Interview:

2006-12-01 Turbo AC´s

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Bei den TURBO A.C.´s hat sich im Laufe des Jahres einiges verändert. Nicht nur musste ein Ersatz für den Anfang des Jahres ausgestiegenen Bassisten Michael Dolan gefunden werden, sondern zusätzlich nahm man auch noch einen zweiten Gitarristen in die Band. Im Sommer wurde dann direkt das neue Album "Live To Win" eingespielt, mit dem die New Yorker Surfpunks derzeit durch Europa touren. Grund genug also, mich vor dem Konzert in der Zürcher Hafenkneipe mal eingehend mit den beiden Kevins zu unterhalten, die sich zusammen mit den beiden Neuzugängen Tim Lozada und Jer Duckworth im Backstage-Bereich mit Bier und Jägermeister auf den Auftritt vorbereiteten. InterviewWann habt Ihr das letzte Mal in der Schweiz gespielt?


Kevin Cole: Gestern! Hahaha...


Sehr witzig. Ich meine natürlich die letzte Tour...


Kevin Cole: Äh... (fragt in die Runde) Haben wir hier letztes Jahr gespielt?


Kevin Prunty: Nein, ich glaube nicht...


Kevin Cole: Also zumindest waren wir diesen Sommer nicht da, um auf Festivals zu spielen. Das war das erste Mal, dass wir im Sommer nicht auf Festivals gespielt haben. Also waren wir wahrscheinlich letzten Herbst zum letzten Mal da. Es ist schwer, da noch mitzukommen. Wir spielen unsere Shows, und alles geht drunter und drüber. Normalerweise kommen wir jeden Sommer für Festivals in die Schweiz, aber diesen Sommer haben wir unser neues Album aufgenommen. Und dann hatten wir ja auch noch einen Line-Up-Wechsel.


Da wir schon beim Line-Up sind: Was war der Grund, einen zweiten Gitarristen in die Band zu nehmen?


Kevin Cole: Ich dachte schon immer, dass das eine coole Idee wäre...


Kevin Prunty: Mike wollte nie einen zweiten Gitarristen haben!


Kevin Cole: Ja, Mike war nie wirklich dafür. Aber es ging auch darum, dass wir eine sehr lange Zeit immer dieselbe Band waren. Wir wollten einfach mal was verändern. Das war die eigentliche Idee, nicht immer dasselbe Ding zu machen.


Kevin Prunty: Als Mike die Band verließ, hatten wir die Möglichkeit, uns zu erweitern.


Kevin Cole: Das war eine echte Veränderung in der Band, also konnten wir auch noch andere Veränderungen vornehmen.


Wie war es anfangs für Euch, mit vier Leuten auf der Bühne zu stehen, von denen zwei neue Bandmitglieder waren?


Tim: Ich habe vor dieser Tour schon einen Gig gespielt. Also hatte ich die Gelegenheit, schon im Vorhinein ein bisschen Feeling zu bekommen. Das war eine echt große Show mit MAD SIN.


Kevin Prunty: Wenn Du mit neuen Leuten zusammen spielst, musst Du Dich immer erst aufeinander einspielen. Aber mit Tim und Jer hat es nicht sehr lange gedauert, bis alle irgendwie miteinander verbunden waren, was natürlich eine gute Sache ist. Denn manchmal spielst Du auch lange mit Leuten, und irgendwann merkst Du, dass es nie funktionieren wird.


Kevin Cole: Das gilt aber nur für Dich, denn hinter den Drums hat sich nicht allzu viel verändert. Aber vorne auf der Bühne war das schon eine Umstellung, weil die Parts auf einmal anders klangen und da auch ein Typ mehr rumstand. Das war anfangs schon seltsam. Aber jetzt ist es echt gut. Und ich bin damit wirklich glücklich. Und ich glaube auch, dass das alle, die zu unseren Shows kommen, großartig finden.


Macht es nach mehreren Monaten ohne Pause auf Tour immer noch jeden Abend Spaß, auf der Bühne zu stehen?


Kevin Cole: Ja! Das ist schwer zu glauben, aber es ist so.


Kevin Prunty (zum Booker und zum Tourmanager, die grade geräuschvoll den Kühlschrank mit Bier und Jägermeister auffüllen): Tschuldigung, wir versuchen hier ein Interview zu geben, und bei dem Lärm kann ich die Fragen kaum verstehen.


(allgemeines Stimmengewirr und Gelächter)


Kevin Cole: Hey, wir versuchen hier wirklich, ein Interview zu geben!


(erneutes Gelächter)


Kevin Prunty: Sorry, ich habe die Frage wirklich nicht verstanden...


Okay, also noch mal: Habt Ihr nach so viel Touren immer noch jeden Abend Spaß auf der Bühne? Ist das nicht manchmal nur noch Arbeit?


Kevin Prunty: Wenn es irgendwann mal Arbeit wird und keinen Spaß mehr macht, dann ist das der Zeitpunkt, an dem ich raus bin. Eigentlich ist das, was wir machen, der schlechteste Job der Welt, wenn man es Job nennen will. Du bist aus Deiner natürlich Umgebung herausgerissen. Du lebst mit vier Freunden zusammen, 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Wenn Dich jemand anpisst, solltest Du Dich schnell davon machen, denn Du kannst niemandem entkommen. Man ist weg von seiner Familie, von seinen Freunden und so weiter. Daher ist es der absolut schlechteste Job der Welt.


Kevin Cole: Wenn man es nicht mag...


Kevin Prunty: Wenn Du es nicht mehr magst, dann ist der Zeitpunkt gekommen zu sagen: Haltet alle die Fresse, ich bin raus.


Kevin Cole: Mir kommt es manchmal vor, als wenn wir wie Obdachlose leben. Durch die Straßen wandern, einen Platz suchen, wo man sich die Zähne putzen kann...


Kevin Prunty: Natürlich ist das auch ermüdend. Aber wenn Du auf der Bühne vor dem Publikum stehst und spielst, macht das am Ende alles wett. Manchmal wünscht man sich schon, einen Tag frei zu haben und Fernsehen in der eigenen Sprache schauen zu können. Außer CNN gibt´s da meistens nicht viel. Aber all das ist großartig, sonst würden wir es nicht machen, und ich würde das nie gegen irgendwas auf der Welt eintauschen wollen.


Ist es anders, vor einem europäischen als vor einem US-amerikanischen Publikum zu spielen?


Kevin Prunty: Das Publikum ist eigentlich nicht sonderlich anders. Der Kontinent ist halt einfach viel kleiner. Und hier müssen wir nicht fahren. In den USA müssen wir dagegen selbst fahren. Die Tendenz, betrunken zu werden, ist hier also stetig steigend. (leises, wissendes Lachen von allen Seiten) In den USA zu touren, ist härter. Die Veranstalter kümmern sich nicht besonders um einen. Dagegen sind die Promoter in Europa verpflichtet, für Catering zu sorgen.


Kevin Cole: In den Staaten sind wir schon sehr viel rumgekommen, und alles hat sich sehr gut entwickelt. Die TURBO A.C´s sind schon eine lange Zeit unterwegs, und wir haben viele Fans überall in den USA. Wir haben da ein gewisses Level erreicht. Die Sache ist die, dass sich alle unsere Fans sehr ähnlich sind. Wir entstammen alle derselben Familie, egal ob in den USA, hier oder irgendwo anders. Das ist für mich etwas wirklich Cooles daran, was wir tun. Wir kommen einfach alle zusammen, stehen alle auf dieselbe Musik. Wahrscheinlich sind viele unserer Shows sehr verschieden, in der Schweiz oder wo auch immer. Aber die meisten unserer Shows bedeuten, eine gute Zeit zu haben, mit Leuten, die zusammen die Musik genießen. Das ist echt eine coole Sache. Und deshalb bin ich auch Kopf des Action Club (Action Club International, der Fan-Club der TURBO A.C.´s - Anm. d. Red.) geworden. Er ist dazu da, dass sich auch die Fans als ein Teil des Ganzen fühlen können, denn ich fühle mich als ein Teil davon.


Kevin Prunty: Du bist auch ein Teil davon!


Kevin Cole: Hey, ich bin ein Teil davon! (Jubelgeschrei)


Auf Eurem Konzert bei den Weltturbojugendtagen in Hamburg wurden Leute im Publikum verletzt. Was genau ist da passiert?


Kevin Cole: Da war keine Gewalt im Spiel, es gab einfach jede Menge Stagediving. Die Leute sind total abgegangen.


Kevin Prunty: Es ist nie eine gute Idee, wenn ein Veranstalter Glasflaschen an das Publikum ausgibt und sie damit bis an die Bühne herankommen lässt. Das kann einfach nicht funktionieren. Letztendlich gingen dann einige Leute mit Schnittwunden raus.


Kevin Cole: Und überall war Bier auf dem Boden verschüttet...


Kevin Prunty: Der komplette Raum vor der Bühne war voll mit Glas. Wir haben dann noch einen Typen getroffen, der sich das Handgelenk gebrochen und am nächsten Tag 30 Stiche am Kopf hatte. Aber er war so glücklich, dass er da war, dass ihm das völlig egal war.


Kevin Cole: OK, lasst uns vor der Show noch ein paar Drinks nehmen...

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