Konzert:

Blur, The Specials, New Order, Bombay Bicycle Club - London, Hyde Park

Konzert vom 12.08.2012Nachdem sich BLUR schon 2009 für zwei Shows im Hyde Park wieder in Originalbesetzung zusammengefunden hatten, gab es dieses Jahr erneut einige Konzerte, von denen das im Hyde Park das wirklich allerletzte der Band sein sollte. Ob das wirklich so sein wird, sei dahingestellt. Derzeit gefallen sich die einzelnen Bandmitglieder in widersprüchlichen Aussagen, und angeblich wurden auch schon einige Songs für ein neues Album eingespielt. Aber ganz davon abgesehen – wenn Blur in ihrer Heimatstadt spielen, ist es selbstverständlich, dass sie den Laden oder eben das Open Air-Gelände vollmachen. Noch dazu, wenn mit den SPECIALS und NEW ORDER zwei weitere legendäre britische Acts mit am Start sind.


Die im Vergleich zu den anderen Bands noch ziemlich jungen Londoner BOMBAY BICYCLE CLUB hatten die undankbare Aufgabe, das eintrudelnde Publikum zu bespaßen. Inwieweit das gelungen ist, kann ich nicht beurteilen, da ich während ihres Auftritts noch in einer der langen Schlangen vor dem Gelände steckte. So richtig ging es dann also erst mit NEW ORDER los, die es mit ihrem melancholischen Sound im hellen Sonnenschein anfangs etwas schwer hatten. Im Verlauf des Sets stieg die Stimmung aber, auch wenn natürlich alle nur auf „Blue Monday“ warteten. Das kam dann auch irgendwann in einer überlangen Version, und auf einmal sah man überall tanzende Menschen. Danach konnte die Band die Spannung halten und bot schließlich mit dem JOY DIVISION-Klassiker „Love Will Tear Us Apart“ noch einen tollen Abschluss.


Von Startschwierigkeiten war bei den SPECIALS dann gar nichts zu spüren. Ein gewisser Teil des Publikums war offenbar eigens oder hauptsächlich wegen ihnen gekommen, was man gut an der immer wieder sichtbaren guten alten Rude Boy-/Girl-Kluft erkennen konnte. Auch wenn es die SPECIALS schon so lang gibt, dass es sie gar nicht mehr geben dürfte und die Band nur noch ihre alten Hits runterspielt, gingen sie dabei mit so viel Spielfreude zur Sache, dass sich in Nullkommanix auf dem ganzen Gelände die besten Stimmung verbreitete. Was wirklich erstaunte, war, dass die großen Hits wie „A Message To You, Rudy“ oder „Too Much Too Young“ von weiten Teilen des Publikums mitgesungen wurden, und zwar eben nicht nur von den Fans, sondern wirklich von den unterschiedlichsten Menschen jeden Alters. Das hielt einem vor Augen, dass einige SPECIALS-Songs offenbar in das kulturelle Erbe der Engländer eingegangen sind, wie man das sonst wohl nur von BEATLES-Stücken kennt.


Bei der Hauptband konnte man dann aber mal erleben, was es heißt, wenn Songs Wort für Wort aus 70.000 Kehlen mitgesungen werden. Werden BLUR hierzulande auch schon mal als Mädchen-Band wahrgenommen, erhoben hier gerade die derbsten englischen Stiernacken am lautesten ihre Stimmen. Was die Band an diesem Abend bot, war aber auch einfach ein grandioses Feuerwerk. Mit „Girls & Boys“ ging es direkt in die Vollen, und danach wurden Hits wie „Beetlebum“, „Parklife“ und natürlich auch der immer wieder mitreißende, explosive „Song 2“ mit einer Energie und Spielfreude abgefeuert, der sich niemand entziehen konnte. Aber die Band um den bestens gelaunten Damon Albarn gab sich keinesfalls damit zufrieden, ihre großen Singles abzuspulen, sondern baute auch weniger bekannte und selten live gehörte Songs ein, wie z. B. das irre Instrumental „Intermission“ vom „Modern Life Is Rubbish“-Album, außerdem auch komplett neues Material sowie das wunderbare, speziell für dieses Konzert geschriebene „Under The Westway“.


Was mir an diesem Abend immer wieder auffiel: was für ein großartiger Gitarrist Graham Coxon doch ist. Auf den Alben bekommt man das irgendwie nicht so mit, aber auf der Bühne faszinierte er immer wieder mit seinem Gitarrenspiel, das so introvertiert und absolut lässig daherkommt und in das er dann doch auch immer wieder die kränksten Soli und noisig verzerrte Sounds einbaut. Hier wurde dann wirklich einmal klar, wie wichtig er bei BLUR gerade für die durchgeknallte, punkige und experimentelle Seite ist (die man allerdings nur mitbekommt, wenn man sich ihre kompletten Alben anhört).


Hatte man nach dem wunderschön atmosphärisch gespielten „Tender“ gegen Ende des regulären Sets schon geglaubt, den Höhepunkt der Show erlebt zu haben, wurde nach gut zwei Stunden mit „The Universal“ als letztem Song der Zugaben noch einmal einer draufgesetzt. Hier strahlten BLUR noch einmal eine dermaßen ergreifende Magie aus, dass sich auch so harte Kerle wie ich die Tränen grade noch so verdrücken konnten. Damon Albarn ging es genauso, wie man am Ende gut über die Bildschirme erkennen konnte. Und wenn man seinem Gesichtsausdruck Glauben schenken durfte, der ihn sowohl fassungslos wie auch zutiefst gerührt zeigte, war das wohl wirklich das allerletzte BLUR-Konzert.



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