Tiefschlag, Last Sunday, Obscure - Hamburg, Marx

Auf besonderen Wunsch der Gastgeber des Abends wurde es mit LAST SUNDAY deutlich melodischer. Mit Haartollen aus dem Bilderbuch und gar einer Gitarre im Emily Strange Design wurde es ziemlich Emo. Ein punkiger Flair mit poppigen Melodien, dazu drei Sänger und damit ein nicht unbekanntes Problem des Genres: Wenn alle drei zusammen singen wirkt alles wunderbar, jeder für sich alleine aber kann aber nur schwer überzeugen. Auch der Wochentag im Bandnamen ist irgendwie schon vergeben - zum Glück hält die aktive Performance der Band den Zuhörer davon ab über solche Dinge nachzudenken. Ihr Konzert beginnt mit einem technischen Problem eines ihrer Gitarristen und führt zu einer länglichen Zwangspause, die zu Füllen ihnen noch etwas die Routine fehlt. Mit Engelsflügelchem am Gitarrengurt und einer sehr hoch hängenden Gitarre geht es dann weiter. Besonders hervorzuheben: Der verdammt fitte Schlagzeuger und der sichere Bassist legen ein Fundament dass ihresgleichen sucht. Zu ihrem Stampfer "Wake Up" holen sie einen der TIEFSCHLAG Sänger (Tim) auf die Bühne, dessen Einsatz sich neben bangendem Haupt auf das Growlen der beiden Titelwörter beschränkt. Die vornehmlich weiblichen Fans hats erschreckt, den Rest amüsiert. Und die drei Musiker an den Saiteninstrumenten springen weiter umher als gäbe es kein Morgen.
Gegenüber dem melodischen Punkrock der Vorgäger fuhren die Gastgeben TIEFSCHLAG wahrlich brutale Geschütze auf. Ihre beiden energiegeladenen Sänger Tim und Felix shouten ihre deutschen, teils morbiden Texte gen Publikum. Das Liveacting der beiden ist vorbildlich, der Funke springt schnell über. Deutlich länger zum warm werden braucht ihr ungeschminkter Gitarrist Marek, der erst im zweiten Teil ihres Sets nach einem schicken Drumsolo auftaut. Mit dem selbstbetitelten Song "Tiefschlag" gibt es neueres, mit "Schwarzer Regen" oder "Kalter Nebel" älter gedientes Material. Und mit ihnen ein kleines Problem: Denn für nicht Band-affines Publikum sind die Songs schwer zu unterscheiden. Wirklich Melodien ergeben sich selten, die Texte sind kaum verständlich, der Grundtenor durchweg sehr hart. Die Variationen liegen nur im Detail, an vordersten Front stehen brachiale Gitarrenwände mit hasserfülltem Vocal-Battle der beiden Sänger. Die resultierende Wucht ihrer Musik ist phänomenal, der Inhalt bleibt, von prägnanten Textzeilen abgesehen, aber zurück. Das Publikum geht von der ersten Minute an mit und reißt euphorisch die Fäuste in die Höhe. Der Eindruck des sich im Laufe des Gigs leerenden Marx täuscht etwas: Zu einer Wall Of Death lässt sich die aufgewühlte Meute nur noch schwer überreden, immer mehr treiben verschwitzt und ausgepowert an den Rand des Marx. Mit "Schizophren" beenden die noch sehr jungen Hamburger ihren Auftritt um anschließend bei Freibier ihre Record-Party zu feiern. Denn TIEFSCHLAG nutzten das Konzert um ein Live-Album aufzunehmen - ich bin sehr gespannt darauf.