Interview:

2019-05-10 Schandmaul- Interview mit Thomas Lindner

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Erst dunkle Zeiten im privaten Umfeld und das drohende Bandende, dann ein furioses 20-jähriges Jubiläum und jetzt mit „Artus“ ein neues Album: bei Schandmaul war viel los in letzter Zeit. Sänger Thomas Lindner hat sich die Zeit genommen, um mit uns ein bisschen darüber zu sprechen und plaudert gut gelaunt aus dem Nähkästchen. Interview

Im Booklet des neuen Albums sprecht ihr an, dass ihr seit dem letzten Album eine sehr dunkle Zeit hinter euch habt und sogar kurzzeitig das Aus der Band drohte. Würdest du uns verraten, was da ungefähr los war und wie ihr die Kraft gefunden habt, dann doch weiterzumachen?

 

Es sind viele Dinge im nächsten, intimsten Umfeld der Band passiert: es gab tatsächlich einen Todesfall und Krankheiten – und zwar nicht zu knapp –, die alles in Frage stellten, und dann, quasi als Krönung obendrauf, hat Anna die Band verlassen – weil´s gerade unbequem war, nehme ich an – und das kommt dann alles zusammen und da denkt man sich irgendwann schon: „Och, weißte was—komm!“. Und dann hieß es halt: „Gut, entweder lassen wir´s bleiben – oder wir reißen jetzt noch mal richtig am Ruder!“. Und da haben wir verbliebenen Fünf uns in die Augen geguckt und am Ruder gerissen. Und dann stieß auch noch Saskia dazu und wir waren wieder komplett, und damit war dann auch wieder Fahrt auf dem Dampfer, sagen wir es mal so.

 

Umso schöner, dass es dann doch noch geklappt hat! Wo du es gerade schon ansprichst: ihr habt mit Saskia jetzt ja ein neues Mitglied. Ihr kanntet sie ja schon vorher – wie hat sich das dann ergeben, dass sie bei euch anfing und wie fügt sie sich bei euch ein? Da muss man sich ja auch erst ein bisschen neu aufeinander einstellen.

 

Mit dem Fortgang unserer Geigerine [sic] waren wir natürlich erst einmal darauf angewiesen, dass wir die Position im Live-Geschäft durch musikalische Gäste füllen. Das war ein ganzer Haufen an Menschen: Ally The Fiddle von Subway To Sally, Tobi von Fiddler´s Green und eben auch Saskia, die uns von besagtem Tobi empfohlen wurde. Ja, und dann hat sich das – also das war im Herbst 2017, als wir nur noch zu fünft waren --, da hat man sich das dann im Laufe des Jahres 2018 während der Tournee und der Open Airs alles angeschaut und es hat eigentlich in Wahrheit schon vom ersten Augenblick an gefunkt. Und dann haben wir ihr im Rahmen des 20-jährigen Jubiläums, bei dem wir ja in der Lanxess-Arena in Köln gespielt haben, einen Antrag gemacht und sie hat ja gesagt. Sie passt bei uns auch wirklich – ich sag´ das jetzt einfach mal so platt – so gut wie Arsch auf Eimer, sie fügt sich musikalisch und menschlich großartig ein und ist eine tolle Bereicherung für die Band.

 

Wo wir schon gerade dabei sind: hättet ihr euch bei alldem träumen lassen, dass ihr ein derart furioses Jubiläum haben werdet, wie die große Sause, die ihr im November in der Lanxess-Arena veranstaltet habt?

 

Erträumen lassen… erhofft haben wir es uns, das auf jeden Fall! In so einem Event steckt ja auch jahrelange Arbeit. Dass sich diese Hoffnung erfüllt hat und der Traum tatsächlich wahr wurde, ist dann natürlich umso schöner. Wobei ich einfach gestehen muss, dass ich so in meinem eigenen Film war während der Show, dass ich mir tatsächlich die Aufnahmen in Ton und Bild im Nachhinein anschauen musste, wie so ein Zuschauer, damit ich überhaupt wusste, was wir da eigentlich gemacht haben. Man ist da so in seiner Welt und hat seine eigenen Gedanken, nach dem Motto: „Hat die Birgit ihre Flöte, die sie jetzt im nächsten Lied braucht, schon oder muss ich die Ansage noch um zwei Sätze verlängern? Welchen Gastmusiker sage ich jetzt an? Habe ich die richtige Gitarre in der Hand?“ Also ich war komplett in meinem Film und als das Konzert vorbei war, wusste ich nicht mehr, was ich gemacht habe und freute mich umso mehr, dass da ein paar Kameras aufgestellt waren und ich es mir hinterher angucken konnte. [Er lacht].

 

Du sprichst von jahrelanger Vorbereitung – wie lange dauert die Planung für so ein Event?

 

Hm, also vom ersten Blocken des Termins an … damit geht es ja normalerweise los, die Lanxess-Arena wartet ja nicht auf jemanden, sondern vergibt ihre Termine oft bis zu drei Jahre im Voraus. Das heißt, da muss man sich schon trauen und sagen „Okay, wir machen die Lanxess-Arena!“ und das heißt dann auch: wir brauchen schon ein paar Leute die dahin kommen, sonst gehen wir den Bach runter. Dann geht man hin und blockt den Termin, so geht es los. Und dann muss man sich überlegen, was man machen möchte, wie man das gestaltet, frühzeitig Leute anfragen, wenn man Gäste haben will – die haben ja auch anderes zu tun, als ihre Terminkalender für uns freizuhalten. Und dann natürlich auch die musikalische Vorbereitung: wir haben drei Stunden gespielt, haben nebenbei auch noch ein paar Sachen zu tun, wie neue Lieder schreiben, ins Studio gehen, eine neue Platte aufzunehmen oder Konzerte zu geben und parallel dazu – sozusagen in unserer Freizeit, höhö – haben wir dann halt natürlich geprobt wie die Wilden, um unsere 30, 40 Lieder, die wir vorbereitet hatten, an den Start bringen zu können. Joah, es war nicht langweilig, sagen wir mal so! [Er lacht].

 

Kommen wir noch einmal auf das Album zurück. Zunächst einmal das alleroffensichtlichste: warum gerade die Artus-Thematik?

 

Im Laufe des Schreibens kristallisierte sich heraus, dass sich gleich drei Lieder mit dem Thema beschäftigen und dann fanden wir „Artus“ auch einfach griffig – ein einziges Wort, aber jeder weiß sofort, was gemeint ist und wer gemeint ist und weiß, wo er es einzuordnen hat. Es ist eine schöne Thematik, eine schöne Legende und ja, es macht ´nen schmalen Fuß – das Wort an sich finde ich schon geil.

 

Ihr sprecht im Booklet auch an, dass ihr euch im Laufe dieser dunklen Phase zwischen dem letzten und dem neuen Album ein bisschen wie eine verschworene Gemeinschaft gefühlt habt, also ein bisschen wie die Ritter der Tafelrunde – hat das auch eine Rolle gespielt?

Auf jeden Fall, das ist ja auch das, was einen so besonders fasziniert an dieser Mythologie. Über die Person an sich und die tatsächlichen historischen Hintergründe lässt sich ja vortrefflich streiten, weil man da eigentlich kaum etwas weiß, entsprechend ist da viel Raum für Interpretation und die Mythen und Sagen, die uns überliefert wurden, sind ja den Fantasien der damaligen… Dichter, sag ich mal, entsprungen, und was da ganz klar transportiert wird, ist dieser Geist des Zusammenhaltens: alle für einen, alle zusammen an einem Strang ziehen, für die eine Sache brennen – das ist es ja, was da so ein bisschen die Gänsehaut entstehen lässt. Und das war auch das, was wir gefühlt haben, das steht also auch ganz gut für die Band. Wenn man da so zwanzig Jahre vor sich hinwurschtelt, geht einem auch so das eine oder andere verloren – nicht in dem Sinne, dass man es nicht mehr braucht oder nicht mehr gerne hätte, sondern es schleicht sich Routine ein. Routine ist ja grundsätzlich etwas Gutes, je routinierter ich bin, desto besser funktioniere ich, aber wenn das … ich nenne es mal „böse“ Routine ist, die sich einschleicht, die einen so ein bisschen… wurschtig werden lässt, sag ich mal… Das beschreibt ganz gut, was bei „Artus“ bei uns passiert ist und woraufhin wir dann in unserem Stall einen großen Kehraus gemacht haben und komplett mit neuen Gedanken und neuer Mannschaft an das neue Album herangegangen sind.

 

Steckt auch ein kleines Stückchen Gesellschaftskritik mit drin? In „Die Insel“ schildert ihr ja Avalon als Ideal des paradiesischen Garten Edens und sprecht Artus an, der dort als schlafender Retterkönig ruhen soll und zurückkehrt, wenn die Zeiten dunkel sind. Im Refrain heißt es „Ich glaube, diese Zeiten sind nah.“

 

Ja, das kann man so verstehen, natürlich. Das ist ja fast schon ein kindlicher Traum, dass die Mama oder der Papa kommt und alles richtet, so wie früher – das wird natürlich ein hehrer Wunschtraum bleiben, aber der Gedanke an und für sich ist schön: dass Artus wie in den Sagen beschrieben eben nur schläft auf der Insel, nicht tot ist, und wenn das Volk in Gefahr ist, dann kommt er zurück und macht alles wieder gut, so wie Papa früher. Das ist ein schöner Traum, davon bekomme ich Gänsehaut. Und träumen darf man ja, gerade bei uns – dafür sind wir da. Gesellschaftlich sind hier und da eindeutig die Feuer am Brennen – die stinken schon ziemlich und rauchen—, das gefällt mir gar nicht. Das geht europaweit, weltweit in Wahrheit, und das ist nicht nur die Gesellschaft, da brauchen wir jetzt ja nichts schönzureden. Es gibt eigentlich viel zu tun – es wird viel zu viel debattiert, über die Leute, die etwas sagen oder wer wann wo etwas sagt, als dass man sich tatsächlich Gedanken darum macht, was die Leute eigentlich sagen und was es tatsächlich zu tun gilt. Gut, dass kann man in einem Liedchen einer Unterhaltungsband natürlich nicht zusammenfassen, aber ich sag mal so: die in dem Lied angesprochene Bedrohung, die herrscht durchaus, und zwar aus allen Ecken.

 

Ihr geht dabei ja ohnehin erfreulich subtil zu Werk.

 

Wie gesagt, wir sind ja eine Unterhaltungsband. Jeder sollte die Möglichkeit haben, abzuschalten und in die Welt, die er sich gerade vorstellt, entfleuchen und dem Alltag entfliehen zu können. Man hat die Option, zwischen den Zeilen zu lesen, man muss es aber nicht.

 

Es gibt auch Kollegen in der Szene, die das teilweise anders sehen…

 

Die hauen ein bisschen deutlicher drauf, aber das ist vielleicht auch… Das muss es auch geben, definitiv. Weil es bei manchen Leuten halt nicht nur so ist, dass sie nicht zwischen den Zeilen lesen, sondern dass sie auch gar nicht in der Lage dazu wären, es zu tun. Da muss man dann schon etwas deutlicher auf den Tisch hauen. Aber ich stehe auch durchaus mehr auf Subtilität und deshalb mache ich das auch so.

 

Ihr seid in euren Videos gerne sehr kreativ und habt jetzt beispielsweise bei „Der Totengräber“ die Puppen tanzen lassen und bei „Froschkönig“ eine Linolschnitt-Optik gewählt. Wie kommt ihr auf solche Ideen?

Da muss man fairerweise Tommy Krappweis die Ehre zugestehen, der hat sich diesen Blödsinn einfallen lassen und es ist riesig geworden. Tommy Krappweis kennt man ja beispielsweise als Erfinder von Bernd das Brot, und wir haben seine Filmfirma und seine ganze Crew beauftragt, weil wir sie schon aus früheren Zeiten kennen und sie uns gut Freund geworden sind. Also haben wir ihnen die Lieder, bei denen wir dachten, da könnte man vielleicht was draus machen, geschickt und die haben sich darüber dann Gedanken gemacht. Das Ergebnis waren diese hochgradig witzigen, subtil bösen Umsetzungen, die wir ziemlich feiern. Bei den Puppen war Stefan, unser Drummer, der einzige, der beim Dreh dabei war, weil er aus Interesse vorbeigefahren ist und das Ganze daher hautnah mitbekommen hat—der Rest von uns hat dann auch erst das fertige Endresultat zu sehen bekommen und ich lag am Boden vor Lachen.

 

Wo wir schon gerade beim Thema sind: darf man sich eigentlich noch mal auf solch eine großartige Zusammenarbeit wie die mit Bernd das Brot freuen?

 

Also wir sagen niemals nie, aber das liegt natürlich nicht in unserer Hand. Da haben die Jungs, die das für den KiKa produzieren, ja Vorgaben, also ein Prinzip, nach dem vorgegangen wird—zu dem Zeitpunkt gab es eine ganze Serie mit Kapellen, mit denen sie zusammengearbeitet haben. Ob Bernd sich mal wieder auf die Reise begibt, um irgendwelche Konzerte zu besuchen, steht daher in den Sternen, aber ich denke mal, grundsätzlich hat da niemand etwas dagegen. Mal gucken, wie Bernd drauf ist. [Er lacht.] Also es ist tatsächlich so: wenn so überhaupt nichts läuft und man eigentlich schon längst ins Bett gehört, dann schaltet man doch tatsächlich sehr gerne auf den KiKa und guckt sich Bernd an. Das ist einfach hochgradiger Erwachsenenhumor. Dann schaut man sich so zwei, drei, vier Schleifen an und hat dann doch noch eine Stunde vor dem Fernseher gesessen und beömmelt sich – also ich mag Bernd. Der hat den trockenen Humor, der mir gefällt.

 

Um nochmal auf Artus, die Tafelrunde und den Gral zurückzukommen: ihr habt auf dem Album die Artus-Trilogie ja relativ am Ende platziert und quasi als Abschluss danach kommt „Der Weisse Wal“. Hattet ihr dabei auch einen gewissen inhaltlichen Transfer im Sinne gehabt? Man könnte ja sagen, dass es in beiden Geschichten auch ein Stück weit um eine gewisse Besessenheit von etwas geht: bei Artus um die Suche nach dem Grahl, bei Melville um Ahabs Besessenheit von Moby Dick. War das beabsichtigt?

 

Das kann man durchaus so sehen, aber es war in diesem Sinne eigentlich nicht beabsichtigt—also nicht in der Hinsicht, dass wir uns thematisch abgestimmt haben. Für uns war „Der Weisse Wal“ einfach musikalisch der passendste Abschluss, wenn man die Platte so durchlaufen lässt und dann hinten dieses Ausplätschern mit im Nirvana verschwindenden Geräuschen kommt – diese Walgesänge und das alles, das war für uns beim Durchhören, als wir die Reihenfolge festgelegt haben, der Punkt, an dem man dann mit dem Kopfhörer auf der Couch weggedämmert ist. Es war einfach musikalisch und von der Dramaturgie her der perfekte Abschluss des Albums. Und das, was du jetzt hineininterpretierst – also jetzt wo du es sagst: ja, natürlich haben wir uns das gedacht! [Er lacht].

Wie erstellt ihr denn normalerweise eure Tracklists? Setzt ihr euch am Ende zusammen, hört euch alles an und diskutiert dann aus, was ihr an welcher Position am Besten findet?

 

Das läuft schon so halb nebenbei, weil ja jeder jeden Song in jedem Produktionsstadium hört und jedes Mal nimmt man die Aufnahmen dann auch mit nach Hause und hört daher viele hundert Mal jedes Lied, bevor die CD überhaupt fertig ist. Also eigentlich hängt einem das Ganze dann schon irgendwann eher zum Hals raus. Und in dieser Zeit merkt man, wie die Songs aufeinander reagieren. Da kristallisiert sich das dann heraus und erstaunlicherweise stimmt es bei uns sechs Leuten am Ende auch meistens überein. Da kann es dann so verkehrt nicht sein, obwohl jeder erst mal für sich hört. Aber dem wird eigentlich fast schon viel zu viel Aufmerksamkeit gewidmet, weil es ja gar nicht mehr so wichtig ist – wer hört denn heute noch ein Album…

 

Ich.

Ja, ich auch, aber da gehören wir inzwischen wohl tatsächlich eher zu einer aussterbenden Spezies– leider. Die meisten hören irgendwelche Random-geschalteten Playlists. Aber wir machen uns jedenfalls die Gedanken und haben das schöne Gefühl, dass, wenn jemand sich die Zeit nimmt und das Album tatsächlich am Stück hört, das Ganze dann auch in sich stimmig ist.

 

Und damit man das auch tut, habt ihr euch ja extra noch ein schönes Schmankerl ausgedacht und zusätzlich eine orchestrale Version der Artus-Trilogie als Bonus mit draufgepackt.

 

Ja, das ist wirklich großartig geworden! Die Frage war eben: was macht man denn nun als Schmankerl? Da bot sich die Artus-Trilogie an, weil man mit drei Stücken am Stück natürlich auch einfach eine längere Geschichte erzählen kann. Außerdem sind es natürlich auch große, heroische Themen, also haben wir uns gedacht: „Alter, da muss Filmmusik her!“. Wir haben einen sehr guten Freund, der mit so etwas sein Geld verdient, der also für Computerspiele und Filme den Soundtrack baut, und der hat sich die Lieder angehört und hat direkt gesagt: „Ja, da habe ich ja schon tausend Ideen!“. Dann hat er sich zurückgezogen und hat in seinem stillen Kämmerlein daran gebastelt und als ich das Ergebnis dann zum ersten Mal gehört habe, hatte ich Pipi in den Augen, das kann ich nicht anders sagen. Es ist auch etwas, zu dem ich perfekt arbeiten kann, wenn ich zum Beispiel irgendetwas schreibe – wenn ich da Musik mit Text höre, dann ist das immer ablenkend, aber so etwas Instrumentales, das auch noch so opulent und orchestral ist, das höre ich mir tatsächlich an, wenn ich arbeiten will. Da läuft das dann im Hintergrund und entführt mich direkt an ein ganz großes Set, irgendwo in Los Angeles. Also ich bin hochzufrieden damit. Jetzt haben wir leider Gottes diese Idee auch schon verbraucht, aber meinetwegen könnten wir das auch bei jeder Platte machen—ich stehe voll auf sowas!

 

Gibt es auf dem Album einen Song, der dir ganz besonders am Herzen liegt?

 

Oh, das ist schwierig. Ich bin im Moment einfach noch viel zu nahe dran, um da schon etwas sagen zu können—frag mich in einem Jahr nochmal! Ich stehe noch viel zu nahe am Gemälde und sehe nur die einzelnen Farbkleckse, ich müsste erst mal ein paar Schritte zurückgehen, um das ganze Bild in den Blick zu bekommen. Aber die Artus-Trilogie ist schon etwas Besonderes. Sie geht nicht sofort ins Ohr, man muss ihr schon ein paar Durchläufe geben, aber dafür ist sie dann meines Erachtens vom Geschmack her nachhaltiger. Und das dann noch mit Camelot, also der Orchesterversion obendrauf – das ist dann für mich schon ein Brecher, auf den man auch durchaus Stolz ist.

 

Das Mittelalter boomt in letzter Zeit, sowohl musikalisch als auch in anderer Form, wie zum Beispiel in Gestalt von Mittelaltermärkten. Wie würdest du dir das erklären bzw. wie siehst du das?

Ich finde das eigentlich sogar ziemlich logisch. Das ging meiner Meinung nach los mit den Herr der Ringe-Filmen und der ganzen Harry Potter-Geschichte. Ich glaube ehrlich gesagt tatsächlich, dass uns die in unserer Gesellschaft herrschende Geschwindigkeit zunehmend überholt – wir leben so schnell, dass es die Menschen zunehmend danach dürstet, mal eine Auszeit zu haben. Das kann man natürlich böse eine Alltagsflucht nennen, aber ich persönlich halte es als Auszeit für durchaus wichtig – mal für die Dauer von zwei Stunden vor der Bühne oder die Stunde, die man sich eine CD anhört oder einen schönen Film anguckt, diesen Alltag einfach auszuschalten. Natürlich nicht historisch belegte Begebenheiten des Mittelalters mit all seinen Krankheiten, dem Dreck und dem Tod, sondern diese schöne idealisierte, romantisierte Form von Mittelerde – oder was auch immer wir uns da jeweils für Geschichten rauspicken. Und gerade Mittelaltermärkte passen da sehr gut rein: da kann man sich einfach mal für die Dauer eines Wochenendes ein bisschen anders anziehen, statt der Bankangestellten mal plötzlich die Prinzessin sein, oder bei Live-Rollenspielen mit Schwert und Schild durch den Wald rennen und sich gegenseitig blaue Flecken verpassen. Es ist einfach eine Gelegenheit, der Fantasie mal freien Lauf zu lassen und ich denke es ist eine der Reaktionen auf die Hochgeschwindigkeit, die hierzulande herrscht.

 

Ihr seid ja alle ziemlich umtriebig. Gibt es denn zum Beispiel auch mal wieder Pläne für Weto?

 

Weto ist nicht tot – Weto schläft, und wie lange dieser Schlaf anhält, das weiß ich auch nicht genau. Momentan gilt einfach eher „Schuster bleib bei deinem Leisten!“. Weto ist ein Spaß – wenn einem droht, langweilig zu werden, wenn die Muse einen dahingehend küsst, dass man mal nicht von Prinzessinnen und Rittern erzählen möchte, sondern von knallharten Fakten, dann wird es Weto geben, aber da steht jetzt gerade nichts ins Haus und deshalb lassen wir es im Moment ruhen. Uns zwingt ja keiner.

 

Das heißt, Weto funktioniert ein bisschen als dein lyrisches Alter Ego, mit dem du andere Themenbereiche abdecken kannst, wenn dir danach ist?

 

Durchaus, klar! Die Themen, die wir bei Weto angeschnitten haben, kann man dem Schandmaul-Publikum nicht anbieten und umgekehrt. Es gibt zwar eine kleine Schnittmenge, aber das hat dann glaube ich eher mit den Mitgliedern der Kapelle zu tun. Wenn wir da mal im Bild bleiben, dass man sich eine kleine Auszeit von der schnell lebigen Gesellschaft gönnt, dann passt dieses gesellschaftskritische Moment von Weto da nicht so gut hinein.

 

Und wie sieht es mit eurer Arbeit im Kinderlied-Bereich aus? Habt ihr grundsätzlich vor, euch da weiter zu betätigen, wenn es denn zeitlich passt?

 

Genau, wenn es denn zeitlich passt – da lassen wir jetzt auch lieber mal die Kirche im Dorf, im Sinnen von „Sag niemals nie!“. Das ist jetzt gerade neu aufgelegt worden, das Buch ist wieder da – das Hörspiel und die Lieder – und es ist ursprünglich quasi entstanden, weil uns die gängigen Kinderlieder irgendwann auf den Sack gegangen sind, weil man sie zwangsläufig durch den eigenen Nachwuchs immer wieder hören musste. Also haben wir gedacht, da machen wir doch lieber mal was Eigenes. Das ist ein Longrunner – so ein normales Album ist nach zwei Jahren alt, da muss dann ein neues her, ein Kinderbuch dagegen wird ewig jung bleiben, weil es immer wieder an die nächste Generation weitergereicht werden kann. Ob es dann irgendwann noch einmal eine Fortsetzung gibt… vielleicht!

 

Gibt es denn noch irgendetwas, das dir auf der Seele brennt und das du unseren Lesern unbedingt mitteilen möchtest?

 

Wir sind jetzt erst mal auf den Open Airs unterwegs und spielen uns warm, und  im Herbst sind wir dann auf Tournee, also alle, die das hier lesen, sollen ihren Arsch bewegen und uns besuchen kommen! Wir kommen in eure Nähe und – versprochen! – wir machen Spaß!

 

Vielen Dank für das Interview, Thomas!