Stalker´s 1st Anniversary - Hamburg, Markthalle

Die Markthalle war voll. Das Magazin feierte sich ausgiebig selbst - und ließ auch den Fan fröhlich im Foyer feiern: Das Fest war ausgiebig gesponsort, Sony hatte die sonst nicht sonderlich heimelige Sitzecke in eine gleichzeitig kuschelige wie trendige Spielelandschaft verwandelt und eine Karaoke-Box namens "Singstar" war die meiste Zeit mit Trauben von gröhlenden Menschen umlagert. (laetti)
Den Anfang des ersten Stalker-Festivals machten HATE SQUAD. Die Jungs aus der Nähe der Expo-Stadt im flachen Niedersachsen haben sich am Anfang ihrer Karriere einen legendären Ruf erspielt, galten als große Thrash-Hoffnung und würden heute wohl Metal-Core genannt. "Wir freuen uns, nach zehn Jahren mal wieder in Hamburg zu sein", merkte Fronter Burkhard Schmitt an. Vielleicht wäre es besser gewesen, diejenigen, die damals da waren, hätten die H8-Mannschaft in früherer Form in Erinnerung behalten. Denn: Schmittels Shirt von Exodus gab die Marschrichtung vor: Altbackener Thrash, wie ihn besagte Bay-Areaner tausendmal besser machen. Zudem hatte Burkhard seinen Mitstreitern weder in Körpergröße, noch in Haarlänge etwas übrig gelassen, er selbst war vom tollen Frontsau-Ruf früherer Tage meilenweit entfernt, stolperte gelegentlich fast plan- und hilflos los über die Bühne. Mag sein, dass die Band ein wenig Zeit braucht. Die Band braucht aber kaum einer, was auch ihr abschließendes "Not My God" eindruckvoll unter Beweis stellt. Da gibt es doch inzwischen eine bessere Version einer anderen Band…. (memme)
THE TRACEELORDS passten in dieses Billing wie zwei Eimer Farbe in den dunklen Wald - aber Andy Brings und Co. ließen sich die Butter nicht so einfach vom Brot nehmen. THE TRACEELORDS haben lustige Rotzrock-Stücke wie "Sex, Money, Rock´n´Roll" und sind auch nicht peinlich, wenn sie "Daddy Cool" von BONEY M. durch den Wolf drehen. Andy legt gerade bei Widerstand eine erfreuliche Arschlecken-Attitüde an den Tag, seine Sidekicks Haan Hartman, "Slick Prolidol" und Christof Leim sind spielfreudig, und genial darin, auch verpaßte Einsätze wie Perfektion aussehen zu lassen. Zwischendurch gratuliert die Markthalle Andys Mutter Hildegard zum Geburtstag, die vom Sänger kurzerhand vom Händi aus angerufen wird. Wort des Abends wird "Heavy Metal-kompatible Handbewegung" - die fordert Andy vom Hamburger Publikum, und nach einer kleinen Lästerei in Richtung VIPs bekommt er sie auch, und mit ihr die Gunst der ersten paar Reihen. Die beinharten FINNTROLL-Fans in der letzten Reihe überzeugen THE TRACEELORDS so nicht, aber als "mein ehemaliger Arbeitgeber Tom Angelripper" die Bühne für eine extrem dreckige Version von "Ace Of Spades" entert, tobt die Halle.
Wer dachte, HIM-Villchen ist peinlich, der hat THE SKREPPERS noch nicht gesehen. Die Herren (und Damen???) nennen sich "the ultimate psychobilly band with hardcore pornosex attitude" und machen schrunzigen Rock’n’Roll mit Garagen-Punk-Schlagseite - was die Brings-Lords bereits wesentlich besser auf die Bretter gezimmert hatten. Vielleicht mag es Menschen geben, die "Lack- und Leder"-Image mit cooler Zigarette in Mund oder Hand lässig finden, die einen weißen und einen dolle bunten Anzug witzig finden. Das zusammengewürfelte Outfit rockte null, die Mucke kam etwas besser, weil sie nicht nervte. Der Albumtitel "Call Of The Trash" ist bei diesen Finnen Programm - bitte das fehlende "H" beachten. Zum Ausspannen, Bierholen und Austreten vor Finntroll waren THE SKREPPERS aber genau das richtige. (memme)
Austreten vor Finntroll war auch nötig, denn jetzt sah man plötzlich auf einen Schlag, wegen welcher Band die Markthalle proppenvoll war: Und FINNTROLL wärmten die Party mit dem ersten Song gut an (quasi zum Instrumente noch mal nachstimmen), um dannn schon mit "Fiskarens Fiende" voll durchzustarten. Die Kiefer, die bei den Skreppers noch gegähnt hatten, ölten sich mit jedem Song weiter, um dann aus voller Inbrunst "Trollhammeren" mitzuschmettern. "This is the Hamburg I remember", grinst Front-Troll Tapio Wilska zufrieden und bläst zur Jagd. Munter wird gehüpft, für die Keyboard-Einsprengel hat sich die Band die Kollegin von ENSIFERUM ausgeliehen, Tapio gesteht, dass "Rivfader" eigentlich mal über ihn geschrieben wurde - und dann war plötzlich Schluß. Das heißt, die Veranstalterin musste die Band davon informieren, dass der Schlagzeuger nicht mehr zu hören ist, weil er nicht mehr hinter seiner Bude sitzt, sondern die Keramik umklammert... Alkoholbedingter Ausfall, also. Nun ja, tolle Party mit überraschendem Ende. (laetti)
Setlist FINNTROLL
Slaget vid Blodsaelv
Fiskarens Fiende
Vätteanda
Trollhammaren
Jagger´s Dick (Jaktens Tid)
Kikkeldags
Nattfödd
Ursvamp
Midnattens Widunder
Rivfader
Gaatis Porn
Iskall
ANATHEMA watscheln völlig unpretentiös ungeordnet auf die Bühne und starten wie die wütende Version von PINK FLOYD - und jammen sich innerhalb von ein paar Minuten dem Klassiker "Shroud Of False" entgegen. Zu "Fragile Dreams" sind Band und Publikum dann warm miteinander und auf derselben Wellenlänge angekommen, der Gig hat seinen ersten kleinen Höhepunkt. Die Instrumentierung ist - hmm, unorthodox: Danny und Vinnie Cavanagh spielen beide nicht nur Gitarre, sondern auch jeweils Keyboard - so dass gleich drei Klimperkästen auf der Bühne rumstehen und sich Keyboarder Les Smith zwischendurch mächtig hinter seinem Keyboard-Riser langweilt. Schlecht für "Reverend Lecter", gut für die Brüder, gerade Vincent scheint die Abwechslung auf der Bühne zu genießen und springt zwischen hemmungslosen Rifforgien, dem Mikro-Ständer und dem Keyboard hin und her. Bruder Jamie kehrt den coolen Hund der Geschwisterbande heraus und hält den Gig unter dem Cowboyhut durch. Bei "Balance" ist die Band im Spagat zwischen hohem Energielevel und hohem Alkoholpegel noch in der Waage, spätestens bei "Release" hatten sich die Liverpudlians dann aber rettungslos im eigenen Songdschungel verfranst. "Wish U Were Here" und "Judgement" mit Sängerin Lee Douglas am Mikro waren weitere Höhepunkte, aber die Songs wurden verjammt. Erschwerend kam dazu, dass es dank einiger Organisations-Schludrigkeiten inzwischen weit nach Mitternacht war und die Bettschwere zuschlug, ANATHEMA spielten sich so den Saal leer. Geradezu erfrischend war da eine kurze, unfreiwillige Schockeinlage von Les, der aus Versehen einen Knopf für Techno-Beats auf seinem Keyboard gedrückt hatte. Der gute war mit Sicherheit Tagesvollster, aber seine Bandkumpane standen ihm in Sachen Promille nicht sonderlich nach, so dass das Wettsaufen Finnland gegen Wales fast 1:1 ausgegangen wär (der malade Schlagzeuger von FINNTROLL gegen die verfranste Stimmung bei ANATHEMA) wenn nicht noch ein Ehrengast an dieser Stelle auf die Bühne gesprungen wäre: Jeff Walker von den legendären CARCASS persönlich schmetterte mit den Brüdern "Pretty Vacant" von den Sex Pistols und brachte damit die Setlist noch einmal durcheinander. Und die Band wirkte fast erlöst, als mittem in der Zugabe die STALKER-Chefredaktrice noch einmal auf die Bühne gestiefelt kam und den nächsten Programmpunkt ankündigt.
Setlist Anathema:
Shroud Of False
Fragile Dreams
Balance
Closer
Pressure
Release
Hopes/Destiny
Empty
Goodbye
Wish You Were Here
Disaster
Judgement
Panic
Flying
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Angelica
Sleepless
Phantom
Dying Wish
- Jeff -
Numb
... und weiter ging es mit dem viel zu späten Höhepunkt, und leider auch nur noch viel zu wenig aufrechten Gästen, denn ab jetzt herrschte nur noch Spaß in den Backen: Die "Stalker Allstars" coverten sich durch METALLICA, AC/DC und KISS. Waldemar Sorychta spielte zusammen mit KREATORs Speesy und Christof Leim von den TRACEELORDS, Jeff Walker teilte sich AC/DC mit Chris von CHANGE YOUR DEALER, Tapio Wilska übergab nach "Battery" von METALLICA schwitzend das Mikro an Jeff - ein einziger Spaß, aber leider vor nur wenigen "Überlebenden". So könnte man sonst wahrscheinlich ewig weitermachen...