Konzert:

Ankkarock Festival 2008 - Sonntag

Konzert vom 03.08.2008Als der zweite Tag des diesjährigen Ankkarock-Festivals dämmerte, wirkte der morgendliche Blick aus dem Fenster eher ernüchternd: graue Wolken soweit das Auge reichte und Nieselregen. Während der Zugfahrt nach Korso drängte sich manch einem die bange Vorahnung auf, die Haltestelle Korso könne sich punktgenau unter der dunkelsten aller vertretenen Wolken befinden, was denn auch prompt der Fall war, glücklicherweise allerdings keine weiterreichenden Konsequenzen hatte.


Unbeirrt im Nieselregen ausharrend standen auf dem Weg zwischen Bahnhof und Festival-Gelände an einer strategisch günstigen Stelle auch nach wie vor, wie bereits im vorangegangenen Jahr, die frommen und missionierungswilligen Christen mit Jesus-liebt-dich-Plakaten und Lautsprecher-Anlage Spalier, um vielleicht wenigstens das eine oder andere vorbeilaufende, verlorene Schäfchen wieder auf den rechten Weg zurückzuholen, doch das Festivalvolk pilgerte weitestgehend ebenso friedlich wie unbeeindruckt einfach vorbei. Auch die Drogenspürhunde vor dem Eingang waren einmal mehr vertreten und erfüllten die Herzen des einen oder anderen unbescholtenen Besuchers, getreu dem Faustschen Motto: "Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust!" einerseits mit enthusiastisch aufflackernder Tierliebe, andererseits aber auch gleichzeitig mit der irrationalen Angst, der Vierbeiner könne doch einmal beschließen, die zu suchenden Drogen in den Wind zu schlagen und stattdessen denken: "Ein Salamibrot- klasse, genau da habe ich jetzt Lust drauf!", zielsicher auf den salamibrot-führenden Menschen zustürzen und diesem somit allerlei Unannehmlichkeiten bereiten.


Auf etwa zwei Metern Breite erinnerte der Boden vor dem Haupteingang bereits auf unangenehme Weise an einen Schlammpfuhl, der Rest des Geländes hielt sich aber noch erstaunlich tapfer und gab dem geneigten Beobachter die Gelegenheit alle möglichen Arten von Schuhwerk zu betrachten: die vertretene Palette reichte von Klassikern wie Doc Martens- und Chuck-Verschnitten über ebenfalls durchaus berechtigte Gummistiefel und wesentlich weniger nachvollziehbare Riemchensandalen bis hin zu- man höre und staune!- Stilettos. Ob und, falls ja, wie die Trägerin der letztgenannten den kompletten Tag überstand, ohne irgendwo stecken zu bleiben, ist leider nicht überliefert.


Bei Ankunft an der Puistolava (fin. "lava"= Bühne) zu POETS OF THE FALL hatte der Himmel vorrübergehend ein Einsehen und schenkte Trockenheit, die Band nutzte die Gelegenheit und erntete enthusiastischen Applaus von einem Publikum, das zur Abwechslung einmal nicht gezwungen war, sich zwischen trockenem Aufenthaltsort und besserer Bühnensicht zu entscheiden. Da passte der (im übrigen blendend gut abgemischte) Song "Locking Up The Sun" doch gleich doppelt so gut. Bereits im letzten Jahr bei Ankkarock vertreten und seitdem gewissermaßen sozial aufgestiegen und auf eine größere Bühne verlegt worden, legten die POETS mit sichtlicher Spielfreude eine Stunde lang ein ebenso melodiöses wie eingängiges Programm vor, mit dem wunderschönen, sehnsüchtigen "Carnival Of Rust" als eindeutigem Gänsehaut-Highlight und ausgiebiger Publikumseinbindung bei der Ballade "Last Goodbye".


Von dort aus ging es, nach wie vor im Trockenen, zu den amerikanischen KAMELOT, die sich vor einem freudig die Fäuste schüttelnden Publikum wiederfanden und mit einer Mischung aus Härte, Melodie und gelegentlichem weiblichen Backgroundgesang einen positiven Eindruck hinterließen- da durfte Sänger Khan auch ohne weiteres seine nahezu gänzliche Unkenntnis der finnischen Sprache bekennen: "I only know "perkele"- yeah, I know, everybody knows that one...".Der eine oder andere Song setzte sich im Ohr fest, und mit diesem im Kopf wandelte man dann schließlich munter weiter zu SONATA ARCTICA.


Auch diese wurden angekündigt vom üblichen Moderator, der sich von Band zu Band in ein schräges Outfit nach dem anderen warf, und sich in diesem speziellen Fall gar die Mühe machte, den Bungee-Jumping-Turm zu erklimmen, um sich nach seiner Ansage umgehend von selbigem in die Tiefe zu stützen- was man, wären die musikalischen Qualitäten SONATA ARCTICAs nichts bereits erwiesen, durchaus als böses Omen hätte sehen können. Die Band jedoch bot gewohnte Qualität, und das vor großem Publikum- zunächst noch recht übersichtlich, fanden sich im laufe der ersten Lieder noch zahllose Nachzügler ein und nach einer Weile hatte sich dir große Mehrzahl aller Festivalbesucher vor der Korsolava versammelt und erfreute sich an Perlen wie "Kingdom For A Heart" und "Replica". Regelrecht rührend war am Ende der Abgang der Band, mit Handküssen und mehrfachem Verbeugen der ganzen Truppe einschließlich Hochwerfens von Sänger Tony Kakko, der zu guter Letzt gar noch das ganze Publikum symbolisch umarmte- spätestens hier wäre der Beweis also erbracht: auch Rocker und Metaller haben ein Herz, und obendrein fühlt man sich bei SONATA ARCTICA als Publikum angenehm ernst genommen und wichtig.


Anschließend ging es entlang Ständen, die kurioserweise Plastiksonnenbrillen mit Lamellen statt Gläsern sowie eine für ein Rockfestival erstaunliche Anzahl an Bling-Bling-Geklimper anboten, ans andere Ende des Geländes, um dort den Auftritt von DISCO ENSEMBLE zu erwarten. Die aufstrebenden Lokalmatadoren waren bereits im vorangehenden Jahr bei Ankkarock vertreten, schienen aber seitdem ihren Gesamtsound etwas verändert zu haben, denn die in erster Linie rockigen Klänge vom letzten Mal wurden durch deutlich punkigeres und krachigeres Material ersetzt. Während sich einem die Frage aufdrängte, was man Sänger Miikka Koivisto eigentlich ins Essen gemischt hatte, um ihn wie ein Irrer auf Speed derart über die Bühne zischen zu lassen, und sich obendrein zu wundern, ob Gitarrist Jussi Ylikosko vielleicht auch von der fraglichen Substanz gekostet hatte, kam man leider nicht umhin, feststellen zu müssen, dass der vom Mischpult fabrizierte Klang deutlich verbesserungswürdig war: auch für Punk klang das Ganze ziemlich schrottig.


Wer sich jedoch dergestalt vergrault wieder zur Korsolava flüchtete, wurde mit einem unerwarteten Schmankerl belohnt: dort sorgten LAURI TÄHKÄ JA ELONKERJUU für Stimmung. In Finnland höchst populär, jenseits der Landesgrenzen jedoch weitestgehend unbekannt, war die Pop-Rock-Kombo vielleicht nicht unbedingt etwas für wirklich eingeschworene Harcore Metal-Freunde, verbreitete aber für alle anderen auf charmante Art und Weise gute Laune, der man sich nur schwer entziehen konnte. Die mal mehr pop-, mal mehr rocklastigen Songs, die zum Teil mit Violinenpassagen veredelt wurden, waren eingängig und machten, da man sich ja nun als Nicht-Finne eh in erzwungener Unkenntnis der Texte befand, schlicht und ergreifend Spaß. Und wer weiß, vielleicht erleichterte der Anblick der in Samtmantel und Lederkleid gehüllten Violinistin auch dem einen oder anderen den Exkurs in weniger metallische Gefilde, auf jeden Fall durfte die Band sich über ein enthusiastisches und nicht ganz kleines Publikum freuen.


Von LAURI TÄHKÄ JA ELONKERJUU wälzte sich die Karawane wieder zurück den Hang hinab (Ankkarock hält fit!) zur Puistolava, vor der der Zustand der Wiese (fin. "puisto"= Park) allmählich durch erneut begonnenen Regen nun doch etwas zu leiden begann. Mit Spannung erwartet wurde hier der Auftritt von APOCALYPTICA, denn Cellos sieht man schließlich nicht gar zu oft auf Rockfestivals. Nach scheinbar endlosen Minuten der vom Band kommenden Konservenmusik ertönte denn auch schließlich das stimmungsvolle Intro und die Herrschaften erschienen auf der Bühne- Perttu Kivilaakso an diesen Abend offenbar besonders heißblütig, denn trotz geschätzter 14 Grad Außentemperatur erschien der Finne lediglich im offenen Mantel über dem nackten Oberkörper, und auch den warf er nach einigen Stücken von sich. Man sollte meinen, dass selbst Bühnenscheinwerfer nicht so warm sein können, das auszugleichen, aber da der Anblick nun keineswegs unerfreulich war und es ja schließlich nicht die eigene Gesundheit war, die da auf dem Spiel stand, bestand letztendlich kein Grund zur Beanstandung.


Sehr wohl ärgerlich hingegen geriet der Auftritt an sich, was allerdings nicht der Band selbst vorzuwerfen war: hatte der Sound an der Puistolava schon zuvor bei DISCO ENSEMBLE zu wünschen übrig gelassen, so war er nun eine ausgewachsene Katastrophe. Zu hören war über weite Teile fast ausschließlich Schlagzeug, die wenigen Cello-Klänge, die sich in den oberen Tonlagen vereinzelt dagegen durchsetzen konnten und ans Ohr drangen, klangen mangels Zusammenhang eher nach unkoordiniertem Gefiedel. Alles in allem war der akustische Gesamteindruck der einer Truppe, die nicht wirklich wusste, was sie tat, was mehr als ärgerlich war, denn dass APOCALYPTICA ihre Instrumente beherrschen, steht außer Frage. Rätselhaft ist auch, wie es dem Verantwortlichen am Mischpult gelang, diese Misere vollständig zu ignorieren, oder schlicht und ergreifend jämmerlich daran zu scheitern, sie in den Griff zu bekommen. Lediglich bei drei Songs ließ sich erahnen, was man hier eigentlich hätte hören können: herausragender Lichtblick war "Bittersweet", das von vorne herein kein Schlagzeug beinhaltete, somit auch nicht unter dessen übergroßer Lautstärke leiden konnte und einem endlich Gelegenheit gab, Cello-Spiel und Melodieführung zu bewundern; und zu "I Don´t Care" und "I´m Not Jesus" holte man sich Tony Kakko von SONATA ARCTICA an den sonst vakanten Platz am Mikrofon. Dadurch wurde das Schlagzeug zwar nicht leiser, aber wenigstens besaß der Zuständige am Mischpult soviel Verstand, den Gesang ebenfalls entsprechend aufzudrehen, wodurch das Gesamtbild doch ein ganzes Stück harmonischer wurde.


Aufgrund dieses Klangdebakels etwas frustriert trabte man am mitten im Gelände gelegenen See, an dem sich bereits einige ermattet niedergelassen hatten, vorbei zur Korsolava für eine kurze Stippvisite bei OPETH, die vor der emsig Fäuste und Häupter schüttelnden Menge bereits ihr Werk begonnen hatten und Düsternis verbreiteten. Mehr als wenige Minuten blieben jedoch nicht, wollte man noch einen Blick auf die das Schlusslicht bildende Band PMMP werfen, und setzte sich die Wanderung einmal mehr in entgegengesetzte Richtung fort.


An der Puistolava angekommen, erwartete einen eine milde Form des Kulturschocks, denn nach all den Rock- und Metalbands in entsprechenden Outfits schienen einem die PMMP- Sängerinnen Mira Luoti und Paula Vesala, die sich in ihren pink-weißen Bonbonkleidern dezent esoterisch wirkend hin- und herwiegten, fast schon ein wenig außerirdisch. Und so klang der Abend mit zuckrig-süßen Pop-Klängen bei zunehmend stärker werdendem Regen aus. Besseres Wetter wäre wünschenswert gewesen und in den beiden oben erwähnten Einzelfällen auch definitiv besserer Sound, aber alles in allem war auch das diesjährige Ankkarock gelungen- ein Festival mit angenehmer Größe in hübscher Umgebung und klasse Bands, zu dem man gerne wiederkommt.

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