Konzert:

Placebo, Toy - Hamburg, O2 World

Konzert vom 05.12.2013Die ersten 10 Stunden von "Superorkan Xaver" sind über Hamburg gezogen, und die Imtech-Arena macht im Wind gruselige Geräusche. Und von da aus kommt man erst in die hellerleuchteten Gänge und dann in die stockdunkle O2-World. Das sind Gegensätze, die die Sinnesorgane nicht unbedingt für TOY anwärmen. Aber die Band passt kongenial zu PLACEBO: Düsterer Pop trifft auf eine sparsame, aber effektvolle Lightshow. Die vier Herren an Mikrofon, Saiten und Schlagzeug und die Dame hinter dem Keyboard machen noisige Soundteppiche. Obwohl jemand im Vorfeld zu uns "braucht kein Mensch" sagte, sind wir der Meinung: Die können was. Nächstes Mal mehr!


Es dauert dann doch eine Weile, bis zu PLACEBO umgebaut ist, und mit jeder Minute, die der Umbau länger dauert, werden die Fragen im Kopf lauter: Werden PLACEBO gute Laune haben? Wird die Band so divenhaft sein wie in Berlin? Wird Brian Molko zu seinem Publikum sprechen? Und dann kamen sie mit dem aktuellen Song "B3" auf die Bühne und wurden vom Hamburger Publikum sehr freundlich, aber nicht euphorisch empfangen. Nach dem zweiten Song "For What It's Worth" begrüßte Gitarrist Stefan Olsdal ebenfalls die Hamburger, die sich mit jedem Song langsam, aber sicher weiter in Extase klatschten. Das führte zu witzigen Szenen, in denen Drummer Steve Forrest sich das Mikro vor den Mund holte, die Menge losjubelte - und dann keine Ansage kam. Kurz nach Olsdal wandte sich auch der Impressario Brian Molko kurz ans Publikum. Heute sprach auch seine nonverbale Kommunikation Bände: Als letzter Satz im letzten Takt von "Meds" kommt "Trying my best not to forget." Das "forget" hatte Molko rausgezögert und rausgezögert, die Band spielte eine Pause - und das Publikum jubelte wieder. Molko blickte herausfordernd in die Runde, als warte er auf eben dieses Wort. ALs es nicht kam, sang er es dann doch selbst. Aber es war irgendwie nicht klar, ob er auf mehr Kreativität der Menge gewartet hatte, oder ob der Applaus der beabsichtigte Effekt war. Apropos Effekte: Mit "Too Many Friends" begann ein ganzer Block an neuen Songs, und nach dieser ersten Singleauskopplung senkte sich ein Vorhang vor der Band. Meine Nachbarin ulkte: "Wohl, um die Band zu schützen." Aber daswar völlig unbegründet, denn da die meisten neuen Songs großes Hitpotential haben, gab es keinen Grund zum Becher schmeißen. Lediglich "Purify" und "Space Monkeys" sind ein bißchen lahmarschig, der Rest fügte sich sehr gut ein. Der Vorhang war natürlich, um die Lichtshow zu verfremden. Auch darüber wurde in Berlin geunkt, die Backing-Band würde von PLACEBO komplett im Dunklen gelassen. Auch das stimmte für Hamburg nicht. Natürlich zahlen die ca. 7-8000 Zuschauer ihr Geld nur für die drei Placebos, die dementsprechend im Follower-Spot standen. In Hamburg bekamen auch die Mietmusiker ihre 5 Minuten Ruhm. Die Keyboarderin, Geigerin und Backing-Sängerin hatte genug hinter ihren drei Instrumenten zu tun, Bassist, Gitarrist und Keyboarder wechselten sich teilweise ab, und der eine von den dreien durfte seine Rampensau auch soweit rauslassen, dass er mit Stefan Olsdal die Gitarrenhälse kreuzte oder Steven Forrest weiter anfeuerte. Aber es waren die PLACEBOs selbst, die so spielfreudig waren und die Hamburger ausdauernd zu seltsamen Klatsch-Rhythmen anfeuerten, an "Loud Like Love" entweder das Riff aus "Turbolover" oder "I Was Made For Loving You" heranjammten und Kate Bush's "Running Up That Hill" mit einem eigenen Gitarrenriff aus dem heute nicht gespielten Oevre beendeten. Es war wieder Stefan Olsdal, der das "Wer klatscht lauter, die linke oder die rechte Hälfte?!"-Spiel spielte. Als zu "The Bitter End" das Hamburger Publikum dann endgültig ausrastete, fühlte man sich an den Text des WOMBATS-Songs "Dance To Joy Division" erinnert: PLACEBO haben großartige Hits mit todtraurigen Textzeilen, die von Brian Malkos Stimme an der Grenze des emotional erträglichen vorgetragen werden. Und doch war das ein ausgezeichneter Konzertabend, an dem beim finalen "Infrared" die Halle aus vollem Halse mitgröhlen konnte. Watt schön! Und dann spricht der Meister noch und sagt: "Kommt heil durch den Sturm."


Setlist PLACEBO

B3

For What It's Worth

Loud Like Love

Twenty Years

Every You Every Me

Too Many Friends

Scene Of The Crime

A Million Little Pieces

Speak In Tongues

Rob The Bank

Purify

Space Monkey

Blind

Exit Wounds

Meds

Song To Say Goodbye

Special K

The Bitter End

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Teenage Angst

Running Up That Hill

Post Blue

Infra-Red



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