Konzert:

Evanescence, Finger Eleven, Revis - Hamburg, Docks

Konzert vom 25.10.2003Frühkonzerte haben einen gravierenden Nachteil. Man fängt schon viel früher mit viel dem Biertrinken an. Auch wenn genau dieser für einen großen Teil des Publikums in der Öffentlichkeit per Gesetz noch gar nicht zulässig war, hätte ich doch deutlich mehr pubertierendes Volk erwartet. Das schöne an diesen Gelegenheitskonzertbesuchern, wie ich sie mal nennen möchte ist, dass sie sich über jede Vorband freuen wie kleine Kinder. Achso, daran könnte es natürlich liegen...



Die amerikanischen REVIS durften sich als erstes vom schon früh recht erstaunlich aufgeweckten Publikum feiern lassen. Ich hatte ihre Musik bis dato noch nie gehört, und auch wenn die ersten Songs wie NICKELBACK klangen, so fiel ihr Sänger verdammt positiv auf. Trotz des sehr jungen Alters spielte die emotionale Stimme durchaus in einer oberen Liga. Das Stageacting, wenn man denn davon sprechen will, wirkte noch unsicher und verblasste grade die folgenden FINGER ELEVEN. Auch der Umgang mit dem Mikrofon sollte etwas weniger verkrampft werden. Und auch wenn es einfach aber ordentlich gerockt hat, gehen einem die immer gleich gebauten und klingenden solistischen Gitarrenparts irgendwann auf die Nüsse. (dod)



Nach den relativ leicht verdaulichen REVIS hieß es "Perlen vor die Säue". FINGER ELEVEN aus Kanada, DER Geheimtipp wenn es um alternative Musik geht, hatte es sichtlich schwerer, das Publikum für sich zu gewinnen, boten die Jungs doch eine grandiose Show. Zu anspruchsvoll schien die Mischung aus A Perfect Circle und Sevendust für das Single-Refrain-verwöhnte Publikum zu sein, das zwar brav applaudierte, lange jedoch nicht so euphorisch reagierte wie auf die Teenie-Rocker zuvor. Während sich Gitarrist Rick mit waghalsiger Gitarrenakrobatik den Preis für die beste Individual-Show des Abends verdiente (er schmiss seine Gitarre nach allen Regeln der Kunst durch die Gegend), konnte vor allem Sänger Scott Anderson mit einem Charisma glänzen, welches man nur selten auf einer Bühne zu sehen bekommt und nebenbei überzeugte er mit der besten Stimme des Abends. Neben Songs vom neuen, selbstbetitelten Album gab es auch Nummern der grandiosen "Greyest Of Blue Skies"-Scheibe zu hören und nach knappen vierzig Minuten war für mich klar, dass FINGER ELEVEN die beste Band des Abends gewesen sein sollten. Nachträglich kann ich diese These mit einem dicken Grinsen bestätigen, nicht nur, weil sich die Sympathen nach dem Gig von uns in die alte Schule des Vodka-Mit-Ahoi-Brause-Trinkens einweihen ließen...KULT! (cs)




Und was dann folgte, war gelinde gesagt eine herbe Enttäuschung, auch wenn alles bisher über die Liveaktivitäten von EVANESCENCE gehörte, das folgende bestätigt. Mit ihrem Album "Fallen" rissen sie mich noch zu Begeisterungsstürmen hin. Aber wie das mit den überproduzierten Bands eben oftmals ist, bringen sie live eher die Power eines lahmen Esels als die eines wilden Bullen auf die Bühne. Und das lag ganz sicher nicht am zurück in die Heimat geflogenen Gitarristen Ben Moody, denn die Instrumentalfraktion erledigte ihren Job gut. Extrem druckvoll, wenn auch oft mit Sounds vom Band unterstützt, setzten sie vor allem die harten Songs gnadenlos in Szene. Was jedoch die wenig grazile Amy ins Mikrofon hauchte, war nicht nur schlecht, sondern schlicht erschreckend. Ihre Stimme reichte nicht im geringsten aus, um gegen den wuchtigen Gitarrensound zu bestehen, ganz zu schweigen von irgendwelchen wie auch immer gearteten Abstufungen im Gesang. Lediglich bei ihren langsameren und damit ruhigeren Songs, die Amy selbst am Keyboard begleitete, wurde es schöner. Ältere Songs gaben die vier wenige zum Besten, das Publikum wartete ohnehin in erster Linie auf die bereits ausgekoppelten Maxis, die entsprechend gefeiert wurden. Den H&M Gothics hats gefallen, den Familienväter und deren Töchtern auch, mir verwöhnter Göre leider gar nicht.