Roskilde Festival 2013 - Samstag

HATEBREED sind anderswo Headliner, spielten am sonnigen und warmen Roskilde-Samstag aber direkt als erste Band der Arena Stage um 14:00 Uhr. Jamey Jasta ließ sich davon aber ebenso wenig beeindrucken wie die zahlreichen Fans. Mehr als 70 Minuten lang gaben die Amis auf die Mütze und zerlegten das Roskilde nach Strich und Faden. In Sachen Tightness und Motivation macht ihnen eh niemand was vor und wenn das Publikum dann auch noch so viel Bock auf mehr als eine Stunde Mosh, Circle Pit und schön Fäuste-in-die-Luft-recken hat, passt alles. Zudem ist Jamey mittlerweile ein erstklassiger, vor Energie sprühender Entertainer, der sich als Schweden-Kenner („ENTOMBED is the best swedish band ever.“) und KING DIAMOND-Fan outete und die Fans immer wieder zum Abgehen motivierte. Wer dann noch so eine arschtretende Gitarrenfraktion und einen so gut abgehenden Basser am Start hat wie HATEBREED, kann nur regeln. Machten sie dann auch. Einmal schön das Roskilde Festival geregelt.
GOATWHORE hatten am späten Nachmittag in der Odeon Stage relativ wenig Zulauf; wer aber vor Ort war, bekam eine Black/ Death-Abrissbirne der Extrastärke vor die Fresse gehauen. Das Quartett legte wortlos los und prügelte den Fans drei pfeilschnelle Songs um die Ohren, ehe das erste Mal kurz bei einer Ansagen durchgeatmet werden konnte. Die Kerle aus New Orleans haben ja einige saucoole Alben bei Metal Blade veröffentlicht, aus denen sie sich für die Setlist bedienten und so gut 60 Minuten lang Alarm machten konnten. Fettes Brett.
KRIS KRISTOFFERSON hatte als Nachmittags-Headliner die Orange Stage ganz für sich. Ein Mann und seine Gitarre – typischer Singer/ Songwriter-Aufbau, der normalerweise beim Roskilde Festival in der Gloria Stage (der einzigen Bühne in einem Gebäude, einer Lagehalle) stattfindet, im Falle des Entertainment-Veteranens aber unter freiem Himmel und zur besten Sendezeit. Es war dann auch erstaunlich viel los, die Leute ließen sich von der Kristofferson’schen Stimme wegtragen oder dösten zu den ruhigen Klängen in der Sonne. Auch hier wieder ein schöner Kontrast zwischen Metal und Main Stage.
Der auch von seinem BENEDICTION-Gastpiel bekannte Mr. Hunt hat mit ANAAL NATHRAKH ein interessant-brachiale Combo am Start, die sich in den letzten Jahren einen gewisse Ruf als kompromisslos und gleichzeitig progressiv erarbeitet hat und (auch und gerade) im Internet hart gefeiert wird – YouTube-Videos mit 250.000 Klicks sprechen da für sich. Im Pavillon, der kleinsten Roskilde-Bühne, fanden sich dann auch die Metalheads ein, für die direkt nach GOATWHORE der nächste Kracher auf dem Programm stand. Das Londoner Quintett bedankte sich im Laufe der gut 50 Minuten immer wieder für die Gelegenheit, ihre erste Dänemark-Show überhaupt spielen zu können. Hochmotiviert und mit viel Spaß an der Sache (da wird dem Bassisten schon mal ein Klaps auf den Hinterkopf gegeben, wenn er vor lauter Abgehen seinen Gesangseinsatz verpasst) hauten sie ihre Songs raus. Die sind saubrutal, endlich gibt es beim Roskilde auch mal Blastbeats zu hören. Selbst für Nichteingeweihte klingt das Material dabei nachvollziehbar, denn ANAAL NATHRAKH haben relativ fette Groove-Parts und mit Shouting statt Growls ausgestattete Parts zu bieten, die das Gewitter immer wieder auflockern. Im Pit ging es gut ab, wer sich als Metalhead in den Pavillon begeben hatte, hatte auch Bock auf die nächste Runde Moshen. Alles bestens also und ein gelungener letzter Test für KVELERTAK und METALLICA.
KVELERTAK. Die Durchstarter des vergangenen Jahres. Auch in Roskilde lockten sie verdammt viele Leute zu ihrem Gig, der um 20:30 auch zur besten Zeit startete und sofort von 0 auf 100 ging. KVELERTAK sind auch nach einem intensiven Jahr und vielen Shows heiß auf jede einzelnen Gig, jedenfalls machten sie mit ihrer High Energy-Show einen solchen Eindruck. Von den Frontleuten stand niemand still, egal ob sechs oder vier Saiten bearbeitend oder ein Mikro in der Hand habend. Alle waren in Bewegung und trotzdem auf die Sekunde da, um die bei drei Gitarren komplexen Songs tight zu spielen. Die Songs des neuen Albums „Meir“ haben ja bereits die Live-Taufe auf diversen Touren bestanden und fügen sich mit den Songs des Debütalbums zu einer gut knallenden Setlist zusammen. Im Pit ging es entsprechend ab, mehrere Male gab es einen Circle Pit, auch wenn auf Crowdsurfing verzichtet wurde. Nur vier Norweger hielten sich nicht an das Crowdsurfing-Verbot: als beim letzten Song Shouter Erlend in die Menge sprang, taten es ihm Bassist und zwei Gitarristen gleich und ließen sich durch die Menge tragen. Arschgeiler Abschluss einer arschgeilen Show. KVELERTAK sind völlig zu Recht eine angesagte Band, die sich ihren Status durch harte Arbeit und schweißtreibende Live-Shows erarbeitet hat.
METALLICA haben in Roskilde dank Lars Ulrichs dänischer Wurzeln ja immer ein Heimspiel. Als Headliner des Samstags zogen sie viele Tagesticketbesitzer (denen ja ordentlich Metal geboten wurde im Verlauf des Tages), es wurde also richtig voll. Richtig, richtig voll. Bestimmt 70.000 Leute füllten den Platz vor der Orange Stage, um dem US-Quartett zu lauschen. Die Pits waren schon seit Stunden voll, die ersten hatten dafür bereits ab 17:00 Uhr angestanden, um dann um 22:30 bei METALLICA in der ersten Reihe zu stehen. Nach dem klassischen „12 Uhr mittags“-Theme kamen die Headliner auf die Bühne und legten, unterstützt von einer beeindruckenden Lightshow, mit „Blackened“ los. Sofort ging das Publikum im Pit ab und war die Stimmung am Kochen. Launige, wenn auch stellenweise etwas prolligen Ansagen, von James Hetfield und immer wieder Nahaufnahmen vom den Drums ackernden Lars Ulrich hielten die Stimmung hoch. Dabei war es faszinierend zu beobachten, wie früh im Set der gute Mr. Ulrich schon am Schwitzen und Pumpen war, spätestens bei „For Whom The Bells Told“ ging es mit ihm bergab. Von „Death Magnetic“ wurde relativ wenig gespielt, aber wer Songs wie „I Disappear“ oder „One“ in der Hinterhand hat, kann sich auch locker auf die Klassiker konzentrieren. Bei den Fans im Pit kam das erwartungsgemäß sehr gut an und auch die Besucher hinter den Wellenbrecher feierten die mehr als zweistündige Show mit Sprechchören und viel Applaus. Der Sound war knackig und druckvoll, wie schon bei den Headlinern der anderen Tage, so dass alles im grünen Bereich war. Hetfield, Hammet und Trujillo sind ein gut aufeinander eingespieltes Trio, dessen Posen und Gesten sitzen (über das Bass-Solo sollte aber der Mantel des Schweigens gelegt werden), die eine Menschenmenge wie an diesem Abend souverän unterhalten. METALLICA erfüllten so die an sie gestellten Erwartungen, ohne sie zu übertreffen.
Setlist (wie immer ohne Gewähr):
Blackened
For Whom The Bell Tolls
Disposable Heroes
Harvester Of Sorrow
The Day That Never Comes
Carpe Diem Baby
I Disappear
Sad But True
Welcome Home (Sanitarium)
Orion
One
Master Of Puppets
Battery
Nothing Else Matters
Enter Sandman
Zugabe:
Fuel
Creeping Death
Whiplash
Seek & Destroy
PISSED JEANS konnten im Pavillon nur wenige hundert Nasen versammeln, da sie zeitgleich zu METALLICA spielten. Die Amis bezeichneten sich dann auch als die einzig wahren METALLICA und kündigten drei Stunden Coversongs an, konzentrierten sich dann aber doch auf einige Songs. Die gingen voll in die Fresse, wie es bei 80er HC/ Punk kaum anders geht. Das Stageacting der Kerle ist dabei aber ebenso Genre-untypisch wie ihr schräger Humor – beides kam beim Publikum gut an, dürfte aber die vereinzelt im Zelt vorbeischauenden Neugierigen eher irritiert als interessiert haben.
SIGUR ROS luden dann um Mitternacht alle Fans sphärischer Töne in die Arena Stage ein. Der durchschnittliche Metalhead war derweil immer noch bei METALLICA, auch wenn sich vereinzelt Metalshirts im vollen Zelt erspähen ließen. Das isländische jetzt-nur-noch-Trio hatte für die Bühnenshow groß aufgefahren und einen weiblichen Background-Chor (die auch für Streichereinsätze zuständig waren) und eine Gruppe Blechbläser in den Hintergrund der Bühne gestellt; außerdem fanden sich ein Glockenspieler wieder. Das Drumkit stand in der Mitte der Bühne, da Drummer Orri auch für die Keyboards und Percussions zuständig war. Überall auf der Bühne waren lange Stangen mit Glühbirnen am Ende montiert, die für eine stimmungsvolle Grundbeleuchtung sorgten, wobei die Lightshow natürlich nicht zu kurz kam und im Laufe des langen Sets eine große Vielfalt an Lichteffekten geboten wurde. Abgerundet wurde das Ganze durch eine riesige rechtecktige LED-Wand, auf der je nach Song unterschiedliche Effekte zu sehen waren. Bandkopf Jon ging da fast unter, wie er mit seinem Geigenbogen und der Gitarre da stand. Das änderte sich mit Beginn der Show, da waren allen optischen Eindrücken zum Trotz die Augen auf den Isländer gerichtet, wie er die Gitarre bearbeitet oder in seiner eigenen Sprache sang. Basser Georg setzte immer wieder Akzente, die dank des sehr differenzierten Sounds gut zu hören waren. In der Setlist wurde ein Wechsel aus ruhigen und kraftvollen Songs geboten, was seine Zusammenführung immer wieder in den Songs des neuen Albums „Kveikur“ fand, mit dem SIGUR ROS wieder dynamischen und weniger sphärisch klingen. Das Publikum war schlicht hingerissen vom Licht- und Tonspektakel, frenetisch wurde der Beginn jedes Songs beklatscht (das Ende nicht minder frenetisch) und sich auf die traumhafte Reise durch SIGUR ROS’sche Klanglandschaften mitnehmen lassen. Es war für viele Besucher des Roskilde Festivals sicherlich ein Highlight und ein wunderschöner Abschluss des Festival-Samstages. Im klaren Kontrast zum brachialen Metalsound der letzten Stunden und dem nicht weniger brachialen Elektro der auf der Main Stage anstehenden CHASE & STATUS. Ein grandioser Gig, der in allen Belangen überzeugen konnten und ohne Frage zum Besten gehörte, was an diesem Wochenende zu sehen war.
Setlist (wie immer ohne Gewähr):
Yfirborð
Brennisteinn
Glósóli
Vaka
Sæglópur
E-bow
Hrafntinna
Varúð
Hoppi+med blód
Kveikur
Festival
Popplagið
CHASE & STATUS machten dann auf der Main Stage nach METALLICA nicht minder brachial weiter, auch wenn das Londoner DJ- und MC-Quartett im Elektro zu verorten ist. Die Coverversion von „Killing In The Name Of“ (RAGE AGAINST THE MACHINE) wurden von den Kerlen aber ebenso brachial und tanzbar aus den Boxen gejagt wie eigene Nummer. Nachts um 2:30 Uhr war zwar nicht mehr wahnsinnig viel vor der Bühne los, aber das gilt nur im Vergleich zum Headliner – 20.000 Menschen dürften es locker gewesen sein, die noch einmal ordentlich das Tanzbein schwingen wollten.
Für ganz Hartgesottene gab es um 3:00 Uhr in der Odeon Stage eine Zeitreise in die 60er und 70er in Form von UNCLE ACID AND THE DEADBEATS. Mit schön warmem Sound wurde hier dem Mix aus BLACK SABBATH, THE STOOGES und Fuzz gefröhnt, mit dem die Band gut durchgestartet ist. Für die Uhrzeit war das Zelt noch relativ voll, in den ersten Reihen ging auch gut der Punk ab. Passenderweise fanden sich auf der Wiese vor dem Zelt viele kleine Gruppe Kiffer, die der nächtliche Kälte trotzten und die Show als perfekten Soundtrack für den letzten Joint des Tages nutzten. Wer sich die Show etwas wacher anschaute, wurde mit neuen Songs und launigen Ansagen belohnt.