Konzert:

Life Of Agony, Second Function - Wiesbaden, Schlachthof

Konzert vom 17.02.2016

Als ich 1993 im TV bei "Headbangers Ball", einem schon lange eingestellten Metalmagazin auf MTV, das Musikvideo von LIFE OF AGONY zu "Through And Through" sah, mich bei dem außergewöhnlichen Gesang und der Intensität der Band infizierte, hätte ich nicht gedacht, 23 Jahre später die Band aus Brooklyn wieder bei einem Liveauftritt begrüssen zu können. Berlin, Hannover, München, Köln und Wiesbaden standen auf der kleinen Deutschlandtour von LIFE OF AGONY. Wiesbaden? Ja, Wiesbaden und zwar im dortigen Schlachthof. Warum gerade Wiesbaden als doch unbekannterer Ort in Bezug auf die anderen Städte ausgesucht wurde, ist mir nicht bekannt, aber schon das letzte Konzert dort im Jahre 2009, was ich in an gleicher Stelle besuchen konnte, war sehr gut besucht. Auch dieses Jahr war der Schlachthof am Samstag, den 23.01.2016, zu gut 80 % gefüllt.

 

Der Schlachthof ist meines Erachtens auch eine ideale Location für Bands, die nicht die ganz großen Hallen füllen, aber den kleineren Clubs entflohen sind. Die neu gebaute Halle mit großem Parkplatz in ca. 100m Entfernung lässt die Anreise und den Besuch unkompliziert werden. Vom Securitydienst bis zur Getränkeausgabe, alles ist sehr professionell organisiert, was einem im Vergleich zu vielen anderen Locations immer positiv in Erinnerung bleibt.

 

LIFE OF AGONY sind keine fleissige Band, was das Veröffentlichen neuer Alben angeht. Lediglich vier Longplayer hat man sei 1993 veröffentlicht, dennoch hat die Band, die für authentischen Alternative Metal mit der unverwechselbaren Stimme von Keith Caputo steht, eine treue Fanbase, die auch zu einem Konzert kommt, wenn es kein neues Material gibt. Für 2016 kündigte die Band, die bei Napalm Records nun unter Vertrag steht, jedoch eine neue Scheibe namens "A Place Where There's No More Pain" an. Man darf gespannt sein, wo es musikalisch nun hingeht, hatte doch Sal Abruscato vor einigen Jahren verkündet, die Band sei definitiv am Ende und ein neues Album werde nicht mehr kommen.

 

Apropos Keith Caputo. Bekanntermaßen steht nun Mina Caputo auf der Bühne, denn die optische Verwandlung des Frontmannes zur Frau war zwar trotz des eigenwilligen Stils des Sängers sicher überraschend, wobei jedoch die Stimme so geblieben ist, wie man sie schätzte.

 

Im Vorprogramm waren die Schweizer SECOND FUNCTION platziert, die gegen 20 Uhr losbretterten und mit ihrem Alternative Rock/Metal die auf LIFE OF AGONY wartende Menge überraschend fix überzeugen konnten. SECOND FUNCTION spielen in der Besetzung Schlagzeug, Bassist und Gitarrist, wobei letzterer auch für den Gesang verantwortlich ist. Trotz der Minimalbesetzung spielte die Band unheimlich tight und baut trotz des oft melodischen Gesangs immer wieder richtig Druck auf, was nicht zuletzt am Schlagzeuger lag, der schweißbadend sein Set verprügelte. Oft nimmt man Vorbands eher so aus dem Augenwinkel wahr, insbesondere wenn sie kaum jemand kennt, doch bei SECOND FUNCTION war dies am Abend anders. Nach wenigen Songs interessierte sich fast jeder für die Band und die einzelnen Songs wurden – obwohl sie wohl nur wenige kannten – abgefeiert und die Band mit Applaus und Jubel quittiert. Es war dann auch nicht verwunderlich, dass später die neue EP "Feed Yourself" am Merchandisestand einige Interessenten fand. Die Band ist sicherlich ein Geheimtip und hat am Abend live vollends überzeugt, zumal der Musikstil auch zu LIFE OF AGONY passte. Druckvoller alternativer Rock/Metal, der ein gutes Gespür für Melodielinien und Songaufbau besaß. Ein Geheimtip!

 

Nach 20 Minuten Umbauphase, wobei man sich darauf beschränkte, die Instrumente und das Schlagzeug vorzubereiten (auf ein Hintergrundbanner oder ähnliches wurde verzichtet), kamen unter dem Getöse der Halle Mina Caputo, Sal Abruscato, Alan Robert und Joe Z. auf die Bühne. Mit "The River Runs Red" gab es direkt eine klare Ansage für den Abend zu den Roots. Ob nun Keith oder Mina Caputo, den Zuschauern war es egal, denn die Band hat nach wie vor ihrem Charme nicht verloren. Im Gegenteil, an dem Abend liebte der Saal wohl Mina Caputo noch mehr als Keith, denn sie steht durch ihren Lebensweg und ihre Verwandlung nun noch mehr als zuvor für die Kämpfe, die man im Leben austragen muss und Schwierigkeit der eigenen Identität, was die Band schon immer ausmachte.

 

Die leicht depressive und traurige Grundstimmung der energiegeladenen emotionalen Songs, kommt meines Erachtens in Deutschland besonders gut an, sind wir doch schon immer ein Land mit einem Hang zur Melancholie gewesen. Es folgten "This Time" und "How It Would Be". Mina Caputo, welche ständig mit dem Mikro am Posen und in der Kommunikation mit dem Publikum war, hat offenkundig nichts am Spaß bei den Liveauftritten verloren und auch Alan Robert, der übrigens auch professionell Comics zeichnet, sowie Joey Z. waren ständig in Bewegung. Es schien wirklich so, als wären die 23 Jahre spurlos an der Band vorbeigegangen. Zwar sehen alle Protagonisten nicht mehr ganz so frisch aus und insbesondere Mina Caputo scheint schon so manche Party bis zum Ende mitgemacht zu haben, dennoch lebt die Band nach wie vor ihre Musik und ist unheimlich authentisch. Zwar war nicht alles so sauber gespielt, wie man es sich vielleicht wünschte, doch wurde man schnell bei der Reise in die Vergangenheit mitgerissen und ließ so einige musikalische Ungenauigkeiten verzeihen.

 

Die Setlist sah an dem Abend aus wie folgt:

 

River Runs Red

This Time

How It Would Be

Love To Let You Down

Otherside

Method Of Groove

Respect

Weeds

Seasons

Respect

I Regret

Lost At 22

Through And Through

My Eyes

Bad Seed

Underground

 

Die beiden letzten Songs wurden in einer Zugabe, die mit einem langen atmosphärischen Intro eingeleitet wurde, nach doch etwas längerer Pause gespielt.

 

LIFE OF AGONY wirkten überraschend lebendig, als müsse man sich noch viel beweisen und stände erst am Anfang ihrer Karriere. Die Band, die nur vier Alben in den 23 Jahren produzierte, hat immer noch ihre Fanbase, was zeigt, wie intensiv und nachhaltig insbesondere das hier auch im Schwerpunkt gespielte Erstlingswerk bei dem Publikum noch in Erinnerung ist.

 

Große Enttäuschung allerdings im Merchandise Stand. Es gab nur ein einziges T-Shirt zu kaufen und das wurde laut Ansage von Mina Caputo zwischen den Songs noch extra für die Deutschland Tour von Alan Robert gefertigt. Nur in Schwarz/Weiß gehalten. Hat die Band keine T-Shirts mehr, die sie mitbringen konnte? Ohne Kritik an Nationalstolz zu üben, ist das T-Shirt geschmacklich total verirrt, hat es doch mehrere Bundesadler und altdeutsche Schrift beim Wort "Germany". Völlig verkorkst. Gleiches gilt für das Tourplakat: Vor der Deutschlandfahne in schwarz/rot/gold das LAO Logo, verkauft zudem am Merchandisestand mit Originalunterschriften für 20 €. Hier wurde wohl aus Unwissenheit was zusammengesetzt, was sicher nicht viele Fans fand.

 

Es bleibt die Frage, was man von der neuen Scheibe in 2016 erwarten kann, von der leider nichts gespielt wurde. Das Veröffentlichungsdatum ist zudem auch unbekannt, irgendwann später 2016 heisst es derzeit. Zuletzt wurden ruhigere Töne angeschlagen und auch die Soloprojekte von Mina Caputo lassen daran zweifeln, dass man gerade das so erfolgreiche Konzept des Alternative Metal hier nochmals aufgreifen wird.

 

Insgesamt verbleibt ein sehr überzeugendes Konzert, wenn auch 36 Euro an der Abendkasse ein stolzer Preis sind ohne neues Album im Gepäck.  



Wolfgang M. | metalinside.de Mehr Infos:Life Of Agony