Interview:

2005-08-13 Thunderstone

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Vielleicht ist die "Abteilung Schwermetall" nicht sonderlich begeistert vom aktuellen THUNDERSTONE Album "Tools Of Destruction". Aber mir gefällt es, wahrscheinlich, weil die Anteile am typischen, aber langsam ausgelutschten Powermetal zurückgefahren wurden. Grund genug, Bassist Titus Hjelm und Bandkopf Nino Laurenne auf dem TUSKA OPEN AIR im 30 Grad Celsius warmen Kaisaniemi-Park in Helsinki in eine ruhige, kühle Ecke unter den Bäumen und vors Mikro zu ziehen. Titus verrät bereits auf der Suche nach einer ruhigeren Ecke, dass der Auftritt auf dem TUSKA etwas besonderes ist, denn "das Tuska ist das beste Festival der Welt. Es ist so gut organisiert, trotzdem noch relativ überschaubar - und vor allem findet es direkt vor meiner Tür statt." An der Stelle kann man weitermachen:InterviewTitus, Nino, ihr wohnt beide in Helsinki: Ist das TUSKA so eine Art Heimspiel für euch?


Titus: Was meinst du mit Heimspiel? So wie beim Fußball oder Eishockey die Heimmannschaft ist? Nein, das würde ich jetzt nicht so sagen, dazu sind zu viele Leute aus anderen Ecken Finnlands und aus aller Welt da.


Trotzdem sind alle Ansagen in Finnisch...


Nino: Wir haben gestern und vorgestern auf Festivals an anderen Orten in Finnland gespielt, und es ist gut, ausgerechnet das letzte zu Hause zu haben, weil man dann nach dem Gig ins eigene Bett fallen kann. Wir spielen einen guten Slot um 20 Uhr am Abend, das bedeutet auch, dass die Fans genau in der richtigen Stimmung sind, auch nicht unwichtig.

Titus: Genau! Ein Finne kann nämlich nur Spaß haben, wenn er betrunken ist! (Sagt´s, und führt sich die Pulle Bier an den Hals, die er an Nino vorbei hierhin geschmuggelt hat.)

Nino: Ich meinte, wenn die in Stimmung sind, nicht du! Du musst noch spielen!


Aber er ist doch nur der Bassist...


Titus: Das sage ich auch immer! Auf vier Saiten kann man eigentlich nix verkehrt machen! (und nimmt vergnügt noch einen weiteren Schluck - von Ninos skeptischen Blicken begleitet)



Ihr habt gerade erst mit Hammerfall getourt, und mit...


Nino: Firewind und Lordi...


Nein, die zählen nicht. Ich meine...


Titus und Nino lachen: Oh, du meinst Stratovarius.


Genau. Die Tour mit Hammerfall war ziemlich kurz, ihr habt zum Beispiel viele Teile Deutschlands nicht abgedeckt. Wollt ihr "Tools..." noch weiter betouren?


Nino zieht ein Zahnschmerzen-Gesicht, Titus beginnt zu erklären: Nun ja... Wir planen noch eine Tour. Oder, (an Nino gewandt), sollte man besser sagen, haben geplant? Da hat sich gerade erst etwas anders ergeben und...

Nino: Wir würden gern auf Tour gehen und noch ein paar Gigs für "Tools" spielen, aber aktuell sieht es nicht so aus. Inzwischen sind wir sogar bereit, Geld dazuzubuttern, denn wir wollen für unsere Fans spielen. Wir werden sehen. Drückt uns die Daumen, vielleicht klappt es doch noch. Es sieht nur gerade nicht gut aus.


Ich habe beobachtet, dass es über die letzten Supportshows immer mehr Leute geworden sind, die euch kannten oder sogar extra wegen euch gekommen waren.


Beide: Ja, gerade deswegen wollen wir ja unbedingt spielen!



Das Cover von der "Tools Of Destruction" hebt sich deutlich von euren bisherigen Covern ab, ist anscheinend von einem anderen Künstler und ganz in einem anderen Stil. Steckt da ein Konzept dahinter?


Nino: Da musst du Titus fragen.

Titus: Nein, ein Konzept steckt nicht dahinter. Die Songs sind ja auch - ich will nicht sagen, zusammenhanglos, aber "Tools" ist kein Konzeptalbum und genauso wenig steckt ein Konzept hinter dem Titel. Wir haben uns wie immer erst am Ende entscheiden können, welcher Song als Pate für das Album herhalten muss, und dieses Bild erschien uns dazu passend. Einige Journalisten und Fans haben schon wunder was hinein interpretiert, dass wir uns gegen die indische Religion oder gegen Religion im Allgemeinen stellen, oder dass diese indische Göttin jetzt für uns eine besondere Bedeutung hat, aber das ist alles viel zu hoch gegriffen.

Nino: Wir wollten außerdem, dass es nicht mehr so nach Powermetal aussieht, denn das sind wir nicht mehr. Über die letzten beiden Alben haben wir die Anteile von dem "typisch finnischen Powermetal" mehr und mehr zurückgefahren, also hätte ein so typisches Powermetal-Cover nicht mehr zu "Tools" gepasst.



Genau das war der Hauptpunkt in den negativen Kritiken, die Abkehr vom Powermetal wird euch arg angekreidet.


Nino lacht: In der Tat haben einige Leute schon zu uns gesagt: "You´re going to Hell with this album." Na und? We don´t care.

Titus: Wir machen Musik, die wir machen wollen. Und wir vertrauen da ganz auf unsere Fans.


Nino, eine Frage direkt an dich: Du bist mit dem Sonic Pump Studio umgezogen und hast es größer ausgebaut. Worin besteht der Unterschied, ob du THUNDERSTONE oder eine fremde Band produzierst?


Nino: Bei THUNDERSTONE muss ich eben nicht so viel produzieren und kann mich zurücklehnen und drauf konzentrieren, was ich selbst spiele. Ich sollte es nicht zu laut sagen (Nino guckt sich noch einmal vorsichtig rechts und links über die Schulter, aber da sind nur schatten-spendende Bäume in einer abgesperrt-leere Ecke des Kaisaniemi-Parks), aber einige der Bands, die zu mir kommen, sind reichlich amateurhaft und ich muss bei denen sehr "produzieren". Also regulierend eingreifen und aufpassen, dass kein Mist auf die Platte kommt. Von diesen Jungs hier ist jeder individuell sehr gut an seinem Instrument. Alle wissen schon, wenn wir ins Studio gehen, wie es klingen soll und alle bringen sich ein. Bei anderen Bands ist das wesentlich mehr Arbeit.


In diesem Moment kommt THUNDERSTONE-Schlagzeuger Mirka Rantanen um die Ecke und will an uns dreien vorbei gehen. Titus wirft sich in der nächsten Sekunde auf den Boden, zieht sich die Hose bis unter die Arschbacken und zeigt dem Drummer die Rosette.


Titus: Entschuldigung, aber das musste gerade sein, das war ein Insider.


Während sich die Jungs über mein verdutztes Gesicht scheckig lachen, und ich um meine Fassung ringe, spielen wir unter Lachtränen weitere sinnige Wortbedeutungen des Albumtitels "Tools Of Destruction" durch:


Nino: Nun ja, das eben war eins.


Es scheint ja, als ob auf jeden Fall die Bandchemie bei euch stimmt.


Titus: Das tut sie. THUNDERSTONE ist keine Band um des Geldmachens wegen. Und ich denke, es wird diese Band so lange geben, so lange diese Jungs dabei sind. Das liegt nun nicht allein in meinen Händen, aber ich denke, dass diese Band aus genau den richtigen fünf Jungs besteht, wie eine perfekte Familie. Und wahrscheinlich würden THUNDERSTONE auch in einer anderen Konstellation nicht funktionieren. Wer weiß das schon. Trotzdem habe ich schon von anderen gehört: "Hey, warum habt ihr immer noch das gleiche Line-Up?". What the fuck? Natürlich sind wir immer noch die gleiche Band mit denselben Leuten wie am Anfang!

Nino: Warum nicht?!

Titus: Warum nicht, ganz genau.

Nino: Es funktioniert so.

Titus: Und wir wollen jetzt nicht in dem Sinne "professionell" werden, dass wir Leute für uns spielen lassen. Meiner Meinung nach sollten in einer Band die Mitglieder miteinander Musik machen (er Wortwitz zwischen "people playing for you" gegenüber "people playing with you" erschließt sich in der deutschen Übersetzung nicht wörtlich - Anm. d. laetti). Wir sind deswegen gut, weil wir nur für uns selbst spielen. Jeder von uns hat Spaß, und wir zusammen haben Spaß. So sollte es doch sein!


Was zu beweisen wäre. (Ich bekomme einen weiteren Lachkrampf...)


Titus: Du weinst ja immer noch!

Nino, tröstend: Ich kenne den Anblick, ich kann dich verstehen!

Titus: Viele Leute müssen weinen, wenn sie meinen Arsch sehen. Ich weiß, dass es kein netter Anblick ist. Aber, manchmal muss man seinen Dämonen einfach freien Lauf lassen, und das ist meine Art, ihnen ihren Auslauf zu geben.




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