Interview:

2019-07-09 Listening Session: Endseeker – The Harvest

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Stellt euch vor, ein smarter Autoverkäufer trifft einen irren Forscher und einen peniblen Professor. Dazu gesellen sich ein bärtiger Biker und zwei fröhliche Biertrinker. Gemeinsam ziehen sie los und treffen auf einen jungdynamischen Unternehmer. Jaja - das könnten ENDSEEKER sein. Wir trafen die Hamburger Death-Metaller auf ihrer Listening Session in der heimischen Hansestadt. Und machten beim wundervollen PROTZEN OPEN AIR 2019 ein paar Bilder.Interview

Die Hamburger Death-Metal-Band ENDSEEKER lud zur Release-Session ihres 2019er-Albums „The Harvest“ in die bekannten Chameleon Studios zu Ex-Dark-Ager-Eike Freese. Anwesend waren neben den geladenen Journalisten und dem Studiobesitzer himself, die gesamte Band und Metal-Blade-Mann Bart. Eike begrüßte: „Nach einem Monat mit viel Bier und Arbeit ist das Master frisch fertig geworden, es war eine Punktlandung“, stöhnte er und adelte Gitarrist Jury zum Professor: „Er ist so detailversessen. Wer kein Jura-Studium in Schweden-Death-Metal absolviert hat, kommt schwer klar. Der Gitarrensound ist sooo stilprägend. Alle Frequenzen, die einen bei Kinderschreien stressen, sind da verzehnfacht drin. Die Gitarristen möchten jeden einzelnen Sound hören. Nach sieben Stunden Feilerei an einem Lied sagt Jury: „Jetzt sind wir ganz dicht dran, es kann aber noch mehr kratzen oben rum. Stell dir vor, du kaufst ein Auto in Bordeaux-Rot – beim Kauf super, wenn die Sonne untergeht, ändert sich die Farbe und du sagst „oje“. Aber am Ende des Tages zählt: Du hast das richtige Auto bestellt.“ HM2-Professor Jury bekräftigt: „Wir haben viel am Sound getüftelt  – Amps anders aufgestellt und anders eingestellt, spielen jetzt ein HM2-Klone. Es ist bleibt Schwedentod, aber so artikuliert wie möglich.“ Vorweggenommenes Fazit: Es hat beides geklappt. Es ist Schwedentod und die richtige Karre! Sänger Lenny übernahm wie üblich die inhaltliche Beschreibung der Songs, Gitarrist Jury die musikalische - Song für Song:

Parricide:
Lenny guckte sich die Tiefseeanglerfische an und entdeckte komisches Paarungsverhalten. Sexualdimorphismus, kleines Männchen, großes Weibchen. Das angelockte Männchen beißt sich rein, wird von der Frau überwachsen. Er ist inkorporiert, die Blutströme verbinden sich und das Sperma läuft. Einfach so. „Faszinierend. Sein Leben aufzugeben, um eine kleine Spermapumpe zu werden“, staunt Lenny. Größer betrachtet geht es natürlich um zwischenmenschliche Beziehungen. Musikalisch bietet der Song einen Kontrapunkt zum Beginn des vorherigen Album. Das Gewehr ist gleich durchgeladen und es macht bumm!
Fazit: Es ballert. Es rummst. Es ist geil.

Pulse:
Ein schlauer Kopf erschafft eine tödliche Kreatur zur Zerstörung der Welt. „Ein Zerstörungssong“, sagt Lenny.  „Ein typischer Song mit Einflüssen von Slayer bis Dismember“, sagt Jury.
„UUUUUäää“ sagt der Zuhörer, zitiert und übersetzt: „Eine Waffe wie eine Atombombe.“

Cure:
„Wir alle kennen es, dass wir ausgelaugt sind, wir kriegen grauen Haut-Teint, sogar Burn-Out. Netflix macht keinen Spaß mehr“, schwadroniert Lenny. Und erinnert sich an eine Spielshow: Zwei Kandidaten ließen sich vorher Fleisch entfernen und mussten die Fetzen des anderen essen. Beeindruckend widerlich. Lenny erinnert sogleich an die Eigen-Urin-Therapie. Und erfindet die „Eigen-Fleisch-Therapie“: Wem es schlecht geht, der fängt an sich selbst aufzuessen.  Am Ende ist er glücklich, aber eben auch tot und ein Skelett. Musikalisch ist das der Rocker auf der Pladde. Meint Jury und sagt: „Wir entwickeln uns auch weiter, in der Band, in ihrer Dynamik. Ben und ich arbeiten perfekt zusammen. Bens Motorradfahrer-Riffs und meine rausgeschleuderten Melodien ergeben einen meiner Lieblingssongs. Unverkopft und cool.“ In einem romantischen Augenblick fanden Lenny und Ben zueinander – das führte zu Lennys „Duett“ mit Ben.
Wir meinen: Sehr abwechslungsreich!

Spiritual Euphoria:
„Der Song schlägt also in eine andere Kerbe – weiter ENDSEEKER bleiben, weiterballern HM2. Aber es soll spannend werden.“ Derweil muss Basser Eggert pinkeln und Bier holen.  Lenny überbrückt die Pause: Der Song wird die erste EP-Auskoppelung und ein Video ist die Truppe im Rohschnitt – der auch sogleich vorgestellt wird (und inzwischen fertig ist: Bitte hier fürs Video klicken). Inhaltlich geht es in die Hölle mit Satanspriester Lenny.
Metal-Inside warnt: Atmosphärisch hat der sehr vielseitige Song einen leichten Black-Metal-Einschlag wegen echt düsterer Stimmung. Und mit einem irren Priester/Sänger/wasweißich...

Whores of War:
Ein Kriegssong, für die Gesellschaft und Leute, die sich an Geld aufgeilen und alles andere scheißegal ist.  Jury freut sich total, mit Ben zusammengewachsen zu sein: „Anfangs waren ENESEEKER ein Brainchild, alle haben ihren Beitrag geliefert, aber jetzt stimmt es einfach noch mehr. Ben und ich haben uns zusammengesetzt, richtig akribisch. Der Song war einer des Demos „Richtig geil“, pflichtet Metal-Blade-Bart bei.
Und auch Metal Inside sagt: „Ein tolles, schweres Midtempo-Ding, ein grooviger Brecher.“

The Harvest:
„Der Song, der alles hat, der Hit, endlich ein Hit. Herbststimmung! Jetzt ist Erntezeit! Und wer hat am meisten geschafft? Der Tod! Er war am effizientesten“, lautet Lennys Zusammenfassung der Textidee. Der Text stammt von Ben und Lenny, eine absolute Premiere. Jury steigert sich weiter rein: „Absolutes Highlight, ich will den ewig im Liveset haben. Er hat alles, was ich mir erträume. Grave, Soulless, Slayer, Dismember, Entombed und ganz viel wir. Viel reingesteckt, Gemeinschaftsarbeit. Ich liebe den Song.“
MI-Fazit: Der Song rattert wie ein Trecker mit 8000 PS.

Epitomy of Decadence:
Lennys Geschichte aus der Antike: „Purpur wurde damals aus Wasserschnecken hergestellt. Eingesammelt wurden sie zu tausenden und umgebracht, ihnen die Gedärme entzogen. Und mit Urin verfeinert. Weil sich die Farbe nur so an der Kleidung hielt. Was gibt es Dekadenteres? Hunderttausende Kreaturen sterben, damit andere etwas Exklusives tragen können. Daran musste ich auch bei der Europawahl denken. Wenn Menschen komplett an der Mehrzahl der Menschen vorbei leben. Froh, dass ich ein Ventil gefunden habe, mir den Frust von der Seele zu schreiben.“ Jury findet mal wieder, dass der Groover gen Slayer wildert, zumindest im Refrain. Und sagt, dass er auf Corpsessed steht, auch, wenn der Song anders klingt: Finnen-Vibe meets Slayer „Slayer hör ich da nicht raus“, sagt Basser Eggert.
Prognose: Viele Überraschungen, Blut und Terror im Elfenbeinturm.

Immortalized:
Lenny hörte, es sei gelungen, ein isoliertes Schweinegehirn vier Stunden am Leben zu erhalten. Das fand er gut. Und ersann eine schöne Variante für das eigene Bewusstsein – Einsamkeit ohne Sinnesorgane. Und fragt: „Soll man sich darüber freuen?“ Es war der erste Song, den ENDSEEKER für das neue Album geschrieben haben, er war auch auf dem Demo. Und Barts (ihr wisst, der Metal-Blade-Mitarbeiter) Lieblingssong, auch, weil er ihn an Darkane erinnerte.
Fazit: Ein Song wie eine Kettensäge, mit einem eingängigen Refrain mit viel Melodie und ein bisschen Black-Metal-Feeling. Ganz bisschen. Macht Laune, man darf aber keine Angst im Dunkeln haben.

Vicious Devourer:
Modell gestanden hat ein Frosch im Terrarium. Der hungrige Frosch bekam zu fressen: Kleine Heuschrecken, Skorpion, Schlange, alles fraß er weg! Das erinnerte Lenny an weltlichen Konsum, der nie gestillt wird. Der Song endet damit, dass der fette Frosch nicht mehr essen kann. Und dann kommt die Hand, die ihn gefüttert hat – und er wird selbst verspeist. Für Jury ist das „Animal Death Metal“, der Song war auch auf dem Demo.
Die "Redaktion" findet: Der bunteste Song, viel Melodie und viele Einfälle und ganz schön dolle.

Symphony Of Destruction (Bonus-Track):
Die Gruppe lud Grave-Axtschwinger Mika Lagrén ein, um Marty Friedmans Solopart in ihrer Coverversion von Megadeths ‚Symphony Of Destruction‘ zu übernehmen. „Nach unserer Interpretation von Entombeds ‚Supposed To Rot‘ und ‚Powder Burns‘ von Bolt Thrower wollten wir diesmal keinen Death-Metal-Song nachspielen“, sagt Jury. Warum ein anderer Gitarrist? Ben erklärt: „Viel zu schwer, wir waren viel zu grobmotorisch.“
Metal Inside findet es eine gute Idee, Mustaines Hit zu covern. Und wie geil brummt der Bass!

Fazit: Mit „The Harvest“ machen ENDSEEKER tatsächlich den viel zitierten Schritt nach vorn, knicken dabei aber nicht um. Sie bleiben sich und ihrem vorrangig Schweden- und HM2-inspirierten Sound treu, entwickeln ihn aber vorsichtig weiter. Das Grunzen bleibt schweinisch, dennoch sind viele Textpassagen zu verstehen und Lenny überrascht sogar mit klarem Gesang. Die Gitarren braten wie eh und je, bieten aber auch enormes Melodievolumen. Kummers Drumming klingt wesentlich aufwändiger, erfüllt aber dampframmig seinen Zweck. Genau wie Eggerts Bass. Gute Jungs, gutes Album! Das kommt am 13. September in der Standardversion mit neun Songs. Im Juli macht eine EP mit Megadeths-Coverversion den Vorboten, die Digi-Pack-Version der fast 45minütigen CD enthält neben den etatmäßigen Songs ebenfalls die „Symphony of Destruction“.

 



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