Interview:

2020-07-30 Thrash Metal mit vereister Zwiebelsuppe

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Wie alle guten Geistergeschichten, so beginnt auch diese mit den berühmten Worten "Once upon a time in an recordshop..." wie die Geschichte im Detail weitergeht, erzählt Frontpolterer André Grieder höchstpersönlich.Interview

Als ihr vor vier Jahren mit „Back To Haunt“ wieder aus der Versenkung aufgetaucht seid, war da vor Anfang an klar, dass die Reunion eine dauerhafte Geschichte werden wird? Oder war das anfänglich noch ganz offen?

Ich hoffte es zumindest, sonst hätten wir es auch bleiben lassen können. Wir hatten einfach wieder richtig Bock auf die alten Songs, aber vor allem wieder auf das Komponieren von richtig geiler Mucke. Wir wurden ja zuvor jahrelang von unseren treuen Fans über Social Media dazu ermutigt es nochmals zusammen zu versuchen. Ich nehme nicht an, dass sie nur ein paar schäbige Altherren Shows mit den Perlen aus den 90gern sehen wollten, sondern schon gespannt auf neue Songs waren.

Von der Besetzung der ersten drei Alben sind ja nur noch du und V.O. dabei. Hatten die anderen nach all den Jahren kein Interesse mehr?

Am Anfang der Reunion war ja unser langjähriger Freund und Bassist Marek Felis dabei, der sich aber leider während der Aufnahmen zu Back to Haunt aus persönlichen Gründen dazu entschied uns zu verlassen. Mit unseren Schlagzeugern verhielt es sich eh schon lange ähnlich, wie bei Spinal Tap. Die kommen und gingen aus verschiedenen Gründen und Ursachen. Das hielt uns auch jahrelang davon ab, überhaupt ein Comeback zu wagen. Gute Drummer wachsen bei uns leider nicht an Bäumen. Unser letzter Drummer vor dem Split, Lukas Soland spielte zu der Zeit in einer 70`s Funk Band und spielt nun bei Crown of Glory, also eine ein bisschen gemäßigtere Form von Metal.

Sprechen wir zuerst über das neue Album „Feather Of Truth“. Was ist denn die „Feder der Wahrheit“?

Bei der “Feder der Wahrheit” handelt es sich um die Feder der antiken Göttin MAAT, der Göttin über Wahrheit, Ausgeglichenheit, Ordnung, Moral, Harmonie, Gesetz und Gerechtigkeit. Im DUAT, der ägyptischen Unterwelt, wurde das Herz der Toten mit einer Feder aufgewogen. Wenn das Herz leichter oder gleich schwer wie die Feder war, war das der Beweis für ein tugendhaftes Leben und die Eintrittskarte in den DUAT, also das Paradies oder Himmel, wie immer du das nennen willst. MAAT und die Geschichte repräsentieren also ethische und moralische Prinzipien, die sich auch in unsere moderne Zeit übertragen lassen.

Ihr habt als erste Single „Saturday Night’s Alright For Fighting“ gewählt, welche für POLTERGEIST doch recht ungewöhnlich klingt. Warum ist die Wahl ausgerechnet auf diesen Song gefallen?

Erstens gefiel uns der Song sehr gut und da gebe ich Dir recht, nicht gerade die typische Poltergeist Nummer, aber es ist auch eine Hommage an unsere Fans, die im Pit sich verausgaben und auch an eigene Erlebnisse an  zahlreichen Shows, die man selbst als Metalhead besucht hat. Es ist unser Gute Laune Song, mit dem wir den Leuten einfach ein gutes Gefühl geben wollten, in diesen nicht ganz leichten Zeiten.

Gibt es einen musikalischen Masterplan im Hause POLTERGEIST? Also werden auch Ideen verworfen, die zwar prinzipiell gut sind, stilistisch jedoch zu weit weg, oder ist alles erlaubt? Auf früheren Alben hattet ihr durchaus auch mal balladeske Klänge im Repertoire, während auf „Feather Of Truth“ die Keule regiert. War das eine bewusste Entscheidung oder hat sich das während des Songwritings einfach ergeben?

Prinzipiell ist erst mal alles erlaubt, da wir musikalisch alle aus derselben Ecke stammen ist schon mal nicht davon auszugehen, dass jemand eine Jazz Nummer für die nächste Poltergeist Scheibe schreibt. Grundsätzlich hat jeder in der Band das Recht zu sagen, wenn ihm etwas nicht gefällt. Das kam aber in der Vergangenheit eher selten vor. Es gibt auch kein Verbot, mal wieder eine Power Ballade wie Only You Remain zu schreiben. Uns war einfach nicht danach in den vergangenen Jahren, was nicht heißt, dass sich das in der Zukunft nicht ändern kann.

A propos Songwriting: Wie muss ich mir dir Entstehung von Songs bei POLTERGEIST vorstellen? Ganz klassisch im Proberaum oder tüftelt da jeder bei sich zu Hause im stillen Kämmerlein und stellt seine Ideen dann den anderen vor. Wie groß ist denn Input der „Neuen“?

In unseren Anfangszeiten schrieben wir die Songs wirklich noch im Proberaum. Damals waren die Möglichkeiten auch noch sehr beschränkt mangels Internet. Heutzutage hat sich das natürlich grundsätzlich geändert, auch der Tatsache geschuldet, dass wir über die ganze Schweiz verteilt wohnen und die Meisten noch in anderen Bands aktiv sind. Alle Ideen werden also im Home Recording aufgenommen und sammeln sich in unseren Drop Boxen. Das Ganze wird dann bei V.O. im Studio von ihm und mir zu Ende arrangiert und gleich von mir eingesungen.

Wenn ich mir eure Lyrics so durchlese, dann scheint ihre eine große Bandbreite an Themen zu bearbeiten. Während „The Attention Trap“ mit sozialen Netzwerken abrechnet, behandelt „The Phantom Army“ einen Trick der Alliierten im Rahmen des D-Days indem sie mit Dummy-Armeen die Nazis narrten und in „Ambush“ gibt es klassischere Metal-Slasher-Kost. Wie läuft denn da die Ideenfindung? Was sind eure Inspirationsquellen und gibt es Songs, deren Texte euch besonders am Herzen liegen?

Die große Bandbreite an Themen hat bei uns ja schon Tradition. V.O. als unser Haupttexter macht sich halt über vieles Gedanken, was auf dieser ab und zu kranken Welt so läuft, ist aber auch sehr interessiert an antiker Geschichte und an Dingen, die außerhalb unserer Vorstellungskraft liegen. Das wurde uns auch schon negativ ausgelegt, da wir angeblich eine klare Linie in den Texten vermissen lassen. Unsere klare Linie ist halt, dass wir keine haben und uns einfach nicht beschränken wollen, weder musikalisch noch textlich. Daher ist auch kaum ein Konzeptalbum von uns zu erwarten in der Zukunft.

Wie kam es eigentlich zum Wechsel von Pure Steel zu Massacre Records?

Wir waren einfach nicht sehr glücklich mit der Promotion und dem Support, der von Pure Steel kam. Auch die Tatsache, dass Back To Haunt nur in physischer Form erhältlich war, sorgte bei mir nicht grad für Begeisterungsstürme. Auch als Metal Band, die sich gerne als Old School bezeichnet, muss man mit der Zeit gehen und da gehören halt Spotify, Apple Music, oder andere Streaming Plattformen heute dazu, auch wenn man als Künstler nicht gerade reich wird. Massacre bieten uns da ganz andere Möglichkeiten, auch was Auftritte bei größeren Festivals anbelangt.

Gehen wir nun in die Vergangenheit: Gemeinhin gelten CARRION als der Vorläufer von POLTERGEIST. Damals herrschte sowohl textlich als musikalisch eine ziemliche Nähe zu eueren Freunden und Nachbarn DESTRUCTION. Nach deinem Einstieg und der Umbenennung in POLTERGEIST änderte sich das Klangbild massiv. Die Musik würde sowohl melodischer als auch komplexer. War das ein natürlicher Prozess? Und auch textlich habt ihr euch von „Tod und Teufel“ wegentwickelt. Waren das die Hauptgründe für einen Namenswechsel?

Das war hauptsächlich der Tatsache meines Einstiegs geschuldet. V.O. wollte sich damals auch auf seine Skills als Gitarrist konzentrieren. Sie suchten damals schon länger einen Sänger. Ich verkehrte damals in einem Plattenladen, der sich auf Metal und 60`s Rock konzentrierte und das war auch ein beliebter Treffpunkt der damaligen, noch sehr kleinen Basler Metalszene. Die Carrion Jungs kamen da auch regelmäßig vorbei, um die neusten Scheiben unserer damaligen Helden, wie Iron Maiden, KISS, Judas Priest oder auch eben schon Slayer, Metallica, Venom oder Exodus zu hören und zu kaufen. So kamen wir dann schnell ins Gespräch und bald fragte mich dann V.O. auch, ob ich nicht Lust hätte bei ihnen zu singen. Ich glaube, dass er damals wahrscheinlich jeden, mit nur ansatzweise langen Haaren fragte, haha. Ich hatte wirklich null Erfahrung damals. Ich trat mal in der Schule mit einem Kumpel zusammen, der ein bisschen Gitarre spielen konnte, mit ein paar Venom Covers auf, konnte kaum englisch, also eher peinlich. Trotzdem dachte ich mir, wieso eigentlich nicht? Also lernte ich die ganzen Carrion Songs und schrie dieselben ins Micro und ich hatte den Job. Wahrscheinlich war`s ziemlich egal, wie`s klang, Hauptsache er musste nicht mehr singen. Da ich mich dann doch ein bisschen entwickelte mit der Zeit und wir uns spielerisch weiterentwickelten folgte kurz darauf mein erstes richtiges Konzert auf einer Bühne, über eine PA. Da die Jungs aus ihrem Vertrag mit Gamma Records rauswollten, traten wir schon unter einem neuen Namen auf, nämlich SUBCORE. Da wir damals einen Song mit dem Titel Poltergeist geschrieben hatten und der Namen auch im Englischen als Poltergeist bezeichnet wird, entschlossen wir uns alles auf Null zu stellen und mit komplett neuem Material zu starten, auch aus oben genannten Vertragsgründen.

Woher kam eigentlich die Idee für den Namen? Vom gleichnamigen Film?

Wie in der vorherigen Antwort beschrieben hatten wir einen gleichnamigen Song, in dem es eigentlich mehr ums Phänomen Poltergeist und weniger um den Film ging, der uns aber natürlich als rege Horrorfilmkonsumenten bekannt war.

1990 warst du auf dem DESTRUCTION Album „Cracked Brain“ zu hören. War das von vorn herein als one off Geschichte geplant oder solltest du dauerhaft bei DESTRUCTION Schmier ersetzen?

Für mich war es damals selbstverständlich, den Jungs, mit denen wir schon seit Jahren befreundet sind, in ihrer misslichen Lage auszuhelfen. Da ich auch mit Schmier sehr gut befreundet bin und ich auch ein sehr loyaler Mensch bin, war für mich eigentlich von Anfang an klar, dass es bei dem Studiojob bleiben würde. Ich hatte ja mit den damaligen Streitigkeiten nichts zu tun und saß irgendwie auch zwischen den Stühlen. Ausserdem hatte ich wahrscheinlich auch einen zu großen Respekt davor, eine Legende wie Schmier zu ersetzen. Nach den Aufnahmen kam es dann doch mal zu einer gemeinsamen Probe, die wir leider nicht aufgenommen haben. Die würde heute sicher ein paar Abnehmer finden. Aber ich habe es eigentlich nie bereut, dass ich mich damals für Poltergeist entschieden hatte, auch wenn der ganz große Durchbruch ausblieb.

1991 erschien euer zweites Album „Behind My Mask“. Ihr habt dann unter anderem mit ICED EARTH zu deren Debützeiten gespielt. Was ich insofern spannend finde, als dass ich durchaus Parallelen höre, die aber komplett unabhängig voneinander entstanden sein müssen. Gibt es irgendwelche spannenden Geschichten aus dieser Zeit? Von der Dynamo Show zum Beispiel?

Im Dynamo spielten wir leider nie zusammen. Wir sprangen damals für die Blind Guardian Jungs für drei Shows ein. Eine davon war in Paris in einem Mini Club. Der Backstage Bereich war so klein, dass man sich nicht mal anständig umziehen konnte. Mit den Iced Earth Jungs verstanden wir uns sehr gut. Der damalige Sänger Gene Adams gab mir auch wertvolle Tips für meine Stimme. Eine Episode, die mir hängen blieb ereignete sich ebenfalls in Paris, als wir in einem kleinen Restaurant, dass und der Veranstalter empfahl essen gingen. Das Essen war eine Katastrophe, das Fleisch zu Tode gegart und die Pommes schwarz. Jon Shaffer bestellte sich dann beim Kellner eine Onion Soup und bekam eine klare Brühe und als Krönung in der Mitte des Tellers eine ganze rohe Zwiebel. Anschließend verließen wir die Gaststätte hungrig und kehrten in den nächsten Fastfood Schuppen mit dem großen M ein.

1993 erschien mit „Nothing Lasts Forever“ euer bis dato vielschichtigstes Werk. Die Produktion war fett, kein einziger Filler weit und breit und ihr setztet auf noch mehr Melodie, ohne euren Biss zu verlieren. Die Zeichen standen auf Sturm und doch war dann erstmal Schluss. Was war passiert?

Damals war Heavy Metal und vor allem Thrash Metal nicht mehr wirklich angesagt. Die große Grunge Welle überrollte uns und viele andere Bands des Genres. Nur die richtig erfolgreichen Bands hatten eine Chance zu überleben, und selbst die brachten dann teilweise stilfremde Alben raus, wenn ich da zum Beispiel an Renewal von Kreator denke. Wir tourten dann zusammen mit unseren Kumpels von Coroner durch Deutschland und die Zuschauerzahlen waren gelinde gesagt ernüchternd. Nach der letzten Show eröffneten mir die anderen drei Jungs dann, dass sie sich entschieden hatten zu dritt unter neuem Namen weiter machen zu wollen, mit einem mehr groovigen Sound. Ich passte da anscheinend mit meinem melodiösen Gesang nicht ins Konzept und konnte mich ehrlich gesagt auch nicht damit identifizieren. Das war dann die Geburt von GURD und mein vorläufiges Ende in der Musikbranche.

Die nächsten Jahre wurde V.O. ein gefragter Produzent und blieb mit seiner Groove Thrash Formation GURD auch den Bühnen dieser Welt erhalten. Was hast du denn während all den Jahren getrieben?

Ich hatte zuerst die Schnauze gestrichen voll und wollte erstmal nichts mehr zu tun haben mit dem ganzen verlogenen Musik Business. Ich versuchte also die folgenden Jahre mit verschiedenen Jobs mich über Wasser zu halten. Meine Liebe zur Musik hatte ich in all den Jahren allerdings nie verloren. Nach ein paar Monaten hatte ich dann auch wieder Kontakt mit V.O. auf freundschaftlicher Basis, allerdings vorerst, ohne jegliche Ambitionen wieder zusammen Musik zu machen. Das dauerte dann 20 Jahre. Ich persönlich machte einige harte Zeiten durch, mit dem Tod meiner Eltern, einem Burn Out, indem ich mich halb zu Tode gearbeitet habe um anschließend auch noch meine Wohnung zu verlieren und zu guter Letzt in einem Männerwohnheim der Heilsarmee zu landen. Musikalisch lief ausser ein paar kurzlebigen Versuche in einer Grunge Band und in einer Pearl Jam Tribute Band nichts. Das alles konnte mich aber nicht wirklich zufrieden stellen, weil das mehr ein Hobby war und ich mich einfach nicht als Coversänger sehe, weil meine Stimme auch nicht wirklich passt. Ich will einfach eigenes Material singen. Die Reunion kam für mich zum richtigen Zeitpunkt, da ich mich dank der Hilfe von Freunden wieder auf dem Weg zur Besserung befand. Das gab mir dann den letzten Kick.

Und damit landen wir wieder im Hier und Heute. Ihre habt gerade als eine der ersten Bands wie der auf einer Bühne gestanden und in der Schweiz mit euren Kumpels von DESTRUCTION zwei Gigs gespielt. Wie sind die denn gelaufen und wie muss ich mir die Organisation vorstellen? Würdest du sagen, dass es sich gelohnt hat und hat Social Distancing auch im Moshpit funktioniert?

Erstmals muss ich sagen, dass wir dem Z7 sehr dankbar sind, dass sie Destruction und uns die Möglichkeit eröffneten, diese unvergesslichen Shows zu spielen. Da das Z7 eine Kapazität von bis zu 1500 Zuschauern zulässt und jeweils nur 300 zugelassen waren, konnte Social Distancing problemlos eingehalten werden, sogar mit dezenten Mosh Pits mit Abstand. Es hat sich schon alleine dafür gelohnt in die ausgehungerten Augen der Fans zu schauen. Leider haben sich die Umstände wieder verschärft und das Z7 ist inzwischen wieder geschlossen. Das hatte aber absolut nichts zu tun mit unseren zwei Shows.

Würdest du sagen, dass die Art und Weise wie eure beiden Shows gelaufen sind, als eine Art Blaupause für andere Länder und Location herhalten können?

Das könnte es für die langsame Rückkehr zur Normalität absolut sein, erübrigt sich aber leider zurzeit, da wir zum jetzigen Zeitpunkt mit großen Schritten Richtung zweiter Welle surfen.

Was sind denn eure Hoffnungen und Wünsche für 2021 and beyond?

Wahrscheinlich den Wunsch, den gerade praktisch jeder hat. Die ganze Covid 19 Geschichte hinter uns bringen, so dass wir endlich unser Album weltweit auf die Bühne bringen dürfen. Aber es ist zurzeit für alle nicht planbar, was nächstes Jahr so abgeht. Man kann nur hoffen, dass bald ein Impfstoff gefunden wird und wir gemeinsam den Virus aus der Welt schaffen können. Das kann aber noch lange dauern, bis dann jeder Weltbürger auch Zugang zu den Impfstoffen erhält.

Vielen Dank für deine Zeit.

Danke für die geistreichen Fragen, Fabian...Polter til Death my Friend



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