Interview:

2005-01-02 Stormwitch

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Schon in den "goldenen" 80er Jahren galten die teutonischen True Metaller STORMWITCH als umstrittene und für ihre Musik nicht immer geliebte Band. Natürlich darf man über einen Haufen, der gerne mal theatralischen Schabernack auf der Bühne treibt, geteilter Meinung sein. Aber auch im Zuge des neuen Albums "Witchcraft" möchte Frontmann Andy Mück auf die Traditionen der Band hinweisen und damit den langjährigen, treuen Fans danken. InterviewWie geht’s Euch denn?



Im Moment zum Glück besser denn je.



Wieso denn das?



Nun, wir hatten ja schon verschiedene Phasen oder besser: ich hatte schon verschiedene Phasen mit STORMWITCH und es waren auch sehr dunkle Phasen dabei. Aber im Moment läuft es bei uns richtig gut!



Hast Du die Reunion denn schon einmal bereut?



Nö, im Gegenteil. Die Reaktionen der Leute sind einfach klasse und ich war noch nie so dankbar wie jetzt in den letzten zwei Jahren. Es ist ja auch nicht selbstverständlich und normal, dass einem von so vielen Leuten positive Emotionen entgegenschlagen. Für mich ist so etwas immer… bewegend klingt so hochtrabend, aber mich rührt es schon irgendwie. Ich sehe, wie viele Leute unsere Musik nach wie vor mögen und wie sie begeistert mitgehen. Wir haben ja vor kurzem beim "Keep It True" - Festival gespielt und das war emotional schon sehr intensiv. Das sind die Momente, für die ich lebe und in denen ich mit mir selbst, mit den Leuten und mit der Welt irgendwie eins bin. Man sieht dann, wie sich beide Seiten in der Vision und in den Songs vereinen und man dann zusammen abhebt und das ist immer das geilste Gefühl!



Denkst Du denn, dass in den 80er Jahren alles besser war? Es heißt ja immer, der Metal sei dort auf seinem Höhepunkt gewesen und heute sei alles tot und blablabla… Wie hast Du es denn selbst, gerade auch, weil Du von vielen "dunklen Phasen" sprichst, damals erlebt?



Ich denke, dass jede Zeit immer irgendwo beides hat. Ich möchte nicht sagen, dass es früher besser war, aber genauso wenig ist heute alles schlechter. Da scheint sich etwas zu verschieben und für mich persönlich ist mitentscheidend, dass ich früher noch nicht so bewusst gelebt habe. Bei mir war es früher so, dass ich als junger Mensch noch gar nicht richtig wusste, wer ich eigentlich bin und was genau ich will. Viele Dinge haben mich eher irritiert und ich hatte keine Ahnung, wie ich mit ihnen umgehen soll. Als wir damals angefangen haben, war ich noch ein unbeschriebenes Blatt und heute kann ich viel bewusster sagen, wer ich eigentlich bin und was ich will. Außerdem kann ich die Leute, die vor mir stehen, viel besser einschätzen und mittlerweile kenne ich auch die Lebensläufe vieler Fans, wobei ich mit einigen davon in engem Briefkontakt stehe. Es relativiert sich im Laufe der Zeit auch vieles und ich denke, dass sich Musiker auch oft um ihr eigenes Ego drehen und zu viele Empfindlichkeiten haben, die gar keine Rolle spielen. Von unseren Fans sind mittlerweile auch welche gestorben, zum Beispiel an unheilbaren Herzkrankheiten und wenn man so etwas mitbekommt, sieht man vieles in anderen Verhältnissen. Da kann ich wirklich dankbar sein, dass ich mit knapp 40 Jahren immer noch körperlich gesund und fit bin und das Leben noch genießen darf. Das ist schon ein Geschenk.



Du bist ja auch der einzige, der von der einstigen Band noch übrig geblieben ist…



Ja, genau. Wir hatten die Band ursprünglich zu dritt gegründet, das waren Harald Spengler, Stefan Kauffmann und ich. Wir kannten uns aus der Schule und der Harald und der Stefan sind zusammen in dieselbe Klasse gegangen. Ich war ja drei Jahre jünger und in einer entsprechend unteren Klasse. Nun, aber im Laufe der Jahre hat es sich so ergeben, dass jeder einen anderen Plan vom Leben und seiner Zukunft hatte und ich selber konnte mir nie etwas anderes vorstellen, denn das Konzept, mit dem wir gestartet sind, fand ich ideal. Es waren Themen, die von Literatur oder Geschichte inspiriert waren, gemischt mit klassischen Heavy Metal und das hat mir immer am besten gefallen. Ich habe in den 90ern auch teilweise mit anderen Musikstilen experimentiert und habe auch Respekt vor allen möglichen anderen Musikarten, aber die echte, große Liebe hängt beim klassischen Heavy Metal. Und an der ersten großen Liebe hängt man ja emotional am meisten.



Hast Du denn noch Kontakt zu den beiden anderen Gründungsmitgliedern?



Mittlerweile wieder, ja. Es gab schon ein paar unschöne Erlebnisse, aber ich bin nicht der Typ, der gerne auf solchen Dingen herumreitet. Ein Krach lässt sich ja auch in der glücklichsten Familie nicht vermeiden, aber heute überwiegt mehr, dass man sich an viele Dinge, die man zusammen erlebt hat, gerne zurückerinnert. Ich bin heute mit der Welt, mir selber und mit den Leuten mehr im Reinen als früher.



Ist Euer neues Werk "Witchcraft" denn ein Konzeptalbum geworden oder stehen die Songs darauf für sich alleine?



Nein, diesmal ist es kein Konzept, das hatten wir schon auf der "War Of The Wizards" und der "Shogun". Dort hatten wir einen kompletten Roman musikalisch umgesetzt und dieses Mal ist es wieder so wie auf den ersten vier Alben. Es ist eine Mischung aus traditionellen STORMWITCH - Werten, die man von der Band immer gerne gehört hat und aktuellen Einflüssen, also Dingen, die uns in den letzten zwei Jahren inspiriert oder bewegt haben.



Euer eigentliches Comeback, also der Punkt, an dem die Leute wieder angefangen haben, über STORMWITCH zu reden, war doch, als HAMMERFALL Euren alten Klassiker "Ravenlord" gecovert haben?!



Damit hat auch kein Mensch gerechnet! Zu dieser Zeit hatte ich gerade meinen emotionalen Tiefpunkt. Zwischen den Jahren ´94 und ´97 war ich schon recht enttäuscht, weil dieser Zeit ein paar Jahre voraus gingen, in denen nichts mehr richtig funktioniert hatte. Für den Metal war es Anfang der 90er relativ schwierig, weil das Interesse bei anderen Stilen lag, wie Grunge, Alternative und solchem Zeug. Es war dort für jede Metalband schwierig, Gehör zu finden. Und auf der anderen Seite war dieses emotionale Band, das uns zusammenhielt, zerrissen, nachdem die Gründungsmitglieder die Band verlassen hatten, denn mit denen ist man ja fast schon im Sandkasten groß geworden. Mit der aktuellen Besetzung funktioniert es jetzt auf einer anderen Ebene, denn sie alle waren früher schon Fans von STORMWITCH und hatten sich mit unseren Ideen identifiziert. So funktioniert es auch wieder, aber in den Jahren dazwischen kamen Leute aus anderen Bands, die von vornherein schon musikalisch andere Vorstellungen hatten. Von daher war es sehr schwer, die Band in ihrer bekannten Form am Leben zu erhalten. Es ist ja auch logisch, denn wenn eine Band auseinander bricht, dann kann es mit anderen Leuten plötzlich nicht mehr dasselbe sein. Ich glaube, der Grund, warum es bei den letzten beiden Alben wieder funktioniert hat, ist… nimm zum Beispiel mal den Martin Winkler. Er hat sich total mit der Band identifiziert, hat uns mal live gesehen und daraufhin begonnen, selbst Gitarre zu spielen. Er hat dann auch versucht, so ähnlich wie ich zu singen. Das ist schon gut, denn wenn wir live zusammen singen und er die zweite Stimme übernimmt, dann klingt es so, als sei ich gedoppelt.



Ich wollte eigentlich darauf hinaus, dass Ihr quasi nicht im Alleingang wieder bekannt geworden seid, sondern durch eine andere Band, einen Newcomer, der in kürzester Zeit von 0 auf 100 geschossen ist und "zufällig" gerade einen Song von Euch gecovert hat. Das ist jetzt auf keinen Fall abwertend gemeint, aber du verstehst, wie ich das meine?! Warst Du im diesem Moment froh oder eher etwas enttäuscht, weil Ihr im Prinzip "nur durch fremde Hand" wieder im Gespräch ward?



Ja, ich verstehe schon, aber es ist im Endeffekt doch egal, wie das Schicksal zuschlägt. Ich bin auf jeden Fall dankbar für das, was passiert ist. Es ist im Prinzip scheiße, wenn Du mit Deiner zerbrochenen Band und den ganzen negativen Erfahrungen, die damit verbunden sind, alt wirst. Da bin ich schon froh, dass es so gelaufen ist. Und es ist ja so, dass ich die Jungs von HAMMERFALL wirklich mag. Wir haben uns persönlich getroffen und sie sind absolut ok! Wir sind ja auch einmal zusammen beim "Bang Your Head" Open Air aufgetreten, das war 1997. Davor hatten wir uns getroffen und sind auf die Idee gekommen, das zu machen. Wir hatten uns auf Anhieb verstanden und der Oscar hat auch ähnliche musikalische Ideale wie ich. Von daher hat es schon Sinn gemacht und ich hatte die Band ja politisch unkorrekter weise gefragt, aber ich war einfach so begeistert, weil ich die Band gut finde und gerade auf ihrem ersten Werk hört man Anleihen unseres "Stronger Than Heaven" - Albums. Und da habe ich sie glatt gefragt, ob sie an den Songs unseres eigentlichen neuen Albums von 1994, an dem wir gerade gearbeitet hatten, bevor die Band zerbrach, interessiert seien. Und tatsächlich haben sie dann einen davon auf ihr zweites Album genommen, nämlich "At The End Of The Rainbow". Der Song hätte normalerweise auf dem Album stehen sollen, das ursprünglich nach "Shogun" geplant war. Ich war also wirklich glücklich, dass es HAMMERFALL gab, denn die Jungs sind absolut in Ordnung und in Prinzip kann Dir auch nichts Besseres passieren, als dass die Dinge, die Du gut findest, mit anderen Leuten geteilt werden, seien es Fans oder eben andere Bands. Sie greifen Deine Ideen auf und machen etwas Eigenes daraus. Und nach "Shogun" sah es so aus, als verlaufe alles im Sand und nichts bleibe übrig. Ein anderes Beispiel ist eine italienische Band, die "Tears By The Firelight", unsere Ballade von "Beauty And The Beast" - Album, gecovert hat. Ich finde es sehr schön, dass jüngere Bands unsere Ideen aufgreifen und den Mut beweisen, wie wir früher, Dinge zu tun, die nicht unbedingt in die normale Vorstellung von Heavy Metal passen. Wir haben dafür immer Schelte bekommen, aber letztendlich hat sich der Mut dann doch ausgezahlt, dass wir versucht haben, immer ein wenig origineller zu sein als der Rest. Ich finde es klasse, wie es in den letzten fünf Jahren gelaufen ist.



Was hat es denn genau mit dem Bonustrack des neuen Albums, "Blood Lies In My Hand", auf sich? Immerhin steht darunter als zusätzliche Angabe "STORMWITCH feat. Martin Winkler", wo dieser doch Mitglied bei Euch ist. Normal wird mit so einer Zeile doch eher auf einen Gastmusiker hingewiesen.



Wir wollten damit herausstellen, dass es ein Song ist, der dem Martin besonders am Herzen liegt. Es ist eine ganz persönliche Sache und der Song klingt auch etwas anders als STORMWITCH normalerweise. Von der Musik her hat der Song einen kleinen Gothic - Touch und vom Text her ist er sehr persönlich. Wir verstecken uns ja normal gerne hinter geschichtlichen Figuren, wie dem "Ich - Erzähler" aus Romanen. In diesem Song aber verarbeitet Martin die Trennung von seiner Frau. Er hat sich vor drei Jahren scheiden lassen und es war wohl emotional sehr dramatisch. In einer dunklen, traurigen Nacht hat er den Song dann komponiert. Wir begleiten ihn dabei und eigentlich sollte es ein regulärer Song auf dem Album werden. Er hat mir dann mal eine Pilotspur der Melodie vorgesungen und ich habe dann entschieden, dass wir den Song nicht in dieser Form mit auf das Album nehmen und ich ihn nicht singen werde. Mich hat es persönlich berührt, aber viele Leute denken auch: "Was soll der Scheiß?". Ich empfinde die Emotionen in dem Song als echt und ich fand es interessant, auch einmal so etwas einzubauen. Wie gesagt, STORMWITCH haben ja schon immer mal Dinge ausprobiert, aber es ist immer ein zweischneidiges Schwert. Es kann Begeisterung auslösen, aber es kann auch dafür sorgen, dass Dich die Leute erst recht für bescheuert halten, haha! Ich selbst finde es aber wichtig, dass Musik immer eine starke Emotion transportiert.



Apropos Emotion: ich habe Euch auf dem "Keep It True" - Festival gesehen und hatte den Eindruck, Ihr seid eher eine lustige Theater - Gruppe als eine echte Metal - Band, hähä.



Das war eine Show, speziell für’s "Keep It True". Dort wollten wir wieder mal richtig theatermäßig auftreten. Wir waren in unseren Anfangstagen dafür berühmt, dass bei uns immer etwas in dieser Richtung abgelaufen ist. Früher hatten wir immer Klamauk, auch mit entsprechend farbigem Nebel, eben immer irgendwelchen Firlefanz. Und das "Keep It True" ist ja fast schon, auch wenn es negativ klingt, ein "Oldietreffen" und darum war es eine gute Gelegenheit, die alte Bühnenshow noch einmal aufleben zu lassen. Nur darum haben wir auf diesem Festival wieder Klamauk veranstaltet, denn normal halten wir uns bei unseren Shows eher bedeckt. Ich glaube, wir präsentieren uns heutzutage optisch bescheidener denn je, denn früher sind wir noch mit Kostümen auf die Bühne gekommen und heute tragen wir normalerweise schlichtes Schwarz und lassen unsere Begeisterung für die Songs sprechen. Wir nehmen uns auch selbst immer gerne auf den Arm und bewegen uns an der Grenze, aber man kann es als die "kindliche Begeisterung am Spiel" ausdrücken. Für mich war es damals schlimm, als Stefan Kauffmann gemeint hat, ihm werde das alles zuviel und er möchte lieber ein normales Leben führen. Das war für mich der größte Schock überhaupt, weil bei ihm immer beide Seiten zum Tragen kamen, die Lustigkeit und seine unheimliche Intelligenz! Er hat sich sehr für Literatur interessiert und dafür standen STORMWITCH ja auch immer. Sie spiegelt sich in unseren Texten wider und wir haben immer versucht, sie in eine lustige Form zu pressen. Ich glaube sowieso, dass Metal immer schnell zur Parodie tendiert, weil übersteigerte Sachen schnell parodistisch wirken, da sind MANOWAR mein bestes Beispiel. Bei Bands, die ständig von Superlativen singen und sich als große, nordische Krieger präsentieren, ist es zum Beispiel besonders lustig, wenn der Sänger nur 1,50 Meter groß ist. Übersteigertes Getue reizt natürlich die Lachmuskeln und wir waren immer bereit, uns der Lächerlichkeit preiszugeben, denn es geht hauptsächlich darum, dass man seinen Spaß hat. 2002 haben wir in Wacken gespielt, morgens um zehn Uhr und ich war noch nicht richtig wach und vielleicht noch ein wenig angesäuselt vom Vorabend, da bin ich volles Rohr über die Monitorbox gefallen. Als ich mich wieder aufgerappelt hatte, da habe ich die amüsierten Gesichter gesehen und musste selber loslachen. Es sind oft eben die Sachen, die in die Hose gehen, die bei einem Konzert am Meisten Spaß machen. Heutzutage steckt in der Metal - Szene zuviel Fanatismus und Fundamentalismus, wie ich es schon in den 80ern beobachtet habe. Die Szene läuft dann Gefahr, sich selbst zu limitieren, weil sich die Bands nicht mehr trauen, etwas Eigenwilliges zu machen. Es werden dann immer dieselben Outfits und Riffs präsentiert und das Ganze fällt am Ende in sich zusammen.



Was sind denn jetzt Eure Pläne für die Zeit nach der Veröffentlichung von "Witchcraft"?



Es wäre schön, wenn wir dieses Mal großflächiger touren könnten. Mit Nuclear Blast stehen die Chancen dafür ziemlich gut. Wir möchten gerne mal für unsere Fans in ganz Europa spielen, denn es war nicht immer einfach, ein STORMWITCH - Fan zu sein. Die Leute stehen auch nach 20 Jahren noch hinter uns und dafür bin ich wirklich dankbar. Es ist für viele Fans, gerade im Ausland, schwer, an das alte Material und die Platten ´ranzukommen und trotzdem bekommen es Leute immer wieder hin, sich die ganzen Alben und CDs zu besorgen, die ich dann unterschreiben soll. Ich bin jedes Mal verblüfft, wie das noch möglich ist. Auf diesem Weg ein riesiges Dankschön an die Fans, die uns und mir schon teilweise seit der Erstveröffentlichung unseres "Walpurgis Night" - Albums die Treue halten!




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