Interview:

2011-07-21 Turbo AC's

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Ganze fünf Jahre haben sich die TURBO A.C.’s mit ihrem neuen Album Zeit gelassen. Mit „Kill Everyone“ haben sich die New Yorker soeben zurückgemeldet, und darauf gehen sie nicht nur mit der gewohnten Ladung Energie, sondern auch so vielseitig wie noch nie zu Werke. Bandkopf Kevin Cole erzählte uns im Interview, warum eine Pause nötig war, was er in dieser Zeit getrieben hat und wie das neue Album entstanden ist. InterviewIhr habt gerade eine US-Tour hinter euch. Wie ist es gelaufen?


Es ist wirklich großartig gelaufen! Wir waren schon eine ganze Weile nicht mehr an der Westküste, deshalb haben viele Leute darauf gewartet, dass wir wieder mal dorthin kommen. Wir haben auf dieser Tour auch auf dem Ink-N-Iron-Festival gespielt, das war fantastisch. Wir haben mit den BUZZCOCKS bei der Queen Mary gespielt, und wir haben sogar auf dem Schiff übernachtet. Das Beste aber war, dass wir die Verbindung zu unseren Fans wieder hergestellt haben. Unsere Fans sind bei uns geblieben, und unsere Fanbase wächst immer noch weiter. Es ist großartig, auf den Shows neue TURBO A.C.’s-Tattoos zu sehen. Mit dem neuen Album hat sich hier für uns noch einmal einiges getan. Während wir auf Tour waren, wurden wir gefragt, ob wir mit dem DROPKICK MURPHYS auf Tour gehen würden, und wir freuen uns schon darauf.


Warum hat es fünf Jahre gedauert, bis euer neues Album erschienen ist?


Ich glaube, dass diese Pause nötig war. Wir sind schon so lange so heftig und stetig unterwegs, dass ich schon glaubte, ich würde anfangen, verrückt zu werden. Meine Jungs haben mir erzählt, dass ich eines Morgens auf der Tour fehlte, und sie mussten herumfahren und mich suchen. Sie haben mich ohne T-Shirt in einem Park gefunden… dabei war es November! Ich weiß nichts darüber, ich erinnere mich nicht, aber offensichtlich hat das alles angefangen, mich runterzuziehen. Dann habe ich auch noch die Möglichkeit erhalten, mit einem alten Freund, Jesse Malin, ein Geschäft aufzumachen. Ihm gehört eine Bar hier in New York City, und er fragte mich, ob ich sein Partner bei der Eröffnung einer Pizzeria neben der Bar sein wolle. Also haben wir einen coolen, kleinen Punk-Rock-Pizza-Laden aufgemacht, mit von Arturo Vega (der u. a. das berühmte RAMONES-Logo gestaltet hat – Anm. d. Red.) designten Pizza-Boxen. Wir haben coole Musik gespielt, und coole Kids haben dort gearbeitet. Es war toll, aber die Miete war sehr hoch, und es gab Probleme damit, die Lizenz zum Verkauf von hartem Alkohol von der Bar auf den Pizza-Laden zu übertragen, daher haben wir zu wenig Geld eingenommen. Nach zwei Jahren machte uns jemand mit Tonnen von Geld ein Angebot für den Laden, und ich entschied, dass es das Beste wäre, den Laden zu verkaufen und wieder mit der Band an die Arbeit zu gehen. Um ehrlich zu sein, hat mich diese Erfahrung ziemlich fertig gemacht, ausgelaugt und geschwächt. Ich habe eine Weile gebraucht, um meine Stärke wiederzuerlangen, aber in dieser Zeit habe ich den Großteil des Materials für „Kill Everyone“ geschrieben.


Hast du dich in dieser Zeit verändert, und hat das auch eure Musik beeinflusst?


Na ja, vielleicht war ich in dieser Zeit noch fertiger als normalerweise, vielleicht war ich wütend, feindselig und gewalttätig… ich bin mir nicht sicher. Ich meine… TURBO A.C.’s-Songs sind immer ein bisschen wütend, feindselig und gewalttätig… aber gleichzeitig wollen wir aufbauend und positiv sein. Also, ich weiß wirklich nicht.


Es gibt euch jetzt 15 Jahre. Ist es während dieser Zeit einfacher oder schwieriger geworden, neue Songs zu schreiben?


Einfacher… ich weiß nicht… aber auf jeden Fall spüre ich, dass die Songs besser werden.


Wie hast du die Songs für „Kill Everyone” geschrieben?


Die meisten Songs sind auf Akustikgitarre geschrieben worden, von mir alleine oder zusammen mit Tim. Und natürlich nehme ich laufend Riffs auf, die mir in den Sinn kommen. Das zusammengenommen ist die Basis des Albums. Tim trägt auch immer eine Menge bei, und wir haben stundenlang mit unseren Gitarren zusammengesessen und einen Song nach dem anderen gemacht. Während der ganzen Jahre hatte ich die Ehre, mit einigen großartigen Produzenten zusammenzuarbeiten, und eine Sache, die ich von ihnen gelernt habe, ist: Wenn dein Song nicht mit nur einer Akustikgitarre und deiner Stimme funktioniert, dann ist es kein Song.


Seit „Live To Win” habt ihr einen zweiten Gitarristen. Beeinflusst das euer Songwriting?


Ja, Jer hat nach und nach eine immer größere Präsenz bekommen. Jetzt füllt er nicht mehr nur auf den Aufnahmen den Sound aus, sondern seine Parts leben wirklich.


Auf „Kill Everyone“ gibt es – für eure Verhältnisse – ziemlich viele Songs in langsamem oder Mid-Tempo. Wie ist es dazu gekommen?


Als ich angefangen habe, für das Album zu schreiben, hatte ich eigentlich geplant, ein Doppelalbum zu machen. Ein Album sollte alle langsamen, leichten, surfigen Songs enthalten und das andere heftigen TURBO A.C.’s-Speedpunk. Die Idee wurde aber von den Labels, mit denen wir im Gespräch waren, abgelehnt, na ja, vielleicht nicht völlig abgelehnt, aber ich merkte, dass sie nicht glücklich darüber waren. Dann habe ich „Kill Everyone“ geschrieben und habe komplett meine Meinung geändert. Ich glaube, ich habe noch nie eine stärkere Vision verspürt, also war der Weg bereitet, und alles andere hat sich einfach so ergeben. Das ist der Grund, warum so viele langsamere Songs auf diesem Album sind. Das Coole dabei ist, dass wir jetzt ein komplettes Album mit zusätzlichen, nicht verwendeten Songideen im Regal stehen haben.


Wenn man „Take Me Home” akustisch spielen würde, könnte es auch ein Country-Song sein, und in „You’re So Stupid” habt ihr eine akustische Gitarre für die Strophe verwendet. Hat euch Country beeinflusst, als ihr die Songs geschrieben habt?


Ich liebe Country, oder ich sollte besser sagen: „richtigen“ Country. Und ja, wir sind von Country beeinflusst. Wenn wir mal ein Bier zusammen trinken sollten, werde ich eine Gitarre mitbringen, und ich werde dir jeden Song vorspielen, den Hank Williams jemals geschrieben hat.


Ich finde, der Sound on „Live To Win” war etwas undifferenziert und hat weniger gekickt als auf euren Alben davor, aber auf „Kill Everyone“ habt ihr wieder den alten energiegeladenen Sound. Was hast du bei der Produktion dieses Mal anders gemacht?


Hmmm, ich weiß auch nicht, aber ich bin froh, dass es funktioniert hat. Bei „Live To Win“ gab es ja einen großen Wechsel im Line-up, und vielleicht hatte sich das alles noch nicht gesetzt. Ich mag das Album aber immer noch, und ich frage mich immer noch, wie ich das gemacht habe. Ich finde, dass es von den Texten her mit zum Besten gehört, was ich je gemacht habe.


Trotz der zwei Gitarren hört man den Bass – erfreulicherweise – durchgehend sehr gut. War es schwierig, ihn in den Vordergrund zu bringen?


Ähm ja, Bass ist schwierig. Wir haben drei Tage damit verbracht, den Bass zu testen, um den richtigen Sound zu bekommen. Ich erinnere mich daran, dass ich eines Morgens aufwachte und hörte, wie Dampf aus der Heizung entweicht... aber das Ding ist: Ich habe keine Dampfheizung! Durch all den Bass hatte ich einen akuten Tinnitus. Glücklicherweise war er nur temporär. Eigentlich habe ich echt Glück, nach all den Jahren ist mein Gehör immer noch wirklich gut.


Für mich waren die TURBO A.C.'s immer eine Band, die – besonders live – Spaß und Positives transportiert. Was steckt hinter dem negativen Albumtitel?


Das ist es gerade... das ist gar kein negativer Titel! Gewalttätig und mörderisch, ja, aber negativ, nein... das Album ist dazu gedacht, all uns Außenseiter zu vereinen. Ein Teil dessen, warum ich Punk entdeckt habe, war, dass ich mich ausgegrenzt und durch den Mainstream abgedrängt fühlte. Das ist es also, worum es geht: Scheiß auf den Mainstream! Wir sind die ungewollten Kinder der Gesellschaft, aber das Gute dabei ist: Wir brauchen die alle nicht! Wir haben etwas Besseres, wir haben diese Musik, wir haben uns und den Mut, zu tun, was immer wir gerade verdammt noch mal wollen! Ich glaube, dass wir uns alle hin und wieder so fühlen, als würden wir alle umbringen wollen... oder vielleicht bin ich auch einfach nur verrückt.


Woher nimmst du die Ideen für deine Songtexte?


Ha ha... machst du Witze? Ich kann euch doch nicht alle meine Geheimnisse verraten.


Der Chorus von „Take Me Home” beginnt mit der Zeile „Oh Lord, take me home”. Bist du religiös?


Ich mag Religionen. Ich finde, der ganze Kram ist faszinierend. Ich bin nicht in dem Sinne religiös, dass ich einer Kirche folge, aber ich beschäftige mich mit Religion, und die Philosophien und die Messages dahinter überwältigen mich. „Take Me Home” ist mein Tribut an Gospel, und der Text gehört mit zu dem besten Kram, den ich je geschrieben habe.


Eure letzten Alben sind bei Bitzcore erschienen, wohingegen „Kill Everyone” auf Concrete Jungle veröffentlicht wurde. Warum habt ihr das Label gewechselt?


Tja, Bitzore hatte so seine Probleme, aber trotzdem stehen wir noch in einem guten Verhältnis zueinander, und wir brauchten einen Teil der Bitzcore-Familie, um das Album anderswo unterzubringen. Concrete Jungle ist der perfekte Ort für uns, und wir fühlen uns gut damit. Wir haben mit den Leuten bei Concrete Jungle gesprochen, und dabei haben wir erfahren, dass sie Fans von uns sind und seit unseren Anfängen zu unseren Konzerten gehen. Das war die Art von Label, mit dem ich arbeiten wollte.


Im Herbst werdet ihr in Europa auf Tour sein, und den Großteil eurer Konzerte werdet ihr in Deutschland spielen. Was ist eure Verbindung zu Deutschland?


In Deutschland hatten wir schon vom ersten Album an einen wirklich guten Start, und seitdem haben wir dort viel Zeit verbracht. Was mich immer wieder erstaunt, ist, dass die deutschen Zuhörer mehr auf den Inhalt der Texte achten als diejenigen in den USA. Es ist sehr beeindruckend, dass die Leute die Texte verstehen und sie ihnen gefallen. Bezüglich weiterer Verbindungen: Es scheint, dass das deutsche Publikum weiß, wie man richtig feiert und rockt... da passen wir natürlich perfekt dazu!


Danke für deine Zeit!


Hey, ich danke dir. Und ich hoffe, ich sehe euch alle auf der Tour!


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