Konzert:
Neurosis, Ufomammut, Amenra - Hamburg, Grünspan

NEUROSIS anhören - oder nach AMENRA, die die radikalen Gründerväter des
Post-Noise oder Post-Metal wie auch immer man den existentialistischen
Krach betiteln will, inzwischen radikal auf die Spitze treiben. Was ist
Realität und was Wahrnehmung? Eine Frage die sich schnell erledigt,
denn schon im Vorraum des Grünspan werden die Besucher von wabernden
Projektionen begrüßt, und ähnlich wabert auch die Luft. Denn es wird
nicht nur im Raucherbereich gequarzt wie vor der
Anti-Raucher-Gesetzgebung, und die Luft riecht schnell nach Nikotin und
THC. Die Zusammensetzung des Publikums ist aber auch sehenswert: Die
Mehrheit ist eher Ü30, aber von Rasputin-Bartträgern bis Leuten, die
ihre eigenen Konturen als Patch auf der Kutte tragen, ist alles dabei.
Vor allem Menschen, die richtig weit gefahren sind, um ihre Helden zu
sehen, darunter Dänen und Schweden. (laetti)
Wo waren wir doch gleich? Ach ja, bei AMENRA. Die Jungspunde aus
Kortrijk in Belgien sind außer von NEUROSIS mit Sicherheit von der
Hardcore-Schule um INTEGRITY und CONVERGE beeinflußt - und in ihrem
Stageacting noch radikaler als die Vorbilder. Konsequent ist die
Verweigerung. Während des gesamten Konzertes guckt der Sänger nach
hinten auf seine Band. Gitarristen, Bassist und Schlagzeuger sind zwar
nach vorne aufgestellt, gucken aber entweder auf ihre Schuhspitzen oder
den Sänger. Auf die Bühne ist keine Beleuchtung gerichtet, so dass die
Körper der Bandmitglieder die Leinwand der Projektionen verlängern. Denn
die großen Projektionen mit Szenen aus verfremdeten schwarz-weiß-Filmen
sind die Bilder, die die Band zu ihrer Musik in den Köpfen sehen will.
(laetti)
UFOMAMMUT sind das auflockernde Element zwischen den beiden Radikalen an
diesem Abend. Locker und fast hippie-esk kommt einem das Stoner-Trio aus
Italien nach AMENRA vor. Dabei sind die Songs gar nicht so
leichtverdaulich - schwer wie Lava ziehen sich GItarrenläufe und
Schlagzeug dahin. Trotzdem: Die Band groovt, die Bühne ist zur
Abwechslung "normal" beleuchtet und schon allein der Schlagzeuger mit
seinem Natur-Flokati auf der nackten Brust betont die relaxte Atmosphäre
dieses Zwischenspiels. (laetti)
NEUROSIS sind die Antithese zu allem, was eine gute Show gemeinhin ausmacht: das Stageacting beschränkt sich auf ein Minimum und Kommunikation mit dem Publikum findet nicht statt. Aber im Falle von NEUROSIS ist das genau richtig, eine Standard-Show würde der Band und ihrem Werk nicht gerecht werden. Das wird an diesem Abend ausführlich abgearbeitet, gut 80 Minuten lang entfesseln die Amis einen Soundorkan, der selbst NEUROSIS-erfahrene Besucher schier umreißt. Zusammen mit dem Projektionen und der perfekt darauf abgestimmten Lightshow ergibt das eine beklemmende, fast schon apokalyptische Atmosphäre, in die sich nur selten ein Sonnenstrahl verirrt (Vielen schien aber THC weiterzuhelfen, wie schon bei den Vorbands). NEUROSIS sind die Meister der dunklen Musik, was sie mit dieser Show wieder einmal bewiesen haben. Kaum eine Band schafft es, so monolithisch-bösartig zu klingen und die Atmosphäre ihrer Alben in einem verqualmten Konzertsaal zu verfrachten – NEUROSIS gelingt das. Beeindruckend. Nicht minder beeindruckend der Lärmorkan am Ende des Sets bei „Through Silver In Blood“, der einen perfekten Abschluss einer nicht minder perfekten Show schafft.
Setlist (wie immer ohne Gewähr):
Locust Star
Given To The Rising
End Of The Harvest
A Season In The Sky
At The Well
Water Is Not Enough
Belief
At The End Of The Road
Killing Elk
Through Silver In Blood



