Konzert:

Listening Session Negator

Konzert vom 15.09.2005Ein lauer Sommernachmittag in Hamburg-Altona - die Sonne scheint, die Bäume sind grün, die Blätter wiegen sich sanft im Wind. Doch in jenem großen weißen Haus erwartet die Gesandschaft etwas ganz anderes: Die Hamburger Black-Metal-Band NEGATOR bittet zur (Lautsprecher)-Box - METAL-INSIDE.de ist exklusiv als Internetmagazin dabei. Doch vorher heißt es "Schuhe aus" und "Hopfenrolle" (beziehungsweise Eistee grün oder orange) rein. Der zurückgekehrte Sänger Nachtgarm und Gitarrist Trolfbert rezitieren "Die eisernen Verse". Das zweite Album der Band erscheint am 14. November erneut bei Remedy Records. Produziert haben die Vier (Drummer Tramhein und Bassist Trolfbert bastelten derweil am Video-Material für die Bonus-DVD) mit Dark-Ager Eike Freese in seinem Eikey-Studio. Bewährte Zusammenarbeit, die auf einen gelungenen Nachfolger von "Old Black" hoffen lässt.


Zwischendurch allerdings sickerte immer mal wieder Beunruhigendes aus dem Hause NEGATOR durch. Denn noch im August gingen Nachtgarm und der Rest getrennte Wege. Die vielgerühmten persönlichen Differenzen waren Schuld. "Wir haben gesprochen und unsere Probleme ausgeräumt", erklärt Sprachrohr Nachtgarm und Kollege Trolfbert nickt bejahend mit dem Kopf. Eitel Sonnenschein also bei den Nordlichtern. Allerdings blieben dem Frontmann gerade mal zwei Tage, um die Songs einzusingen. Ohne Pause malochte Nachtgarm - die Folge war ein fieser Bluthusten. Jetzt aber rein ins Geschehen, in neun Titel mit einer Gesamtspielzeit von 40:24 Minuten.


Eisen wider Siechtum (4:09)

Ohne lange Vorrede gehts in atembraubendem Tempo los. Klirrende Gitarren, fast stumpfes Drumming ,trotz aller Höhen weist das Lied mächtigen Groove auf und abrupte Breaks sorgen für Abwechslung.

Old Stigma (4:16)

Ein beinahe balladesker Anfang gerät schnell in Vergessenheit, Blast-Beats, fieses Grunzen, lange Schreie…. Es groovt und endet vollkommen abrupt.

Türme (4:09)

Ein an Immortal erinnernder Beginn steigert sich in rasendes Tempo, eiskalt klirren die Gitarren, gegen Ende wird’+s fast doomig… Interessant und nein, diese Türme haben nix mit dem Herrn der Ringe zu tun.

The Answer To All Questions (4:42)

Wieder krasses Geballer ohne Warnung, aber auf der Gitarre klingen obergeile Melodien durch, fast klassisch-metallisch. Mittendrin gibts einen amtlichen Mitgröhlpart - aber über allem thronen die flitzenden Finger des Gitarristen.

Honour Demise (2:48)

Kurz und schmerzvoll. Volles Tempo, 240 Beats per Minute oder mehr. "Unser Kuschelsong" sagt Nachtgarm und die Musiker grinsen diabolisch… Doch trotz vollen Tempos macht dieser Song irgendwie gute Laune. So schnell wie’s losging, so schnell endet der Song - abrupt. Full stop.

Gloomy Sunday (4:29)

Kleine Geschichtsausflug: "Das Lied vom traurigen Sonntag" heißt ein Roman von Nick Barkow, wie die Klavier-Komposition von Rezsö Seress, die Mitte der dreißiger Jahre tatsächlich in einem Budapester Lokal entstand und als "Hymne der Selbstmörder" traurige Berühmtheit erlangte. Und es gibt einen Film mit Ben Becker und Joaachim Krol (Ein Lied von Liebe und Tod). "Früher sollen sich die Menschen reihenweise umgebracht haben", berichten die NEGATORen - und spielen erstmal das Lied des Ungarn Seress als reines Klavierstück vor. Das hat sie Jungs inspiriert (wie übrigens vorher schon Björk, Heather Nova, Melissa Etheridge und zahlreiche andere, lieber verschwiegene Künstler). Mit Genannten und Ungenannten hat die Hamburger Black-Metal-Edition des zwischenzeitlich verbotenen Songs wenig zu tun, eher mit Krisiun oder von mir aus auch Marduk. Der ans ich schwermütige Sonntag mutiert also zu einem ganz wütenden, die Gitarren schmirgeln, der Bass bummert - so intensiv kann die Schwarzwurzel klingen.

Das Erbe (5:34)

Untypischer Song - er hat zwar einen Text, der wird aber nicht gesungen "weil das typische NEGATOR-Gekreische nicht dazu gepasst hätte", wie Kollege Nachtgarm betont. Die Musik steht in der Tat für sich, verbreitet melancholische Stimmung, ist schleppend, klirrend, schön, enthält hymnische Melodien, verbreitet mit Akustik-Gitarre Wild-West-Atmo… Und über allem steht Berthelm und sein Bass. Interessant.

Die eherne Replik (7:09)

Wohl der Song, auf den die Hamburger am stolzesten sind… "Das ist die Krone der Schöpfung, das sind zwei Jahre NEGATOR", tut der antialkoholische Schreihals ein wenig pathetisch. Der akustische Beginn wird regelrecht aufgefressen von DoubleBass und fiesem Kreischen. Intensive Gitarren treffen auf Bubbel-Bubbel-Bubbel-Drums Der Song beschreibt einen großen Bogen, findet am Ende aber wieder zurück zum Anfang - geradezu symbolhaft für den Text voller Pathos - von Liebe zur See und zu Hamburg. Das flotte Ende lässt den Hörer staunend zurück.

Harvester Of Storm (3:06)

Sogar Trolfbert selbst verwechselt den Songtitel artig mit dem ähnlich lautetenden Metallica-Titel. Musikalisch aber besteht da nur eine höchst entfernte Verwandtschaft (beide Band benutzen grundsätzlich Instrumente). Denn NEGATOR geht noch mal voll geradeaus, voll auffe Glocke, auf die Zwölf. Der Song ist wie eine Linie und die läuft dann einfach so aus…..

Fazit? NEGATOR haben sich zweifelsohne weiterentwickelt, ohne ihre Trademarks zu verleugnen. Zusammen mit Endstille und Dark Fortress haben die stolzen Nordmänner die Chance, die bundesdeutsche Black-Metal-Szene mit zu gestalten.

Was bleibt? Ein zweiter Hördurchgang, weitere Hopfenrollen und mehr Eistee in verschiedenen Farben. Und lustige andere Sound-Proben obskurer Porn-Grind-Bands, Videos aus Hollands Death-Metal-Underground und absolute krasse Videospiele: Ihr wisst schon, der bunte Klempner mit der Mütze - Nachtgarm, unser Black-Metal-Mario. Alles egal, solange die Scheibe für die nötige Street-Credibility sorgt. Ach: Der letzte Blick nach draußen: Es wurde kalt und dunkel, der Wind verstummte, die Blätter blieben regungslos, die Sonne war weg…. Black-Metal, Frost und Kälte…


Trolfbert. Tramheim. Band. Nachtgarm. Berthelm.