Konzert:

Chuck Ragan, The Drowning Men, Joe Ginsberg – Hamburg, Fabrik

by Gast
Konzert vom 14.08.2013Nur noch 50 Karten soll es an der Abendkasse geben, die Altonaer Fabrik, eine Location, die sich für die angekündigte Musikerzusammenstellung bestens eignet, verspricht voll zu werden.


Um kurz nach 20.00 startet Joe Ginsberg, seines Zeichens Bassist in Chuck Ragans Band, mit seinem knapp halbstündigen Soloprogramm in bester Singer-Songwriter-Manier nur mit seiner Stimme und Gitarre ausgerüstet und in blendender Erzähllaune. So teilt er dem Publikum mit, dass er selbst gar nicht weiß, warum er offenbar immer nur über Vögel oder den Ozean textet, spickt seine Setlist unter anderem mit einem TOM PETTY–Cover, lässt vielfach das Publikum via Zuruf über den nächsten Song entscheiden, kann aber leider mit seiner leicht rauen, sehr warmen Stimme nicht alle Zuhörer einnehmen. Viele hören offenbar lieber dem Gesabbel ihres Konzertnachbarns zu, was bedingt durch die geringe Bühnenlautstärke einen störenden Stimmenklangteppich durch die Halle wabern lässt.


THE DROWNING MEN fahren deutlich mehr Technik auf, neben der üblichen Bandbesetzung von Gitarren, Bass und Schlagzeug, haben sie einen Keyboarder, der zumeist mit Orgelsounds die sphärischen Stücke unterlegt an Bord und bieten mit dem von Sänger und Gitarrist/Mandolinist Nato Bardeen bedienten Theremin sehr ungewöhnliche Klänge. Ihre oft theatralisch anmutenden Lieder sind von einer schwermütigen Atmosphäre geprägt, an vielen Stellen dennoch treibend und sehr ausladend. Das Publikum reagiert mit einer Mischung aus Überraschung, Begeisterung und manchmal auch leichter Ablehnung ob der wenig greifbaren Klänge, die über die Rampe fließen. Eine knappe dreiviertel Stunde dauert dieser berührende Klangkosmos und THE DROWNING MEN verabschieden sich mit deutlich mehr Fans im Gepäck als bei der Anreise von der Bühne.


CHUCK RAGAN hat in den vergangenen Jahren mit den rapide schnell ausverkauften Konzerten seiner Revival Tour eine regelrechte Singer-Songwriter-Euphorie ausgelöst. Joe Ginsberg verrät am Merch-Stand nach Ende des Konzerts, dass es dieses Jahr bedauerlicherweise keine Deutschlandtour geben wird, da sie sich für Aufnahmen ins Studio begeben werden – man darf gespannt sein. Die Band spielt gut aufeinander eingestimmt eine oft tanzbare, teils sehr melancholische, manchmal fröhliche Version von klassischer Country-Musik. John Gaunt an der Fiddle bewegt sich so intensiv mit seinem Instrument, spielt es mit so viel Hingabe, dass – so er denn eine hat – seine Frau bestimmt bei jedem Auftritt zutiefst eifersüchtig wird. Die Pedal-Steel-Guitar wimmert und singt in den schönsten Tönen, Joe Ginsberg ist mit E-Bass wesentlich aktiver als bei Shows der Revival Tour, wo er Kontrabass spielt. Die Band begleitet im Background singend den außergewöhnlichen Frontmann. Die Aura Chuck Ragans muss man erlebt haben, die Hingabe mit der jeder einzelne Ton gesungen wird, seine unfassbar kratzige Stimme, die doch ohne weiteres auch hohe Töne schafft und lange hält, wobei man stets fürchten muss, dass ihm gleich die Stimmlippen reißen, die Kraft in seinen Bewegungen, aber vor allen Dingen an vielen Stellen das Zurücknehmen seiner Person zugunsten der Soli seiner Mitmusiker, der dutzendfache Dank an das Publikum, die Erwähnung all' der Menschen, die ihm wichtig sind und die ihm am Herzen liegen – so zum Beispiel der Sea Sheperds, die neben dem regulären Merch auch ihren Stand in der Fabrik aufgebaut haben - , ergeben ein Gesamtbild, dass viele Konzerterlebnisse sehr blass wirken lässt. Bis auf „Let It Rain“ sind in der Setlist mit „The Boat“, „It's What You Will“, „Nomad By Fate“, Meet You In The Middle“ oder „Nothing Left To Prove“ viele Lieder vertreten, die man als Ragans „Hits“ bezeichnen könnte – wobei die Intensität bei der Live-Performance jedes seiner Lieder zu einem Hit werden lässt. Ein Teil des Publikums zeigt sich von Beginn an in Singlaune und unterstützt die Band textsicher, der andere Teil gerät nur langsam in Stimmung, viele scheinen erst bei einem HOT WATER MUSIC-Cover richtig in Gang zu kommen, offenbar kennen ihn viele aus dieser Zeit und hatten eher seinen Punkrock erwartet.


Am Ende sind sich aber alle einig, dass das Konzert, egal wie lange es gehen würde, immer noch zu kurz wäre. Massiver Beifall holt die Band für einen Zugabenblock auf die Bühne, doch auch im Anschluss ebbt der Applaus scheinbar erst komplett ab, als die Arbeitsbeleuchtung schon längst an ist und die ersten Roadies bereits mit dem Abbau beginnen.


(jq)