SureShot Woche - Eisregen, Endstille
Konzert vom 18.03.2004Heringe sind schon verdammt arme Fische. Müssen sich ähnlich fühlen wenn sie in ihrer Konservendose wohnen. Gerüchten zufolge war das Headbangers schon mal voller. Fällt schwer zu glauben, den Weg zum Bier muss man sich freikämpfen, die Luft lässt sich schneiden, die Temperatur selbst im T-Shirt schwer aushalten. Und es gibt doch an dem Abend tatsächliche Schwarzwürste mit Warpaints und Lederoutfits. Masochisten.
Ähnliche Leidensresistenz wird wohl auch beim BESESSEN Gitarristen gefragt sein. Selbiger hatte sich bei einem Autounfall auf der Fahrt nach Hamburg seine Hand so verletzt, dass an einen Auftritt nicht zu denken war. Von BESESSEN gab es ihren letzten Output aus der Konserve zu hören. Zu diesem Zeitpunkt mussten leider bereits etliche Besucher vor der Tür bleiben. Ausverkauft bis auf den letzten Platz.
Und es schien, als wären nicht wenige wegen ENDSTILLE gekommen. Und erneut wurde mir das Schicksal der Heringe ins Gedächtnis gerufen. Bei der niedrigen Bühne im Headbangers stapelten sich die Leute in der ersten Reihe bereits nach wenigen Sekunden. Operation Wintersturm. Nur die Panzer auf der Bühne fehlten um den martialischen Black Metal der ganz alten Schule auch fürs Auge sichtbar zu machen. Der Sänger mit handlangen Nieten am Arm krächzte sich durchs Set aus "Jesus Christ" oder dem neusten Song "Dominanz" des aktuellen Albums. Schade nur, dass soundmäßig lediglich ein verschwommener Brei ankam, der den Bass völlig schluckte und die Drums heftig scheppern ließ. Erinnerte vom Gesamteindruck an ein altes MARDUK Tape, dass man sich in nem Golf älteren Baujahrs mir Originalboxen anhört. Und lag defintiv daran, dass ein brechend voler Club soundmäßig kaum in Griff zu kriegen ist. Irgendwie tut derart hasserfülltem Black Metal spartanischer Instrumentierung und Detailleere ein perfekter Sound wahrscheinlich gar nicht so gut. So stellt man sich jedenfalls hundert Prozent unkommerziellen Black Metal vor, neben dem selbst andere selbsternannte Panzerkommandeure erblassen. Obwohl man über die zwar ohnehin unverständlichen Texte sicher geteilter Meinung sein kann, war das schon das derbste was meine Ohren in der letzten Zeit gehört haben. Und ENDSTILLE steuern primär darauf hin extremer als andere Extreme zu sein. In sofern: Ziel ganz klar erreicht.
Schluss mit Lustig. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften hat einen anderen Geschmack als das Publikum. Und so dürfen die thüringischen Extremmetaller EISREGEN keine Songs ihres letzten Albums spielen weil selbiges auf dem Index steht. Und eben viele, viele nicht volljährige Halbbösen im Headbangers waren. "Des Heilands Haut" half als legaler Opener jedoch sofort das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinzureißen. Der Sound war zwar nicht viel besser als beim Opener, dennoch so differenziert, dass man Keyboard und Geige heraushören konnte. "Eispalast" oder "Leichenlager" und das schon fast obligatorische "Born Dead" Cover (DEATH) gabs auf die Lauscher, das lauthals geforderte "Zeit Zu Spielen" aber nicht. "Wundwasser" vom gleichnamigen, kommenden Album erinnert an die melodischeren Tracks ihres letzten Albums. "Könnt isch en büschn möahr Kieboaard üff den Monitör kriechen?" war einer der wenigen Augenblicke bei dem man Herrn Roth mit amüsant wenig krächzender Stimme vernehmen konnte. Optische Änderungen gab es in Form der nun langhaarigen Geigerin, generell raubte die fast familiär enge Atmosphäre ein bisschen der Bedrohlichkeit eines Wacken Gigs, sorgte aber auch für ein wahres brodeln vor der Bühne. Und dann stellte sich die Frage, wie man den rechtsgültigen Beschluss des indizierten Albums live umsetzt. Man lässt einfach das Publikum singen, was sich bei "13" und "Deutschland In Flammen" auch erstaunlich textsicher und mit guter Laune präsentierte. Roth beendete den wie erwartet recht kurzen Gig mit wahren Worten: "Beschwert euch nicht bei uns, beschwert euch beim Staat." Recht hat er.
