Interview:

2003-04-28 Tanzwut

Band anzeigen
Die Dudelsack-Fraktion der Berliner Band <b>TANZWUT</b> legte die Instrumente aus der Hand und beantwortete gar schelmisch Fragen zur neuen Scheibe "Ihr wolltet Spaß". Und bald kommen KOLL A. (Dudelsack, Schalmeien, backvoc), CASTUS (Dudelsack, Schalmei, backvoc) und ihre sechs andere Narren auf Tour und präsentieren ihren "Mittelalter-Metal". Und einmal hat sich sogar der Teufel höchstpersönlich eingemischt.InterviewErstmal das richtig Spannende: Erzähl mal ein bisschen aus eurer Bandhistorie.


Koll A.: "Es waren einmal fünf Könige, die waren des Regierens müde und wollten sich mal richtig daneben benehmen und gründeten eine klitzekleine unbekannte Rockband. Weil sie aber Dudelsackspielen konnten, waren sie nicht lange unbekannt, denn so was fällt ja schließlich auf! Sie versuchten zwar die Dudelsacktöne mit Gitarrenlärm und Elektrobeats zu übertönen, aber es gelang ihnen nicht ganz. Man sieht, Märchen können auch wahr werden ;-)
Inzwischen ist diese Rockband berühmt und verehrt.

Castus: So und nun sind wir schon acht Verrückte die durch die Welt ziehen.


Dieses Verrückte hat sicherlich auch seinen Einfluss auf die Musik.


Koll A.: Wir sind immer schon respektlos mit musikalischen Genres, Epochen, Elementen und Strukturen umgegangen und haben überall inspirieren lassen: bei Hildegard von Bingen, bei Beethoven, bei Corvus Corax und vielen andern mehr…


Und was meint ihr zum Vorwurf, ihr seid nur ein Plagiat von STS, Rammstein oder ein Mischmasch von beidem?


Koll A.: Solche Bemerkungen rühren aus der Zeit als man danach suchte, uns in eine Schublade zu pressen. Weder STS noch Rammstein noch wir haben die Musik erfunden. Ich persönlich liebe Krupps und die haben mich mehr inspiriert als z.B. Rammstein. Von Krupps hab ich alle Platten, von Rammstein und STS hab ich keine einzige.


Castus: Eigentlich bin ich es müde darüber nachzudenken, wer nach wem klingt. Die Fans oder allgemein das Publikum kommen recht selten auf solche einfachen Gedanken. Es sind die Medien die durch dumpfe Einfallslosigkeit diese Vergleiche herstellen.


Und die Texte? Sind sie auch gar schröcklich abgedreht?


Teufel: In jedem Text geht’s natürlich um was anderes z.B. "Zaubern": der Teufel betrachtet die Welt, die Menschen und denkt sich: oho, wie hier alles verseucht und verschmutzt wird, so würde ich mit meinem Wohnort der Hölle aber nicht umgehen… Das schöne Lied "Der Traum" zeigt die Kehrseite einer jeden Medaille. Der Teufel ist eben nicht nur super sexy sondern auch mal nicht so fein. "Das Meer" haben wir den fahrenden Spielleuten gewidmet, also auch uns selbst. "Caupona" ist ein Sauflied. Ich hoffe, das reicht zur Sache der Erklärung, denn die Leute wollen ja nicht alles vorgekaut haben und selbst ein wenig ihre Gedanken schweifen lassen.


Für die, die es noch nicht wissen sollten. Hat denn euer Bandname eine tiefere Bedeutung?


Koll A.: Das steht doch mittlerweile schon in fast allen Musikzeitungen, dass Tanzwut ein Begriff ist für den mittelalterlichen Veiztanz, eine Tanzbewegung die sich zu Zeiten der schwarzen Pest in der Mitte des 14. Jahrhunderts in ganz Europa ausbreitete. Große Gruppen von Menschen haben sich in Ekstase getanzt, um dem Schrecken der Pest zu entfliehen.

Castus: Ich gebe euch mal eine Beschreibung der Tanzwut aus dem Jahre 1351 in Lübeck:
Voran gingen die Sackpfeifenspieler, dann folgte eine Horde Neugieriger, dann die Befallenen mit ausgelassenen Sprüngen, wilden aber auch eleganten Verrenkungen in ekstatischen Tänzen… So ist es auch wenn wir spielen, nur dass die Neugierigen hinten stehen.


Ihr kommt aus Berlin. Beschreib doch mal die lokale Musik-Szene, und eure Verbindung dazu.


Koll A.: Die Musik in den Szene-Lokalen könnte ich beschreiben… ;-) die lokale Musikszene weniger… Also man kennt sich, geht auch zu den Konzerten von Kollegen und trifft sich halt in Lokalen und redet auch über Musik. Letztendlich haben wir z.B. Norri aus so einem Szenelokal gezerrt um Musik zusammen zu machen.


Castus: Nach einem harten Studiotag oder einem nervenaufreibenden Bürotag ist es immer wieder eine große Freude, in einem kleinem Club völlig unbekannte Bands zu hören und zu sehen. Davon gibt es in Berlin zum Glück sehr viele.


Apropos Berlin Für viele Menschen eine absolute Traumstadt. Wie seht ihr das und aus welchen Stadtteilen kommt ihr? Was bedeutet Heimat für euch?


Koll A.: Wir wohnen alle im Prenzlauer Berg, haben hier auch unser Studio und unser Büro. Berlin ist wohl die einzige Stadt in Deutschland, wo wir uns alle wohl fühlen. Heimat aber ist eher der Tourbus und die Backstages der Clubs überall wo wir hinkommen.


Ihr habt einen Song über den 1. FC Union Berlin (Eiserne Hochzeit) gemacht. Erzählt mal was über die Affinität zu Bärlins sympathischstem Verein.


Koll A.: Ich hab mal Dresche von ´nem 10 jährigen Piepel angeboten gekriegt, weil ich mich als Union-Fan geoutet hab. (Sind Sie für Union? - Na, klar! - Sie kriegen gleich eins auf die Fresse…) Das mag ich an Berlin ;-) Fußball live find ich ganz spannend - die Atmosphäre in so’nem Stadion ist schon überwältigend und man kann nicht umhin mitzufiebern. Vorm Fernseher nur ganz selten. Höchstens zur WM in ´ner Kneipe mit vielen andern Leuten...


Konzerte scheinen für euch recht wichtig zu sein, neben Tanzwut spielt ihr ja auch ständig mit Corvus Corax live. Erzählt mal von Tour-Erlebnissen, Touren im Allgemeinen, Plänen, Festival-Auftritten, Erfahrungen mit anderen Bands usw.


Castus: Wir sitzen monatelang im Studio und sind dann glücklich, wenn eine geile neue CD fertig ist. Aber eigentlich sind wir Livemusiker. Wir gehören auf die Bühne und wir müssen spielen. Da wir zwei Bands haben potenziert sich natürlich auch die Anzahl unserer Auftritte. Das ist gut so, da wir unterwegs neue Ideen sammeln. Zu unseren Erlebnissen auf unseren Touren können wir nur sagen: Es sind so viele, dass wir wohl ein Buch darüber schreiben müssen.


Die Tour-Termine stehen. Mit wem eigentlich?


Koll A.: Bei der Tanzwut Tour vom 15. Mai bis 1. Juni wird Xandria unser Support sein. Die Band wurde uns von unserer Booking-Agentur vorgeschlagen. Wir denken, dass das gut zu uns passt, also eine gute Einstimmung für unser Konzert werden wird.


Und wie isses so im Business?


Koll A.: Wir haben nur gute Erfahrungen mit unserer Plattenfirma pica records gemacht. Sie kümmern sich hervorragend um uns und sind immer nett zu uns...


Ein Wort (oder lieber viele) zu ”Sex, Drugs, Rock and Roll”?


Koll A.: Viel Sex, viel Alkohol und viel Rock’nRoll - Alkohol ist die einzige Droge, die uns - und vielleicht besonders mir - gut tut ;-)


Castus : Wir haben eine Verantwortung unseren Fans gegenüber. Und so müssen wir zeigen, wie man durch ein ausschweifendes, sündiges Leben glücklich wird!


Wie sieht das Privatleben aus? Wie alt? Wie viele Hunde? Freundinnen, Freunde? Jobs?


Koll A.: Privatleben?


Castus : Mein Privatleben ist so privat, dass ich es selber nicht kenne.


Danke dafür. Wie sieht ihr eure Zukunft?


Castus : Eine glänzende Zukunft erwartet uns alle. Der Prinz Luitpold von Bayern und seine Frau Prinzessin Beatrix baten uns eine Hymne für das Kaltenberger Ritterturnier zu komponieren. Neben der klassischen Version von ´Hymnus Cantica´ werden auf der Single die Bombastversion von Tanzwut und ein nicht minder mitreißender E-Mix zu hören sein. Als Bonus gibt es - auch auf der Single - noch ein Musikvideo zu diesem Stück. Veröffentlichung ist der 07.07.03 Auf der Seikilostour 2002 nahm Corvus Corax eine DVD und eine Live-CD auf. Auf der DVD werden aktuelle Liveaufnahmen von der Tour, eine Dokumentation über die Band und verschiedene alte Videoausschnitte gezeigt. Veröffentlichung ist der 06.10.03.
Jetzt freuen wir uns erst einmal wieder für unsere Fans da zu sein.


Der Teufel hat den Gesang gemacht. Ein Gitarren-Hexer unter Vagabunden: Patrick. Der Norri schwingt bei Tanzwut die Schlagstöcke. Schön schick haben sich die Narren vom Prenzelberg gemacht.