Metal Hammer Paradise 2013 - Freitag

Pünktlich zu UNLEASHED finden wir den Weg zum großen Festzelt. Da passen etwa 4.000 Leute hinein, und es ist die Hauptbühne für die kommenden beiden Tage. Unter allen Begrüßungen gingen die Stockholmer fast ein bißchen unter, aber "Icecold Winterland" und "Deathmetal Victory" kann man auch noch mitbrüllen, wenn man gerade einen guten Kumpel im Arm hat, den
man ewig nicht gesehen hat. Das Zelt war für die erste Band des Tages recht gut gefüllt - erst recht, wenn man bedenkt, dass mit THE ANSWER der Geheimtipp der Stunde parallel gespielt hat. (laetti)
Über den Auftritt von PARADISE LOST scheiden sich ein bißchen die Geister. Ich fand Songauswahl und Darbietung super: Von fast jedem Album seit der "Gothic" ist was dabei, sogar der Genre-bildende Hit "Gothic" selbst. Die Elektropop-Songs wie "So Much Is Lost" oder "Isolate" werden inzwischen runtergerotzt, und passen damit auch irgendwie zu den Songs der neuen Alben "Tragic Idol" und "Faith Divides Us" - die sich doch anhören wie in Würde gealterte Versionen von "Idol" und "Draconian Times". Trotzdem waren alle möglichen Fangruppen und Einstellungen zu "PL" vertreten: Ein paar wenige Oldschool-Deathmetaller, die nach UNLEASHED stehen geblieben sind, und denen PARADISE LOST damals schon nach "Shades Of God" ausgewhimpt waren. Fans der großen Melodiebögen von "Icon" und "Draconian Times". Ein paar wenige Fans der "Host"-Phase. Und ich dazwischen. Ich habe PARADISE LOST schon besser und kommunikativer gesehen - mit dem Publikum wurde heute nicht sonderlich viel geredet. Ich habe sie schon schlechter gesehen. Aber ich habe sie noch nie so fit gesehen! Nick Holmes ist jetzt ein "MAMIL" - ein "middle aged man in lycra" - also ein Radsport-Fanatiker. Und jeden einzelnen Kilometer auf seiner Rennmaschine sieht man ihm am aufgerichteten und gestählten Körper an. Statt hinter gebeugter Körperhaltung und ins Gesicht fallenden Haaren versteckt sich der Frontmann nun nur noch hinter einem veritablen Vollbart. Die Spielfreude von Aaron Aedy, Steve Edmondson und Adrian Erlandsson ist eh mit den Fingern greifbar.
Setlist PARADISE LOST
Mortals Watch The Day
So Much Is Lost
Remembrance
Gothic
Enchantment
Faith Divides Us - Death Unites Us
Tragic Idol
Never For The Damned
Isolate
Say Just Words
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Rotting Misery
Once Second
True Belief
Over The Madness
As I Die
Weiter geht es im "Baltic Ballroom", einem ein bißchen in Länge und Breite gezogenen Schuhkarton mit Fliesen. Leider haben sie vergessen, das Ding auch in die Höhe zu ziehen, also ist der Sound vor allem laut mit "gefangenem Bass". Aber nichts, was ein guter Soundmann nicht innerhalb von 2-3 Songs auf die Reihe bekommt. Leider hat jede einzelne Band das Problem von neuem...
Mit SAMAEL begann eine Art Klassentreffen von 1996: Die Schweizer spielten ihr 17 Jahre altes Über-Album "Passage" von hinten nach vorne. Das ergab eine seltsame Dramaturgie des
Abends: Songs wie "My Savior", "The Ones Who Came Before" oder "Rain" runden seit ein paar Jahren die Setlist ab - und wurden hier früh verfeuert. "Born Under Saturn" läutete das Hitfestival ein. Der Song wurde laut Vorph noch nie in Deutschland live gespielt. Zu "My Savior" spielte das Publikum nicht wirklich mit, und der Abgesandte der "Metalfreunde
Thrashhausen" drehte sich vor mir um, weil es ihm nicht gefiel. Perlen vor die Säue! Denn gleichzeitig lief den SAMAEL-Fans von 1996 ff ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Mit der Zeitmaschine holte die Band sich selbst und das Publikum anschließend ins Hier und Jetzt, "Soul Invictus" ist ja ein ziemlicher Black Metal-Kracher, wer bis eben noch geschwelgt hatte, war nun wieder wach. Und wahrscheinlich naß geschwitzt vom Headbangen und Tanzen. Eine Mischung, die SAMAEL damals mit diesem Album perfektioniert hatten. (laetti)
Setlist SAMAEL
Static Journey (Intro)
A Man In Your Head
Chosen Race
Born Under Saturn
Moonskin
Liquid Soul Dimension
The Ones Who Came Before
Jupiterian Vibe
My Savior
Angel's Decay
Shining Kingdom
Rain
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Infra Galaxia
Soul Invictus
Slavocracy
The Truth...
TIAMAT hatten im selben Saal die gleichen zwei Songs Anlaufschwierigkeiten. Das Theater mit "wir spielen nur ein Album, weil's Kult ist" hatte die Band schon in Wacken vor zwei
Jahren vollzogen, heute gab es ein Best-of aus allen Alben zu hören. Als zweiter Song wurde bereits "The Ar" verfeuert, vom Titelsong des aktuellen Albums "The Scarred People" bis "The Sleeping Beauty" von der "Clouds" war von fast jedem Album der Überhit dabei. Wie sagte mein Nachbar: "Tiamat sind heute aber auch unfassbar gut!" Das stimmt für Spielfreude und Songauswahl, und ist um so höher zu bewerten, weil die Johan Edlund und Co. einfach mal ohne Crew angereist sind und in den ersten zwei bis drei Songs auch noch Rückkopplungen und anderen Firlefanz zu bewältigen hatten, die bei professioneller Crew eher nicht auftreten. Das Klassentreffen ging also munter weiter, und LACUNA COIL sahen sich die beiden früheren Label-Mates im Baltic Ballroom ebenfalls an.(laetti)
Wer danach nicht auf Wolke sieben zu DJ Anzo oder in die Karaoke-Bar geschwebt ist, konnte sich noch bei IN EXTREMO das Mütchen kühlen. Wer die Band länger nicht gesehen hatte, musste sich die Augen reiben: Die Mittelalter-Elemente spielen kaum noch eine Rolle. IN EXTREMO sind heute eine Rockband mit Sackpfeife. Ok, und Schalmei und anderen historischen Instrumenten. Aber auch die Themen ihrer aktuelleren Songs behandeln Themen aus dem Hier und Jetzt. (laetti)