Konzert:

Hypocrisy, Survivors Zero, Drone - Hamburg, Markthalle

Konzert vom 24.01.2010Wie viele Zuschauer werden wohl kommen? 350-500? Oder mehr? Das waren
die Hauptfragen unserer Konzertvorbereitung und sie zielte auf das
"richtige" Konzertoutfit. T-Shirt oder Longsleeve unter einem oder zwei
Pullovern - nicht ganz unwichtig bei einer schnell sehr heiß werdenden
Markthalle und Außentemperaturen von -8 bis -10 Grad Celsius.



Blöd nur, wenn man bei diesen Oberflächlichkeiten verpasst, dass
HATESPHERE schon vor etwa vier Wochen die Tour abgesagt hatten - die
Dänen wollten sich lieber gut auf ihre erste US-Tour vorbereiten, als
den Anheizer für HYPOCRISY zu spielen. Der Tourtross behilft sich jetzt
stattdessen mit lokalen Bands als Anheizer. Blöd auch, wenn man sich mal
eben ordentlich irrt: Über 500 Tickets waren bereits im Vorverkauf
weggegangen und geschätzte 800 Metalheads wollten sich das erste Konzert
von HYPOCRISY in Europa seit August 2006 nicht entgehen lassen. Immerhin
waren wir mit beidem nicht allein - noch während SURVIVORS ZERO warteten
einige auf HATESPHERE und die Markthallen-Crew hatte den Balkon in
Erwartung kleinerer Zuschauerzahlen abgesperrt, so dass es bei sich
drängenden Körpermassen sehr schnell mollig warm wurde.



Davon profitierten nun DRONE: Der Vierer aus Celle spielte vor vollem
Haus groß auf, hatte Spaß inne Backen und das Publikum in der Hand. Das
sah dafür vom Hamburg-üblichen Augenbraue-hochziehen bei den vielleicht
ein bißchen zu euphorischen und aufgekratzten Ansagen ab, klatschte und
bangte sich schon mal warm. Dazu eigneten DRONE mit ihrer "Mischung aus
allem" von Thrash über Mini-Harcore-Einsprengsel bis Death Metal sehr
gut, das Tempo der Songs war durchgehend sportlich. Die Gewinner des
W:O:A Metal Battle von 2006 schickten den Großteil der Crowd mit einem
aufmunternden Grinsen in die Pause.



SURVIVORS ZERO hatte dagegen niemand so richtig auf dem Zettel. Die
Finnen spielen auch Death-Thrash-Mixtur, dieses Mal aber mit deutlicher
Schlagseite in Richtung Thrashmetal mit Breakdowns und Solos. Während
Memme in seinem Review noch ordentliches Potential entdeckt hat, fehlte
hier der deutlichen Mehrheit des Publikums der Zugang zur Musik, oder
auch nur der berühmte "erste Durchlauf" - es war also immer noch voll in
der großen Halle, aber die Stimmung fiel doch merklich ab. Die beste
Nachricht aus diesen fast 60 Minuten ist tatsächlich, dass Tapio "Papa
Bär" Wilska wieder da ist! Auch wenn er nur mit einigen
Hintergrund-Shouts zum Gesang beiträgt und ansonsten den Bass bedient.



Zwanzig Minuten später ist alles andere vergessen: Zum Intro von
HYPOCRISY war die Elektrizität im Zuschauerraum fühlbar. Wir hatten
wahrlich "Long Time, No Death" - so auch der Titel dieser Tour.
Frenetisch werden Peter Tägtgren, Mikael Hedlund und Horgh empfangen.
Ihren neuen zweiten Gitarristen haben sie auf Empfehlung von Peters
Bruder Tommy Tägtgren geangelt, denn "Tomas" spielt in Nordschweden in
einer Combo, die es immerhin schon ins Abyss-Studio Nummer 2 geschafft
haben. Gestartet wird mit den beiden eingängisten Songs vom aktuellen
Album "A Taste Of Extreme Divinity". Beide Songs fassen schön die
Trademarks eines idealen Hypocrisy-Songs der schnelleren Gangart
zusammen - ansprechendes Riffing und dazu zackig den Kopf abschrauben,
bitte. Sind wir warm? Gut, dann kann es weitergehen: "Fractured
Millenium" ist einer der von mir sehr geschätzen Midtempo-Songs, aber
auch dazu kann man nicht nur die Pommesgabel in der Luft schwenken
sondern auch die Haare schütteln. Vor Eraser gibt es die erste längere
Ansage, jede kleine Bewegung auf der Bühne wird durch das Publikum mit
wahlweise mit hochgereckten Hörnchen, Fäusten, Klatschen oder Schreien
begleitet. Nur das Mitsingen läßt ungefähr zur Hälfte des Sets
schlagartig nach. Und das liegt nicht an der Textsicherheit der alten
Säcke und Weiber im Publikum, sondern am leider schlechter werdenden
Sound. Ein hartnäckiger Brummton wird mal leiser und mal lauter und
überdeckt zwischenzeitlich den Gesang. Wie Peter und Soundmann Kimmo
Ahola später analysieren, ist ein Gitarren-Amp während der Show
abgeraucht - das Problem sollte also bis Berlin behoben sein. Hier in
Hamburg gehen die Klassiker im "mmmööööhh" unter. Immerhin: "Apocalypse"
und "The Fourth Dimension" kann man schadlos zusammenkürzen, bei "Killing
Art" und "A Coming Race" versteht man dagegen den Gesang kaum noch. Wer
nicht hören kann, dem bleibt Zeit zum Gucken, denn der Bühnenaufbau und
die Lightshow sind fett: Die Bühne wird von Horghs Drumkit dominiert,
dass von Metall-Rosten unten und dem Hypocrisy-Logo aus Stahl links und
rechts flankiert wird, hinter dem Backdrop scheint ein riesiges
Kirchenfenster versteckt, das von hinten angestrahlt wird. Ob Hypo statt
"Let The Knife Do The Talking", das Peter als Liebeslied an alle Frauen
im Auditorium richtet, lieber einen Song aus den Medleys länger hätten
ausspielen sollen, wird in den Fanforen noch in den nächsten Wochen
diskutiert werden. Immerhin bessert sich der Sound hier etwas, so dass
"Fire In The Sky" auch angemessen gewürdigt werden kann. Nach diesem
Abgang erklatscht sich das Publikum mindestens fünf Minuten lang
frenetisch seine Zugabe bevor es mit dem Überhit "Roswell 47", "Warpath"
und dem "Final Chapter" von der Bühne geht. Summa summarum macht das 85
Minuten Oldschool Schwedentod, trotzdem entschuldigt sich Peter Tägtgren
noch dafür, dass es leider nicht mehr sein kann, man wisse nie am ersten
Tag einer Tour, was die Stimme so mitmacht. Das ist schade, denn auf dem
Nachhauseweg wird weiterdiskutiert, welcher individuelle Fave nun
gefehlt hat, aber verständlich. Und so wird der Schweden-Vierer mit noch
mehr Applaus auf die weitere Europa-Tour entlassen.



Aber vorher läßt sich die Band von ihrem Tourmanager noch zu einem
Absacker auf dem Kiez breitschlagen, und dort im Lunacy werden der Sound
und weitere Macken ausdiskutiert. Peters Stimme hat gehalten - aber die
drei Saitenhexer reiben sich müde die Nackenmuskeln. Wir hatten "Long
Time No Death" - und mindestens 700 Besucher der Markthalle werden mir
zustimmen, dass wir HYPOCRISY dieses Mal eher wiedersehen wollen als
erst in vier Jahren!




Setlist HYPOCRISY:

Intro

Valley of The Damned

Hang Him High

Fractured Millenium

Adjusting The Sun

Eraser

Pleasure Of Molestation/Osculum Obscenum/Penetralia - Medley

Apocalypse/The Fourth Dimension - Medley

Killing Art

A Coming Race

Let The Knife Do The Talking

Weed Out The Weak

Fire In The Sky

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Intro

Roswell 666

Warpath

Final Chapter