Interview:

2005-01-02 Kreator

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"Enemy Of God" kann das Album des blutjungen Jahres werden. Rechtzeitig im voraus hatten wir Gelegenheit, mit Gitarrist und Frontmann Mille Petrozza und Produzent Andy Sneap zu sprechen. Das Interview mit Mille fand einige Stunden nach dem mit Andy statt, und er räumt darin mit Legenden auf und macht Appetit auf die kommende Tour.InterviewHallo Mille, hat es Spaß gemacht, so ein Oldschool-Album aufzunehmen?


Ja. Sonst würde ich es ja nicht machen. "Enemy of God", dieses Album hat schon ziemlich viel Spaß gemacht. Vor allen Dingen da wir einfach dieses Mal versucht haben, auch alles so zu machen, dass es nicht Oldschool im Sinne von Oldschool ist. Also: Es ist nicht "retro" im Sinne von "schon mal gehört". Wir haben stattdessen versucht, es so zu machen, dass es trotzdem noch relevant für die heutige Zeit ist und aufregend ist für die Leute, die es hören.


Ich finde es ja witzig, dass ihr ausgerechnet Andy Sneap als Produzenten genommen habt. Andy hat die vorausschauendsten Alben der letzten Jahre produziert, und freut sich einen Keks, dass er mit euch ein richtiges Thrash-Album machen kann.


Geil. Er ist ja auch aus unserer Generation.


Ja, natürlich ist er das, aber...


Andy Sneap ist mittlerweile Mitte 20.


Mitte 20. Schon wieder.


Ja, und von daher... Wir kommen aus dem gleichen Umfeld. Er hat dieselben Lieblingsbands wie ich. Diese Aufnahmesessions hatten wir für ein paar Tage unterbrechen müssen und er hat uns zum Download-Festival begleitet. Dort haben die ganzen alten Helden gespielt, und wir haben beide uns sehr gut amüsiert.


Wer waren deine persönlichen Helden?


Ach, was weiß ich, halt die ganzen Oldschool-Bands eben von früher. Was soll ich sagen...


Sag mal drei Namen:


Wahrscheinlich CELTIC FROST, POSSESSED und von METALLICA die ganz alten Sachen, nicht die neuen. Und dann diese ganzen alten Bay Area-Bands: TESTAMENT, SLAYER - also die Sachen, mit denen wir beide aufgewachsen sind. Da haben Andy und ich ein stilles Verständnis. Auch MAIDEN. Eigentlich war MAIDEN "meine" erste Metal-Band. Durch Andy manifestiert sich das, der ist sogar noch räumlich aus der gleichen Ecke. Andy Sneap kommt aus England und er hat einen ganz anderen Bezug zu dieser Musik, er kennt MAIDEN ganz anders. Die Melodien von MAIDEN, das ist klassisch englisch. Wir haben da einen Super-Bezugspunkt, wir brauchen kaum miteinander sprechen, wir verstehen uns blind.


Etwas ähnliches sagte er auch.

2001 wurde aus der Thrash-Renaissance eine Mega-Welle gemacht, DESTRUCTION, SODOM und ihr wart damals zusammen auf Tour. Was ist aus dieser Renaissance geworden?


Ich weiß nicht, was da hätte draus werden sollen?


Zunächst einmal wart ihr zu dritt auf Tour.


Die Tour war super. Aber es war ja nicht so, dass wir damals geheiratet haben. Das Ding ist einfach folgendes, diese Tour wurde oft zitiert, und viele Leute haben mich auch oft danach gefragt, "diese Tour da im Winter, blablabla." Und ich finde auch, diese Tour war auch wirklich wichtig für die Zeit, 2001/2002 war eine Super-Tour, und wir haben uns super amüsiert. Aber man darf nicht vergessen, dass die drei Bands, die da auf Tour waren, untereinander eigentlich total verschieden waren. Also es waren drei Bands aus der gleichen Epoche...


... und ihr kennt euch ja auch seit...


... und wir kennen uns seit 200.000 Jahren, wir haben zur gleichen Zeit begonnen. Allerdings ist weder Band A noch Band B noch Band C miteinander - wir können uns untereinander nicht vergleichen. Das einzige, das wir noch wirklich gemeinsam haben ist, dass wir irgendwo alle drei Bands extremen Metal spielen und wahrscheinlich auch zu der gleichen Zeit angefangen haben und auch die gleichen Einflüsse haben, aber alle drei Bands haben sich in völlig verschiedene Richtungen entwickelt. Und haben auch zum Teil eine völlig andere Auffassung und eine sehr unterschiedliche Attitüde zur Musik und deshalb hinkt hier jeder Vergleich völlig. Aber: Es war eine schöne Tour.


Nach all den Experimenten, die du in deinem Leben schon gemacht hast - wie ist das, jetzt mit deinem zweiten Gitarristen Sami Yli-Sirniö zusammen zu komponieren?


Macht Spaß! Sami ist ein Typ, der sich sehr gut in ein Bandkonzept eindenken kann. Das heißt, er - sein Ego - existiert sozusagen nicht. Er spielt songdienlich und macht das, was zur Band passt. Ohne sich dabei selbst zu limitieren. Und er hat auch völlige Freiheit bei KREATOR, und ich glaub, damit ist er auch ganz zufrieden. Das passt gut zwischen uns, das geht einfach. Das funktioniert ohne große Kommunikation.


Habt ihr euch MP3-Files hin und hergeschickt?


Nee. Ich schick ihm ab und zu mal CDs, nur mit den Drums drauf. Bei "Violent Revolution" kam er erst ganz am Ende dazu. Als alles schon aufgenommen war, hat er auf seinen Part die Solos aufgenommen. Dieses Mal war es anders: Wir haben zusammen geprobt, einmal in der Mitte, noch mal am Ende, und zwischendurch auch noch mal, und wir haben da zusammen die Sache ausgearbeitet. Ich glaube, dass das Konzept KREATOR den beteiligten Leuten eine Möglichkeit gibt, sich in bestem Licht darzustellen, und gleichzeitig noch den Bandsound nach vorne zu bringen. Und ich glaube, darum geht´s bei uns: Das jedes Einzelmitglied hundertprozentig er selbst sein kann.


Sami sagt, "Violent Revolution" sei fröhlich gegen "Enemy Of God".


Sami... (der Blick deutet schon fast Klassenkeile an). Wenn das seine Auffassung ist... (Mille lacht). Ja, ist schon so, das neue Album ist härter. Aber, und das ist mir wichtig, ohne nervig zu sein. Härter kann ja manchmal auch nerviger sein. Hart heißt ja nicht gleich gut. Unser neues Album ist hart im positiven Sinne. Also mitreißend hart, nicht penetrant hart. Meiner Meinung nach.


Musstest du in letzter Zeit neue Aggressionen ausdrücken? Oder warum ist das Album so düster geworden?


Nein, ich denke jetzt nicht, dass da irgend etwas bewusst eingeflossen ist. Künstler denken... Das ist jetzt wahrscheinlich schwer zu vermitteln, aber ich glaube, Musik ist eine Sache, bei der viel im Unterbewusstsein abläuft. Also auch Kompositionen, die entstehen nicht zuerst im Kopf.


Ja, aber du bist schon ein Mensch, der sehr reflektiert.


Ja, aber Inspiration ist nicht greifbar. Ich kann nicht sagen, "ich habe es jetzt deshalb gemacht..." oder "der Grund, warum dieser Song jetzt so und so ist, ist weil ich da und da das und das gehört habe".


Nein, ihr macht ja weder MathCore noch Prog, so meinte ich das nicht.


Eben, genau. Ich glaube einfach, dass da viel im Unterbewusstsein passiert. Und dann erst so etwas wie Reflektion. Man macht so eine Art Bestandsaufnahme der jeweiligen Zeit, in der du deine Musik aufnimmst, du versuchst das irgendwie einzufangen und auch akustisch umzusetzen. Hört sich jetzt alles ziemlich kompliziert an, ist aber eigentlich gar nicht so schlimm. Im Prinzip ist man auch nur jemand, schreibt irgendwelche Songs, wo du denkst die könnten jemandem anderen gefallen. Also wenn ich mir jetzt von einer anderen Band ein Album kaufen würde, und es wären diese Songs drauf, würde ich sie gut finden. Seit der letzten Platte hatten wir viel Kommunikation mit den Fans und eine Menge Live-Erfahrung. Diese Platte nun haben wir genau für eine Live-Situation geschrieben.


Apropos Live-Situation: Ihr geht mit DARK TRANQUILLITY auf Tour?


Ja.


Cool.


Magst du die?


Sehr.


Ich auch, ich finde die gut. Aber wir gehen auch mit HATESPHERE und EKTOMORF auf Tour.


Oh. Werdet ihr denn mit diesen Jungspunden jeden Tag mithalten können?


Na klar! (Nach einem langen, durchdringenden Blick:) Na, das wird schon gut. Wir nehmen uns gerne Bands mit, die auch gut sind. Wir haben damit Erfahrung, BIOHAZARD waren damals auch ziemlich stark, als wir die mitgenommen haben. Das war eine Herausforderung, danach auf die Bühne zu gehen und dann zu versuchen, noch mal einen draufzusetzen. Das spornt an. Und ich glaube, das ist ein guter Ansatz, um auf Tour zu gehen. Es macht keinen Sinn, unterwegs zu sein mit irgendwelchen Bands, die Scheiße sind. Vor allen Dingen macht es keinen Spaß. Das Publikum ist genervt und wartet nur auf den Headliner, das ist blöd. Ich glaube, es ist schon nett, wenn man ein gutes Paket hat, wo auch alle sagen, "ey, die Kombination von Bands möchte ich sehen". Da hat jeder Spaß dran.



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