Fuck The Commerce 2007 - Freitag

PERVERSE wurden zugunsten von Wachwerden und Schattensuchen ausgelassen, außerdem wurde von vielen Leuten ein Fragebogen ausgefüllt, mit dem eine Doktorantin die Metal-Szene untersuchen will. Sehr interessant, nach was da alles gefragt wurde und wie unterschiedlich die Antworten ausfielen.
Italien schickte, im Gegensatz zu Schweden und Finnland, mit BLASPHEMER eine Death Metal-Band nach Jüterborg, deren Sänger im Wettstreit um die längste Matte zudem ganz vorne mitmischte. Es sah schon drollig, wenn er beim Singen wie ein kleiner Troll wirkte. Der Basser konnte mit seinem Vokuhila-Dreads nicht ganz mithalten, war aber auch ein Hingucker und gab zudem gute Backing Vocals zum Besten. Musikalisch konnten BLASPHEMER aber nicht so recht punkten und entpuppten sich als unspektakuläre Band, die sich zwar redlich mühte, aber kaum einen Besucher von sich überzeugt haben dürfte. Für einen Opener war das Ganze aber ok, beim ersten Getränk auf dem Gelände im Hintergrund die Italiener zu hören, ließ sich ertragen.
SQUASH BOWLES sind schon alte Bekannte beim FTC, die diesmal mit einem neuen Sänger überraschten, der deutlich jünger als die anderen drei Mucker war und wohl als einziger Mensch auf dem ganzen Gelände ein Straight Edge-Shirt trug. Der schwer tätowierte Kerl entpuppte sich als erstklassiger Shouter, der die brachial-kurzen Songs der Polen aus dem Effeff beherrschte und zudem immer in Bewegung war. Die Saitenfraktion beschränkte sich dagegen auf einen Radius von einem Meter, lieferte dafür aber eine technisch anständige Leistung ab, der man die durch unzählige Shows erworbene Routine anmerkte. Mit einem sehr guten Sound ausgestattet, waren SQUASH BOWELS das erste Highlight des Tages und ein Fest für alle Freunde gepflegten Grinds.
TORTURIZED konnten mich nicht aus dem schattigen Plätzchen weglocken, dass ich mir nach SQUASH BOWELS gesucht hatte. Erst die nachfolgenden GOLEM lockten mich wieder vor die Bühne, die Berliner Urgesteine hatten sich in den letzten Jahren ziemlich rar gemacht. Erfreulich uneitel kam das Quartett auf die Bühne und legte ohne große Umschweife los, um den zahlreichen Anwesenden ein CARCASS-lastiges Pfund um die Ohren zu hauen. Dabei wurde ein Querschnitt durch die lange Historie der Combo geboten - was hätten GOLEM mit besserer Promotion in ihrer Blütezeit wohl erreichen können? Dass die alten Männer es immer noch drauf haben, bewiesen sie an diesem Tag, an dem sie mit ihrer Setlist jeden Death Metaller zufriedenstellten und zufrieden auf die vielen Headbanger blicken konnten. Starke Leistung!
Zum dritten Mal waren JACK SLATER beim FTC dabei, was Shouter Horn zu der Forderung veranlasste, beim FTC 20 den Headliner-Status zu bekommen - und wer die energiegeladene Show der Bonner gesehen hat, wird diese Forderung unterstützen! Die Formation, verstärkt um GUERILLA-Drummer Martin, sprühte nur so vor Spielfreude und heizte den geschätzt 750 Leuten vor der Bühne mit ihrem technischen Death Metal ordentlich ein. Alte Songs, neue Kracher, alles saß und wurde mit ordentlich Action auf und vor den Brettern bedacht. Blickpunkt waren neben Flummi Sobo und Sympathikus Horn der Dreadlock-schüttelnde Gitarrist, der mit Schulranzen vor sich ein Bild für die Götter abgab. Während des Gigs wurde offensichtlich, wie sehr das FTC unter dem Fiasko des letzten Jahres gelitten hatte. Zu den Nasen vor der Bühne kamen noch mal so 200 bis 300, die sich auf dem Zeltplatz oder bei der Merch-Ständen tummelten, aber das ist kein Vergleich zu dem Publikumszuspruch, den das FTC vor 2006 hatte. Hoffentlich hat das FTC 10 den Ruf dieses kultigen Festivals aufpoliert, damit es im nächsten Jahr mehr Zuspruch in der Krachgemeinde erfährt ? und nicht wieder das ungewohnte Bild eines geschlossenen Bierstandes (bei einem Metal-Festival!) zu betrachten ist. Zurück zu JACK SLATER: die Rheinländer ballerten sich mit einem Grinsen durch ihre knapp 45 Minuten Spielzeit und bewiesen wieder einmal, dass sie zu den besten deutschen Death Metal-Bands überhaupt zählen. Headliner-Status haben sie mehr als verdient!
HARMONY DIES-Sänger Chris kam stilecht mit Kutte (und dezenter Plautze) auf die Bühne, begrüßte die Fans freundlich und legte dann mit seinen Berliner Kollegen los, um ihnen ein amtliches Death Metal-Brett vor die Rübe zu hauen. Die Band war fast so gut aufgelegt wie ihre Vorgänger JACK SLATER und konnte die ersten Reihen zum bangen motivieren, besonders als Chris mit seinem Mikro auf den Fotograben ging (der war mit einer Rampe ausgestattet, so dass die Fotografen höher standen als das Publikum) und seine wütenden Growls den begeisterten Fans von Angesicht zu Angesicht hinbrüllen konnte. HARMONY DIES mussten zwar in Sachen Grinsefaktor JACK SLATER den Sieg überlassen, wußten dafür aber mit fettem Death Metal zu punkten, der wie gemacht für einen Festival-Abend ist. Eingängig, brutal und groovig - sehr cool!
Über die Texte von WACO JESUS mag man geteilter Meinung sein, Tatsache ist aber, dass die Amis das FTC 2005 ordentlich gerockt haben - und auch an diesem lauen Sommerabend im Jahre 2007 hatte der Ami-Haufen die Fans in der Hand. Schon bei den ersten Klängen bildete sich ein sehr großer Pit, bei dem sich die Leute sogar im Circle Pit versuchten ? und den langsamsten zustande brachten, den ich jemals gesehen habe. Dann doch lieber alle gegen alle, das macht mehr her. WACO JESUS gaben sich derweil cool, die komplette Saitenfraktion versteckte sich eher hinter ihren langen Haaren, als diese mal fliegen zu lassen. Für die Party war der Sänger zuständig, der die Fans immer wieder antrieb und mitten im Set zusammen mit dem Drummer (der ein paar unglaublich häßliche Tattoos sein Eigen nennt) eine Palette Dosenbier in die schwitzende Menge verteilte. Vorher und hinterher gab es ein echtes Death/ Grind-Brett, dessen Charme man sich nur schwer entziehen konnte. Simpel, aber effektiv groovten die Songs und verwandelten den Raum vor der Bühne mit jedem Song mehr in einen Hexenkessel. WACO JESUS haben ihren grandiosen Auftritt von 2005 zumindest widerholt, wenn auch nicht getoppt.
SINISTER standen als Co-Headliner für den Freitag auf den Programm und würden es schwer haben, gegen die drei vorherigen Bands anzukommen. Rachel ist ja bekanntlich nicht mehr an Bord, dafür hat Drummer Aad den Sangesposten übernommen ? und machte seinen Job an diesem Abend sehr gut. Aber irgendwie wollte die Show bei mir nicht wirken, das klang alles zu bieder und dank fehlender zweiter Gitarre oftmals zu drucklos. Die neueren Songs haben zudem nicht die Klasse alter Klassiker (von denen SINISTER einige spielten), so dass die meiste Zeit gepflegte Langeweile angesagt war. Das Publikum war ähnlich gespalten, während ein großer Haufen vor der Bühne feierte, stand der weitaus größere Teil der noch Anwesenden unbewegt weiter hinten und liess SINISTER über sich ergehen. In dieser Form sind SINISTER nur noch ein Schatten ihrer früheren Tage. Schade eigentlich.
Ganz anders MONSTROSITY: die Amis haben ein starkes neues Album veröffentlicht und mit VILE-Sänger Mike einen starken Neuzugang, der an diesem Abend den perfekten Entertainer gab und ganz nebenbei auch seine eigentliche Aufgabe mit Bravour löste. Erwartugnsgemäß hatte er mit den neuen Sachen keine Probleme, aber auch alte Songs meisterte er spielend, als hätte er sie schon anno dazumal eingesungen. Die alten MONSTROSITY-Recken hatten derweil sichtlich Spass daran, sich durch ihre Historie zu zocken und bewiesen bei jedem Song, was für technisch perfekte Mucker sie sind, der Headliner-Status war mehr als verdient. Sahen auch die Fans so, die sehr zahlreich in der Kälte ausharrten und den Amerikanern einen denkwürdigen Empfang boten. Man sieht sie ja auch viel zu selten, in unseren Breiten, die Herren aus Florida. So feierten Band und Fans gemeinsam und stellten unter Beweis, dass MONSTROSITY mehr sind als nur ein Geheimtip und sich vor der "großen" Konkurrenz nicht verstecken müssen.