Konzert:

Groezrock Festival 2010 - Meerhout, Belgien

Konzert vom 24.04.2010Kalt war die Nacht, richtig kalt. Morgens Eis auf dem Zelt und das Gefühl, dass die Nase abgefroren war. Dafür wurde es im Laufe des Tages richtig warm, wahrscheinlich der erste Sommertag Belgiens 2010.


THE GHOST OF A THOUSAND eröffneten den persönlichen Festival-Samtag mit einer Show, die trotz der frühen Stunde voller Energie und Leben war und zu Recht von den Kids in den ersten Reihen gefeiert wurde. Die Briten zogen auch alle Register, hatten eine keine-Wünsche-offenlassende Setlist und waren mit dem richtigen Fuß aufgestanden. So kann ein Festivaltag gerne anfangen.



DEFEATER litten noch deutlich unter dem Jetlag, schließlich hatten die Bostoner quasi gerade eben europäischen Boden erreicht. So blieb die Show überraschend kurz, knapp 30 Minuten waren es am Ende, und die Songs überraschend schnell und brutal gespielt. Das wurde dem auf Platte variabel eingesetzten Gesang nicht immer gerecht, zumal der Sänger kurzatmig wirkte. Zwar funktionierten die Songs trotzdem, gerade die von der „Lost Ground“-EP stammenden Stücke, und kamen bestens an, aber in Bestform waren DEFEATER an diesem Tag definitiv nicht.



Deutlich ausgeschlafener waren STRIKE ANYWHERE, die die Main Stage für eine Dreiviertelstunde in Beschlag und die Kids mit auf eine Reise durch politisch motivierten Punkrock nahmen. Mag die Meinung über die späteren Alben der Band auch geteilt sein, kommen die Songs Live doch immer noch gut an, zumal wenn sie mit so viel Herzblut gespielt werden wie an diesem Abend. Die Songs der aktuellen „Iron Front“-Platte passten sich gut die Setlist ein und wurden ebenso gefeiert wie „Change Is A Sound“-Sachen – Crowdsurfer segelten Dauertakt in den Graben, Fäuste wurden wütend in den Himmel gereckt und aus voller Kehle mitgesungen. Zwischen den Songs noch intelligente Ansagen und fertig ist die gelungene Punkrock-Show.



A WILHELM SCREAM sind auf Tour mit STRIKE ANYWHERE und rockten sich durch ihren Set im kleineren Zelt, konnten da aber trotz Überschneidungen in der Zielgruppe auf eine erkleckliche Anzahl Zuschauer blicken, die zusammen mit der Band einen ordentliche Party feierten. Mittlerweile ist auch diese Band zu einer soliden Live-Band geworden, die bei aller Angepisstheit über den Zustand der Welt ihren Charme nicht verloren hat, ihre wütend-ironischen Songs mit einem Grinsen in die Menge feuerten.



Nach mehr als zehn Jahren werden DESPISED ICON in diesem Jahr Schluss machen, der Gig beim Groezrock kann also schon mal als Abschied von Belgien gesehen werden. Ein gelungener Abschied, soviel steht fest! Die Frankokanadier machten klar, warum sie seit einer Dekade als feste Größe im Metalcore-Zirkus gelten: brutal as fuck und technisch voll auf der Höhe prügelte sich die Combo durch ihr Set, bei dem gerade die älteren Songs gut ankamen. DESPISED ICON haben verstanden, dass Brutalität alleine nicht ausreicht, um auf Dauer überzeugen zu können, sondern gute Songs genauso wichtig sind, was sie mit dieser Setlist erneut unter Beweis stellten, war die doch abwechslungsreich und verkam kein Song zu einer reinen Demonstration von Brutalität auf technisch hohem Niveau. Die Musiker hatten dabei mächtig Spass und nutzten die große Bühne voll aus, allen voran natürlich die beiden Shouter. Vor der Bühne gab es einen ordentlichen Pit, der sich auch zu einer Wall Of Death bewegen ließ, so dass jeder am Ende der 45 Minuten zufrieden aus dem Zelt verschwand.



Auf der Main Stage machten derweil THE BOUNCING SOULS gut Alarm und präsentierten sich in guter Form. Die mehr als 20 Jahre Erfahrung war den Amis nur in positiver Art und Weise anzumerken, keine Spur von Müdigkeit oder routiniertem Runterspulen ihres Sets. Greg Attonito, stilsicher im weißen Hemd, hatte die Menge vom ersten Ton an im Griff und suchte immer wieder den Kontakt zum Publikum, was die Security gehörig ins Schwitzen brachte. An dieser Stelle mal ein Lob an die Schwerstarbeiter im Graben, die ihren Job immer freundlich und rücksichtsvoll machten, während der Pause Wasser verteilten und sich selbst nicht zu ernst nahmen. Wenn das bei jedem Festival so wäre… THE BOUNCING SOULS hatten sich auf der Tour mit STRIKE ANYWHERE warm gespielt, so dass an diesem Tag jeder Song saß und die Band mit vollem Einsatz dabei war. Rundum gelungen.



Ein Heimspiel hatten RISE AND FALL, Gent ist ja nur ein paar Kilometer von Meerhout entfernt, so dass das volle Zelt nicht überraschte. Netterweise gab es die Ansagen auf Englisch, als Dank an die vielen internationalen Gäste, so Sänger Bjorn. Der hat scheinbar nur ein Hemd, das er auf der Bühne anzieht – und mittlerweile so viel Live-Erfahrung, dass ihm alles gelingt und er zusammen mit seinen Kollegen einen einstündigen Wutbrocken auf das Groezrock losließ. „Our Circle Is Vicious“ ist ihr bisher bestes Album, dessen Songs wie das böse „Soul Slayer“ in einem schwitzigen Club ebenso funktionieren wie an einem sonnigen Nachmittag in einem Zelt. Vor der Bühne die erwartete Action, auf der Bühne die erwartete Action, RISE AND FALL wie erwartet Abriss pur. Schön. Wie erwartet.



SUM 41 sind nicht böse, ganz im Gegenteil. Nach schier endlosem Soundcheck (ist das bei Punkrock-Bands nicht ein Widerspruch in sich?) kamen die Kanadier bestens gelaunt auf die Bühne und brachten das rappelvolle Main Stage-Zelt zum Toben. Bis weit hinter den Mischer standen die Leute dicht gedrängt (und das Zelt ist nicht gerade klein), während in den ersten Reihen sprichwörtlich der Punk abging, selbst einen Circle Pit brachten die Jungs und Mädels zustande. Derweil war im Graben gut was los, Crowdsurfer und Mädchen mit Kreislaufproblemen gleichermaßen wurden rausgezogen. Als die Band dann die ersten Leute aufforderte, auf die Bühne zu kommen, machte die Security den Weg frei und ließ einige Kids in den Graben und von da aus auf die Bretter, damit zusammen mit SUM 41 gefeiert werden konnte. Die Setlist umfasste alle Alben und so ziemlich jeden Hit, den die Kanadier jemals geschrieben haben, was zusammen mit den witzigen Ansagen und der routiniert-energischen Show eine gute Show ergab.



BORN FROM PAIN hatten auch keine weite Anreise und konnten im Core-Zelt auf eine große Schar Feierwilliger blicken, die sich von der Band problemlos zu einem großen Pit überreden ließ – spätestens mit „Rise Or Die“ war auch der Letzte dabei am Springen, Pogen, Mitgröhlen und Stagediven, der Song funktioniert einfach immer. Über die Line Up-Wechsel der Vergangenheit mag jeder denken, was er will, aber Fakt ist, dass BORM FROM PAIN auch anno 2010 eine solide Live-Band sind, die mit ex-Basser Rob einen sympathischen, authentischen Mann am Mikro hat, der sowohl das Publikum unterhält als auch seinen Shouter-Job gut macht. Der Drummer wirkte zwar bei den älteren Sachen etwas gelangweilt, machte aber immer einen guten Job und brachte die Songs ordentlich nach vorne. Egal ob von „Survival“ oder „War“ („Behind Enemy Lines“ ist auch so ein Live-Kracher) oder ältere Sachen, die Setlist ließ keine Wünsche offen, so dass nach einer guten Stunde alle zufrieden waren.



Mr. Issa geht mit GOOD CLEAN FUN ein letztes Mal auf Tour, der Gig beim Groezrock war somit die letzte Show in Belgien ever. Von Trauerstimmung aber keine Spur, bestens gelaunt kamen Issa und seine Sidekicks auf die Bühne, ähnlich gut war die Stimmung im Publikum – allerdings war das Zelt nicht so überfüllt wie erwartet. Vor der Bühne ging es aber trotzdem gut zur Sache, jeder Song wurde mitgesungen, Stagediver waren im Dauerflug und Issa immer nahe bei den Fans. GOOD CLEAN FUN 2010 spielten sich durch ihre gesamte Historie, von „Positively Positive“ über „On The Streets Saving The Scene From The Forces Of Evil“ bis zu “A Little Bit Emo, A Little Bit Hardcore” war jedes Album, jede 7” vertreten – und alles wurde gefeiert. Die Songpausen würden für gleichermaßen witzige wie ernste Ansagen genutzt und selbst der nicht witzige Kerl, der Issa fragte, warum er so fett sei, wurde sportlich-locker hingenommen. Dass der gleiche Typ später rauchend auf der Bühne sagt, sagt alles über ihn aus, nicht wahr? GOOD CLEAN FUN verabschiedeten sich würdig von Belgien, zum abschließenden „Shopping For A Crew“ kam dann jeder auf die Bühne, um ein letztes Mal Teil von Positive Hardcore zu werden. GOOD CLEAN FUN – we bring the fun in funeral!



H2O hatten keine Probleme, das hohe Level zu halten, bei den New Yorkern war das Zelt sogar trotz der zeitgleich spielenden PENNYWISE deutlich voller. Zur Zeit auf der 15-Jahre-Jubiläums-Tour waren Morse-Brüder und Bandkollegen bestens aufgelegt und wurden von einem enthusiastischen Publikum empfangen, das der Band eine Show bot, die sie so schnell nicht vergessen wird. Stagediver im Sekundentakt, ein großer Pit und Textsicherheit bei jedem Song waren die Grundsteine für eine grandiose Show, die H2O ebenso enthusiastisch mitmachten. Toby hüpfte wie ein Flummi über die Bühne, suchte den Kontakt zu jedem Stagediver und gab das Mikro immer wieder ab, während seine Sidekicks ebenso voller Energie über die Bretter turnten und gemeinsam Hit um Hit raushauten. Natürlich kamen „Nothing To Prove“ oder „Thicker Than Water“ bestens an, genau wie die kurze BLACK SABBATH-Verbeugung, aber der richtige Knaller kam mit „What Happened“ zum Schluss: nicht nur, dass das ganze Zelt jedes Wort mitbrüllte, auf der Bühne gab es kein Durchkommen mehr, da jeder versuchte, dort rauf zu kommen und mit den New Yorkern zu singen. Die standen auch irgendwo in der Menge, spielten den Song zu Ende und hatten genau so viel Spaß wie die Fans, so dass die Show und das Groezrock würdig zu Ende gebracht wurden.




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