Korn, Dimmu Borgir, Turbowolf, 6.10.2010 – Berlin, C-Hall
Meine Güte, was rocken TURBOWOLF! Das war schon mein erster Gedanke, als ich noch längst draußen stand und auf meine Begleitung wartete. Von näherem betrachtet entpuppte sich der Dreier aus dem Vereinigten Königreich als Hippies aus dem All. Haare und Klamotten wie bei einer verschmierten Stonerrock-Kapelle, aber außer treibendem Off-Beat und den obligatorischen drei Akkorden auf den Gitarren hatten die Jungs noch ein wirr programmiertes Keyboard und eine fette, bunte Lightshow. Letztere stellte sich im Nachhinein als das Abschiedsgeschenk der DIMMU BORGIR-Crew heraus, die sich damit von der vielversprechenden Nachwuchskapelle verabschiedete, denn die Tourtrosse trennen sich nach dieser Show, TURBOWOLF bleiben bei KOЯN. Den Titel "Let's Die" anspielen und im Auge (und im Ohr!) behalten, diese Band!
DIMMU BORGIR
Zu DIMMU BORGIR gab es hier vor dem Konzert noch einmal einen ganzen Schwung an frischem Gewisper und Gerüchten, die seit dem Rausschmiss von Mustis und ICS Vortex nicht abzureißen scheinen: Auf dem Konzert in Köln hätten Dimmu angeblich nur fünf Songs gespielt, weil die KOЯN-Fans Dimmu boykottiert hätten (das Blog einer großen deutschen Heavy-Metal-Zeitschrift schweigt sich dazu aus). Snowy White (KING DIAMOND/ex-THERION) sei der neue Bassist und Sänger (Stimmt zum Teil, für ein paar Tage war Snowy bestätigt, trat dann aber wieder von seiner Zusage zurück). Mit den ihnen eigenen theatralischen Mitteln räumten DIMMU BORGIR zunächst mit den Gerüchten um die Mitstreiter auf, denn die enterten zuerst die Bühne: Schlagzeuger Daray Brzozowski sitzt ja nun nicht die erste Tour hinter den Kesseln und trat als Erster auf die Bühne, es folgte Geir Bratland als neuer Keyboarder, den Dimmu von APOPTYMA BERZERK rekrutiert haben - wer um die Blackmetal-Wurzeln zahlreicher Apop-Mitstreiter weiß, den kann diese Kooperation nicht zu sehr wundern. Schlußendlich hat der SUSPERIA-Gitarrist Cyrus den Bass übernommen – allerdings nicht die cleanen Vocals (auch das eine „It's all in the Family“-Personalie, hatte doch seinerzeit der ex-Dimmu-Drummer Tjodalv SUSPERIA gegründet). Es folgten Galder, Silenoz und schließlich Shagrath, und das Konzert konnte mit "Xibir" von der „Enthrone Darkness Triumphant“ losgehen. Die eigentliche Preisfrage war ja: Rocken DIMMU BORGIR nach der Umbesetzung? Die Antwort ist ein klares „ja“. Meinetwegen auch großgeschrieben: JA. Die „optische Präsenz“ der Band ist zunächst einmal symmetrischer geworden, die Aufmerksamkeit wird nicht mehr durch den Hünen Simen abgezogen, sondern sie lastet nun ganz allein auf Shagrath und seiner Inszenierung der Songs. Dann kommen die Gitarristen, dann die - sorry, ist nun mal so - "Mietmusiker". Die Bühnenkostüme der Norweger sind denen aus dem Video zu „Gateways“ ähnlich – also weiß. Moooment: Eine Blackmetal-Band in weiß? Exakt. Immerhin: Das ist so überkandidelt, dass Tom Runes Gesichtsgymnastik gar nicht mehr auffällt. Die Setlist ist - ungewohnt, weil sie fast nur Songs mit "einer tiefen Männerstimme" enthält. Also kein "Kings Of The Carnival Creation", kein "Maelstrom Mephisto", keine "Serpentine Offering". Es fällt überhaupt auf, wie sehr Shagrath seine Gesangsparts durchbolzt, Aggressivität galore! Auf einen zweistimmigen Standard kann natürlich nicht verzichtet werden: Auf "Progenies Of The Great Apocalypse", und es klingt komisch. Keine Ahnung, ob da cleane Vocals aus der Konserve drunter gemischt wurden – es klingt zur einen Hälfte nach Shagrath' Reibeisenstimme, zur anderen nach Snowy Shaw vom DAT-Rekorder. Immerhin, dieses inoffizielle Bandmitglied ist in seinen Kompetenzen deutlich aufgestiegen: Die opulenten Orchestereinspielungen von „Abrahadabra“ grüßen aus dem Studio, auch die Gastsängerin Agnete Kjølsrud konnte wohl nicht dazu bewegt werden, Dimmu auf Tour zu begleiten. Schade – hätte sich natürlich aber nur wegen "Gateways", diesem einen Song, nicht gelohnt. Fazit also: DIMMU BORGIR sind anno 2010 definitiv motivierter, engagierter und fokussierter. Vielleicht auch berechenbarer und professioneller.
Setlist DIMMU BORGIR (Setlists wie immer ohne Gewähr!)
Xibir
Spellbound (By the Devil)
Dimmu Borgir
Gateways
Chess With the Abyss
The Serpentine Offering
Puritania
Progenies Of The Great Apocalypse
Mourning Palace
Perfection Or Vanity
KOЯN
Apropos richtig. War es richtig, dass die New-Metal-Heroen KOЯN die Blackies DIMMU BORGIR mit auf Tour nehmen? In die Columbiahalle war etwas unter einem Drittel beinharter Black-Metal-Maniacs gekommen, ungefähr ein knappes Drittel poppiger Nur-KOЯN-Freunde und deutlich über einem Drittel Metal-Fans, die schon vorher wussten, dass sie mit beiden Bands was anfangen können. Es gab stoischen, aber guten Applaus für die Norweger – und dann kamen KOЯN. Schon der Sound brachte das Bier im Becher zum Springen, denn die Slap-Bässe wurden so weit aufgedreht, dass es sich anhörte, als würde Godzilla direkt neben der Columbiahalle lauern. Dabei hatten auch KOЯN jüngst erst ihr Besetzungskarussell zum Stillstand gebracht: Ray Luzier sitzt hinter den Drums, als würde er das schon immer so machen, und auch KOЯN haben zwei Mietmusiker dabei - einen davon an der zweiten Gitarre. Die liefern die Bühne, so dass die „originalen drei“, also Munky, Fieldy und vor allem Jonathan Davis eines der Konzerte ihres Lebens abliefern. Jonathan Davis ist in bestechender Form, die Adidas-Klamotten passen wie vor zehn Jahren, kein Hauch von Wohlstandsspeck ist zu sehen. Stattdessen geriert sich der Familienvater wie der Psycho aus alten Tagen, verrenkt sich – und die Stimme hält. Das Rezept für eine perfekte Show kann so einfach sein! Aber so einfach machen es sich KOЯN nicht. „Falling Away From Me“ wird als Klaviersonate angespielt, die Lightshow ist total over the top, sehr amerikanisch wird lieber von allem zu viel präsentiert - na, man kann auch übertreiben. Aber das merkt die Menge nicht mehr, die hier in einem Rausch springt und springt und springt.
Setlist KOЯN
4 U
Right Now
Pop A Pill
Here To Stay
Oildale (Leave Me Alone)
Falling Away From Me
Let The Guilt Go
Did My Time
Somebody Someone
Throw Me Away
Freak On A Leash
Helmet In The Bush
Blind
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Shoots and Ladders / One
Clown
Got the Life