weiter bremsen. Das Publikum dosierte seinen Bewegungsdrang da besser - zu Feier-Hymnen wie "Fiskarens Fiende", "Midnattens Widunder", "Rivfader" und natürlich "Trollhammaren" toben die Reihen, bei den etwas langsamen Songs wirken die im Schnitt sehr jungen Finnen wie sediert. Ein eher lascher und wirklich sehr leiser Sound animiert an dieser Stelle aber auch nicht zum Mitgehen. Größter optischer Leckerbissen bei FINNTROLL ist wie immer Gitarrist Samuli, der als einziger Gesicht und Haut der Sonne präsentiert und das Publikum anfeuert. Vom nackten Bauch von Drummer B.Dominator wollen wir an dieser Stelle schweigen...
Die "Sue Stage" ist in diesem Jahr die Austern-Version einer Konzertmuschel und damit - zum Glück bei diesem Wetter - kein stickiges Zelt mehr. Geschickt wurde zwischen die Schatten spendenden Bäume eine Tribühne gezimmert. Dieses Mehr an Platz wird gebraucht, denn DESTRUCTION spielen heute das allererste Mal in Suomi überhaupt. Die Sichtverhältnisse sind zwar dank einiger Sandböen bescheiden und die Thrasher sind ebenfalls ein Opfer der Lautstärke-Beschränkungen - aber Schmier und Mike haben hier im Land der tausend Seen und zweitausend kleinen Bands viele, viele Thrasher aus allen möglichen Generationen geprägt, und die feiern DESTRUCTION zunächst vorsichtig ab. "Wir hätten nie gedacht, dass wir es mal nach Finnland schaffen würden. Und jetzt sind wir hier und es ist wärmer als bei uns zu Hause in Süddeutschland," läßt Schmier seine Euphorie von der Band auf das Publikum überschwappen, und die tragen den Funken weiter. Spontanen Szenenapplaus bekommt Schmier für seine Grüße an "Suomi Finland" - und inzwischen ist das Rund nicht nur voll, sondern geht auch voll mit bei "Metal Discharge" und "The Butcher Strikes Back". Band und Publikum pushen sich nach allen Regeln der Haarschüttelkunst, und der neue Song "Soul Collector" kommt auch prima an. Sollte bis eben jemand am Glauben in den "Fuckin Metal" gezweifelt haben, er wurde eines besseren belehrt. Diese anfangs so steifen Finnen haben dem gerührten Schmier aus der Hand gefressen und sich die anschließende Zugabe hart erklatscht.
Das Bühnenbild von APOCALYPTICA auf der "Radio City Stage" sieht stark nach dem "Heißen Stuhl" aus - der "Cult"-Totenkopf ziert die Stahlmonster, auf denen die Cellisten zu dritt links und einer rechts von ihrem neuen Schlagzeuger Platz nehmen.
Nur noch halb so viel Zuschauer als vorher bei FINNTROLL, aber euphorischer und offensichtlich "angewärmt" - wenn man davon bei über 30 Grad im Schatten überhaupt sprechen kann. Antero Manninen sitzt wieder neben Perttu Kivilakso, Eicca Toppinen und Paavo Lötjönen auf der Bühne - würdevoll wie der Konzertcellist, der er inzwischen wieder an der finnischen Oper ist. Los geht es mit dem Sandra-Nasic-Hit "Path" - allerdings hier und heute ganz ohne Gesang. Auch bei "Master Of Puppets" singt kaum einer mit. Dafür stört das Schlagzeug ganz erheblich - die Drums sind getriggert und der Sound so künstlich, dass der größte Unterschied zu einem Drum-Computer wäre, dass dieser Schlagzeuger ganz einfach unglaublich gut aussieht. Aber dann geht Eicca ans Schlagzeug, Perttu ans Mikrofon und nach der einzigen Ansage in Englisch thrashen die beiden bei "Betrayer" drauf los, dass es eine wahre Freude ist. Mit "Nothing Else Matters" und "Bittersweet" wird das Tempo wieder etwas rausgenommen, nach meinem Geschmack etwas zu sehr, aber bei "Seek & Destroy" rocken plötzlich alle außer Antero wie wild über die Bühne, und das Volk vor der Bühne tobt.
Setlist APOCALYPTICA:
Path!
Master Of Puppets
Betrayer
Nothing Else Matters
Bittersweet (ohne Ville & Lauri...)
Seek & Destroy
Inquisition symphony
Enter Sandman
Hall of the mountain king
Szenenwechsel: PRIMAL FEAR müssen auf der kleinsten Bühne ran - aber von der ist nicht mehr viel zu sehen. Das Zelt um die "Hellsinki Stage" ist voll, und während wir überlegen, ob wir uns Ralf Scheepers, Tom Naumann und Co. in Hochform von außerhalb des Zeltes ansehen und uns dabei weiter die Sonne auf den Bregen scheinen lassen wollen oder doch lieber noch ein Bierchen verhaften, entscheiden wir uns für letzteres. Also für die komische "konservative finnische Alkoholpolitik" (kann man als stehenden Begriff auch in einem Wort aussprechen): Während um uns herum auf dem Festivalgelände reihenweise die Leute umklappen, weil sich Selbstgebrannter in Plastikflaschen und Sonne schlecht vertragen, müssen wir alle Becher vorher abgeben und den Perso vorzeigen, um in die Bier-Zone zu kommen. Und bis zum Weg raus das Bier ausgetrunken haben. Um dann direkt an der Kontroll-Schleuse einem 16-Jährigen mit einer Flasche Cider auszuweichen...
MONSTER MAGNET haben den ausgestiegenen Gitarristen Phil Caivano nicht ersetzt und werden ihn wohl auch in Zukunft nicht ersetzen. Dave Wyndorf spielt wie in alten Zeiten die zweite Klampfe selbst - vorbei die lockeren Zeiten, als er die ausgestöpselte Fender nur zum Posen um den Hals hatte. Gut für Jim Baglino, denn der Bassist hat seit der letzten Tour Selbstvertrauen geschöpft und steht zunehmend in der ersten Reihe, sehr zum allgemeinen Beifall des anwesenden Weibsvolks. This is real Rock - oder, was MONSTER MAGNET vor 1998 darunter verstanden haben. Ein bißchen "Dopes To Infinity", wenig "Powertrip", "Radiation Day" und "Monolithic" vom 2004er-Album - aber einige dahingejammte Scherze von der "Spine Of God" . Es wirkt ein wenig, als ob Dave Wyndorf sich des finnischen Publikums nicht ganz sicher wär - die Altrocker verprellt er schon mit "Monolithic", alle jünger als 25 gehen bei dem ersten lang verjammten Song. Aber dann kämpft der alte Wyndorf noch einmal und holt sich das Publikum mit "Space Lord" zurück. Würdiger Abschluß.
Aber der Abend ist noch lange nicht vorbei: Weiter geht es in zahlreichen Clubs, in allein fünf offiziellen "Tuska-Klubit" darf man noch einmal ein paar Euro Eintritt löhnen, wenn man denn überhaupt noch reinkommt. Wir können uns erst nicht entscheiden und kommen verspätet im ehemaligen Filmtheater "Gloria" an. BARATHRUM sind gerade fertig und die kunstblut- und schweiß-verschmierten Gestalten strömen uns entgegen aus dem pompösen Venue heraus. Die "Deadliner" DEATHBOUND wiegen Gus Lipstick im Publikum (auf der Bühne als HIM-Drummer bekannt) in den Schlaf und treiben uns und sogar den Veranstalter zurück in die Nacht, in der nach knapp 2 1/2 Stunden Dunkelheit gerade wieder die Sonne aufgeht - zu schlecht ist das Gerumpel, dass Gitarre-Bass-Frontgrunzer hier unabhängig voneinander veranstalten.
Bericht vom Samstag und Sonntag lesen
Alle Fotos vom Freitag, Samstag und Sonntag anzeigen