Eastpak Antidote Tour: Danko Jones, Gogol Bordello, Disco Ensemble, Bedouin Soundclash - Zürich, X-Tra

BEDOUIN SOUNDCLASH mussten äußerst pünktlich begonnen haben, denn als ich gegen acht den Vorraum des X-tra betrat, spielten sie bereits. Dementsprechend war die Halle noch ziemlich leer, wodurch das Trio natürlich einen recht undankbaren Job hatte. Schade, denn die Kanadier hatten vergangenes Jahr mit "Sounding A Mosaic" ein tolles Debüt präsentiert und hier bewiesen sie, dass sie die Intensität ihrer Songs live noch zu steigern wissen. Obwohl der Sound trotz des mehr als halbleeren Saals ausgesprochen gut war, konnte der Funke aber nicht überspringen, abgesehen von ein paar tanzenden Leuten in Bühnennähe. Überhaupt scheint mir ihr Reggae-Sound, wenn auch rau und treibend, eher für die späte Stunde denn zum Anheizen geeignet. Nach einer knappen halben Stunde war´s dann auch schon wieder vorbei, wobei es zum Abschluss noch ein schönes Reggae-Cover von U2s "New Year´s Day" gab, das auf der Hälfte in "Guns Of Brixton" überging. Von diesem Auftritt hatte ich mir mehr versprochen, aber was soll eine Band schon machen, wenn keiner da ist, um sie zu hören.
Weniger versprochen hatte ich mir von den Finnen DISCO ENSEMBLE, denn ihren Alben konnte ich noch nie etwas abgewinnen. Das liegt zum einen daran, dass ich Emocore generell nicht leiden kann, zum anderen war mir ihr Sound aber immer schon zu glatt, zu platt und zu schön. Der erste Eindruck bestätigte dann auch meine Vorurteile, denn: Die Typen sehen wirklich unglaublich scheiße aus, machten dabei aber einen auf dicke Hose und Rockstar-Show. Doch zu meiner eigenen Überraschung wandelte sich dieser Eindruck, denn die vier Jungs zogen ihren kompletten Auftritt mit einer wahnwitzigen Energie und einer unglaublichen Spielfreude durch, die ansteckend wirkte. Besonders Sänger Miikka Koivisto machte ordentlich Action, rannte immer wieder kreuz und quer über die Bühne und machte das Publikum an. Und das ließ sich nicht lange bitten, sondern ging voll und immer mehr mit. DISCO ENSEMBLE scheinen mittlerweile eine echte Fan-Base zu haben, denn die Leute vor der Bühne grölten die Texte mit und sprangen und pogten, was das Zeug hielt. Positiv überraschte mich auch der Live-Sound des Vierers. Der ist nämlich wesentlich rauer, härter und aggressiver als auf den Aufnahmen. Gegen meinen Willen hat mich der 30-minütige Auftritt also wirklich begeistert. Auf CD sind DISCO ENSEMBLE mehr als lahm, aber an diesem Abend haben sie gezeigt, dass sie eine großartige Live-Band sind.
Als die New Yorker GOGOL BORDELLO die Bühne enterten und mit einem neuen Stück begannen, kündigte sich der erste Höhepunkt des Abends an. Niemand kannte den Song, und trotzdem stand die mittlerweile rappelvolle Halle vom ersten Takt an Kopf. Der bunte Haufen auf der Bühne, der sich aus Russen, Ukrainern, Israelis und US-Amerikanern zusammensetzt, versprühte eine unglaubliche Energie und Spielfreude, der sich niemand entziehen konnte. Besonders Frontmann und Kopf der Truppe Eugene Hütz sprang aufgedreht und wie besessen auf der Bühne herum und lehnte sich immer wieder weit über den Fotograben hinaus ins Publikum, um zu seinen Fans zu kommen. Und die kamen ihm entgegen, denn immer wieder wurden Leute über die Köpfe getragen und versuchten, auf die Bühne zu kommen. Die Ordner ließen das zwar nicht zu, zogen aber auch niemanden aus der Menge und verhielten sich überhaupt äußerst fair, was ich in dieser Location auch schon anders erlebt habe. Ganz vorne mit dabei war auch immer der langhaarige und bärtige Teufels-Geiger Sergey Rjabtzev, wie immer bekleidet mit Käppi, schwarzen Stiefeln, schwarzer Jeans und ärmellosem SLAYER-Shirt. Schon nach dem ersten Song hingen einige gerissene Haare von der Sehne seines Geigenbogens, und nach der Hälfte des Auftritts hatte er den Bogen bereits komplett durchgespielt, den er darauf ins tobende Publikum warf. Ein weiteres Highlight waren die beiden Tänzerinnen, die immer wieder auf die Bühne kamen, und von denen eine schließlich auf einer großen Trommel durchs Publikum getragen wurde. Gespielt wurden hauptsächlich Songs des letzten Album "Underdog World Strike", aber letztendlich war es vollkommen egal, was gespielt wurde - die stampfenden bis treibenden Drums in Verbindung mit den unwiderstehlichen Geigen-Themen, rotzigen Gitarren und Eugen Hütz´ dreckigem Gesang brachten die Leute immer wieder zum Springen und Pogen. Noch selten habe ich ein Publikum so ausrasten sehen. Auf Ansagen wurde allerdings fast völlig verzichtet, was wohl daran lag, dass die Spielzeit mit ca. 50 Minuten knapp bemessen war und die Band die vorhandene Zeit wohl lieber mit Songs ausfüllen wollte. Als die Truppe dann von der Bühne ging, hatte man das Gefühl, der Headliner hätte schon gespielt.
DANKO JONES mussten sich also anstrengen, um diesen Energie-Ausbruch zu toppen. Das hätte man zumindest denken können. Aber wer das kanadische Trio um den Frontmann gleichen Namens schon mal auf der Bühne erleben durfte, weiß, dass es eh jedes Mal von der ersten bis zur letzten Sekunde Vollgas gibt. Außerdem ist die Band seit Jahren fast ununterbrochen auf Tour und zu einem Selbstläufer geworden, der routiniert und trotzdem rau und energiegeladen alles an die Wand spielt. Und genauso war es, so dass es den Jungs tatsächlich gelang, noch einen auf den sagenhaften Auftritt von GOGOL BORDELLO draufzusetzen. Danko Jones ist einfach magisch, wenn er auf der Bühne steht, schon nach dem zweiten Song klatschnass geschwitzt ist, moshend auf seine Gitarre eindrischt und seinen Frust über die Frauen und seine Lust am Sex und am Rock ´n Roll ins Mikro röhrt. Auch Basser John Calabrese wird von Auftritt zu Auftritt besser, indem er immer selbstbewusster wird, sich immer mehr bewegt und dadurch mehr und mehr Platz auf der Bühne einnimmt. Drummer Dan Cornelius, der im Frühjahr den begnadeten Damon Richardson ersetzt hat, hat sich mittlerweile viel besser in die Band eingefunden. Wirkte er auf der Tour im Frühjahr noch steif und kickte wenig, trieb er den Sound jetzt ordentlich voran. Zwar ist er immer noch weit vom energetischen Spiel Damon Richardsons entfernt, aber er macht sich, das muss man ihm lassen. Den Großteil des Sets nahmen Songs vom letzten Album "Sleep Is The Enemy" ein, darunter natürlich die Knaller "Sticky Situation", "First Date", "Invisible" und das brachiale Titelstück. Aber auch einige ältere Songs wie "Lovercall" von "Born A Lion" oder "Mango Kid" von "Alive And On Fire" kamen zum Zug. Wie bei GOGOL BORDELLO fiel auf, dass es so gut wie keine Ansagen gab, was ja für Danko sehr untypisch ist, der sich ja auch ganz gerne selbst reden hört. Lediglich die obligatorische Ehrung seiner verstorbenen musikalischen Helden brachte er gegen Ende. Auch hier kann der Grund nur bei der für einen Headliner verdammt kurzen Spielzeit von einer knappen Stunde liegen. Das Publikum mobilisierte alle verbliebenen Reserven und gab noch einmal Vollgas. DANKO JONES wurden dementsprechend ordentlich abgefeiert, und das komplett verdient, denn sie lieferten wieder einmal eine rotzige, intensive und schweißtreibende Show ab, die ihresgleichen sucht. Und dadurch machten sie vor allem eines klar: Konkurrenz brauchen sie wirklich nicht zu fürchten.
Insgesamt war es ein großartiger Abend, mit vier sehr unterschiedlichen Bands, die trotzdem irgendwie zusammen passten und die vor allem alle überdurchschnittlich gute Live-Qualitäten besitzen. Selten genug, dass es wirklich keinen Durchhänger gibt, bei dem man sich aus der Halle und an die Bar begibt. Erstaunlich auch, wie gut der Sound trotz der verschiedenen Besetzungen war. Schade war eben nur, dass die Spielzeiten grade der beiden letzten Bands recht kurz waren und der Zeitplan so straff war, dass keine Zeit für längere Ansagen und im Falle der ersten beiden Bands für Zugaben blieb. Trotzdem bekam man hier für sein Geld ein mehr als ordentliches Package und mit DANKO JONES und GOGOL BORDELLO gleich zwei Headliner geboten.