Interview:

2020-05-07 Interview mit Vinz Clortho (LORD VIGO)

Band anzeigen
Mit ihrem dritten Album "Danse De Noir" haben die Rheinland-Pfälzer ein echtes Meisterstück von der Leine gelassen - epischer Doom, wie ihn selbst Harrison Ford im Jahr 2019 nicht besser hätte machen können. Grund genug, Sänger/Schlagzeuger Vinz Clortho über die Entstehung und die Hintergründe dieses Konzeptwerks auszufragen...Interview

Glückwunsch zum neuen Album! Ein ganz starker Output! Schaut man durch die Reaktionen der Presse und diverse Foren und Reviews im Internet, ist Euch mit „Danse De Noir“ ein ganz großer Wurf gelungen. Hattet Ihr auch das Gefühl, etwas Besonders erschaffen zu haben?

Naja, man ist ja als Musiker immer etwas am Zweifeln bzw. nicht sicher, wie neues Material angenommen wird. Bei LORD VIGO ist der unmittelbare Erfolg ja nie ein Kriterium, wenn wir neues Material schreiben. Aber natürlich ist es für uns eine große Bestätigung, wenn man sehr positives Feedback bekommt. Eigentlich war uns schon irgendwie klar, dass das neue Album etwas Besonderes ist. Es war alles sehr stimmig, vom Konzept bis zum Sound bis zur optischen Umsetzung. Ich denke, alle unserer zukünftigen Veröffentlichungen müssen sich jetzt an “Danse De Noir“ messen lassen. Genau das ist eigentlich unser Ziel, mit jeder Veröffentlichung die Messlatte etwas höher zu legen.

Ungewöhnlich für eine Doom Metal-Band ist das textliche „Blade Runner“-Szenario, welches Ihr auch perfekt in die Songs und Zwischenspiele einfließen lasst. Wer von Euch ist für dieses Konzept verantwortlich, oder beschäftigt Ihr Euch alle gerne mit Science Fiction und dazugehörigen Verfilmungen und Romanen?

Für das Konzept und das Sounddesign, wozu auch die Zwischensequenzen zählen, bin ich zuständig. Das textliche Konzept ist auch auf meinem Mist gewachsen, ich muss aber sagen, dass ich mich erst kurz vor dem Album näher mit „Blade Runner“ beschäftigt habe. Ich hatte das PC-Spiel mal Mitte der 90er Jahre gespielt. Davon gab´s ja kürzlich ein Remake, soweit ich weiß. Die eigentlichen Filmfreaks sind bei uns Andere in der Band. Ich mag „Star Wars“ und „Star Trek“, auch Serien wie „Zurück In Die Vergangenheit“. Wir wollen mit allen Mitteln versuchen, uns nicht ständig zu wiederholen bzw. das zu wiederholen, was tausend andere Bands vor uns schon umgesetzt hatten. Ich denke, wir haben da schon was recht Eigenständiges kreiert.

Natürlich schreit die Geschichte der Replikantin Nihlai nach einer textlichen Fortsetzung. Können wir uns diesbezüglich schon zurücklegen und auf der sicheren Seite fühlen, oder seid Ihr auch für neue Überraschungen gut?

Also Stand jetzt wird es keinen Nachfolger geben, zumindest wird es das nächste Album nicht. In der Regel wird die Fortsetzung nie so gut wie das Original. “Operation Mindcrime II“ war jetzt nicht unbedingt eine würdige Fortsetzung des Meisterwerks. Ich denke, wir bleiben auch beim nächsten Album weiterhin im SciFi-Sektor, aber es gibt noch keine Details zu vermelden, da wir momentan wegen der Kontaktsperre noch nicht proben. Das ändert sich aber hoffentlich in den nächsten Wochen. Wir beginnen dann gleich mit dem Songwriting fürs neue Album, man muss ja irgendwie im Gespräch bleiben. Es ist also noch alles offen, wir wissen selbst noch nicht, in welche Handlung es uns dieses Mal verschlägt.

Der Song „Verge Of Time“ erinnert sehr an Großwerke von BLACK SABBATH zu Zeiten von „Headless Cross“ oder „Tyr“. Würdet Ihr dies unterschreiben, und wie steht Ihr zum Ende von SABBATH?

Ja, das kann man so stehen lassen. Speziell „Headless Cross“ als Album find ich eines der stärksten Alben von BLACK SABBATH. Tony Martin ist ein fantastischer Sänger, natürlich auf eine andere Weise als Dio oder Ozzy. „Heaven And Hell“ ist übrigens mein Lieblingsalbum von SABBATH. Den Sound finde ich zwar etwas gewöhnungsbedürftig, aber mittlerweise muss es so klingen. Naja, das Ende von BLACK SABBATH war unumgänglich, und ich denke, noch zum richtigen Zeitpunkt. Sie haben das Ding mit Würde zu Ende gebracht ohne sich zu blamieren. Die letzten Alben habe ich jetzt nicht so auf dem Schirm, aber BLACK SABBATH gehören in den Olymp des Metals.

Der Gesang klingt auf der gesamten Scheibe sehr dominant und klar, das Ergebnis jedoch nicht aufgezwungen oder konstruiert. Habt Ihr sehr lange an den Gesangslinien gearbeitet, oder waren diese einfach da?

Oft entstehen die recht spontan beim arbeiten an den Demos. In der Regel arbeite ich allein am Gesang, und wir besprechen dann das Ergebnis in der darauffolgenden Probe. Manchmal braucht es natürlich ein paar Anläufe, bis die Vocal-Linien sitzen, aber es gibt sogar einige Aufnahmen, die First-Takes sind, also genau die Aufnahmen sind, die ich bei den allerersten Versuchen eingesungen habe. Oft kann man die nicht mehr so reproduzieren, und aus dem Grund landen oft einige dieser Aufnahmen später auf der fertigen Platte.

Wie lief die Vorbereitung für die Aufnahmen von „Dans De Noir“? Wurde wochenlang im Proberaum geackert, oder schiebt Ihr Euch bandintern nur Dateien über das Internet zu, jeder ergänzt seine Parts im stillen Zimmer, und das Endergebnis wird erst im Studio zusammengesetzt?

Nee, übers Netz laufen nur die Demos, die wir zusammen aufnehmen, damit sie jeder zu Hause mal durchhören kann. In der Regel treffen wir uns, fangen an, Riffs zu probieren und nehmen die Riffs dann gleich im Studio fertig auf. Es gibt bei uns also kein klassisches ins-Studio-Gehen, da wir eigentlich permanent im Studio proben und dort auch gleich aufnehmen können. Speziell bei den Vocals empfinde ich das als Vorteil, da es dort auch immer sehr auf die Tagesform ankommt. Ohne Zeitdruck an den Aufnahmen arbeiten zu können, empfinde ich als äußerst positiv, und ich denke, das hört man auch.

Ein leidiges Thema, aber es muss auch hier besprochen werden. Der Corona-Virus wird Eure Live-Promotion in diesem Jahr extrem behindern oder auch ganz unmöglich machen. Wie geht Ihr mit der Situation um, und wie sichert Ihr, dass „Danse De Noir“ die entsprechende Zielgruppe erreicht?

Naja, wir versuchen zumindest das Beste draus zu machen, indem wir weiter an unserer Live-Show feilen und demnächst wieder mit dem Songwriting starten werden. Live wollen wir mit Videoprojektionen, Nebel und Feuer so ziemlich das bieten, was bei großen Produktionen Stand der Technik ist. Wir müssen dabei natürlich drauf achten, dass alles transportabel bleibt und schnell auf- und abgebaut werden kann. Ich hab da ein spezielles System entwickelt, bei dem alles der Drummer mit zwei Klicks steuern kann, und dann läuft alles synchron zum Song ab. Wir sind da schon recht weit, ich bin gerade dabei, dafür zu sorgen, dass wir Feuer auch Indoor benutzen können, ohne dass die Gefahr besteht, dass etwas Feuer fängt. Wenn alles läuft, wird es ein Mal aufgebaut und abgefilmt, damit wir Veranstaltern zeigen können, was live umgesetzt wird. Das System ist modular, kann also auf die Gegebenheiten und Größen der Bühnen angepasst werden.

Apropos neue Zielgruppe. Dieses Jahr kommt ein langersehntes Computer bzw. Konsolenspiel  mit dem Namen „Cyberpunk“ auf den Markt, welches in einem ähnlichen Umfeld wie „Blade Runner“ spielt. Glaubt Ihr, durch Euer textliches Konzept auch begeisterte Computerspieler anlocken zu können,  oder ist dies eine Thematik, die für Euch keine Rolle spielt?

Das ist eine gute Frage, ich selbst bin in der Computerspielszene seit bestimmt 20 Jahren nimmer auf dem Laufenden. „Wing Commander III“ war glaub eines der letzten, die ich durchgespielt habe. Es wäre natürlich wünschenswert, wenn auch Leute außerhalb der Szene auf uns aufmerksam werden würden, aber dazu fehlt uns vielleicht etwas die Massenkompatibilität, bzw. das Budget um dafür Werbung zu machen. Ich denke, so manch Einer könnte sich auch dafür begeistern, aber es scheitert wohl schlicht und ergreifend daran, dass diese Leute gar nicht wissen, dass es uns oder unser Album gibt.

Welche aktuellen Bands stehen Euch musikalisch am Nächsten, und von welchen Bands werdet und wurdet Ihr beeinflusst?

Ich muss gestehen, ich kenne zwar ziemlich alle Namen der aktuellen Bands, aber ich komme einfach nicht dazu, irgendwas aktiv zu hören. Mehr als 15 Minuten hab ich pro Tag selten um aktiv was zu hören, und das ist auch meist nur die Fahrt von der Arbeit nach Hause. Wenn ich jeden Tag an Songs von Lord Vigo schraube, hab ich auch einfach keine große Energie, mich in etwas rein zu hören. Bei mir läuft eigentlich immer das, was auf dem USB-Stick im Auto ist, viel RUSH, CRIMSON GLORY, THIN LIZZY, MAIDEN usw. Von aktuellen Bands kenn ich eigentlich nur eine Scheibe von GHOST. Mich beeinflussen, denk ich, am meisten RUSH, VOIVOD und CRIMSON GLORY. Bei den Anderen fächert sich das ganz breit von Rock bis Death Metal. Ich denke, das hört man auch irgendwie bei LORD VIGO, es gibt drei Songwriter, die alle ihre Inspiration von anderen Sparten ziehen.

Ihr habt Euch mit jeder Veröffentlichung weiter ins Rampenlicht gekämpft. Wo seht Ihr Euch, wenn der Trubel um „Danse De Noir“ sich ein wenig gelegt hat, und wo wollt Ihr in Zukunft noch hin? Gibt es hier spezielle Pläne und Wunschträume?

Wunschtraum wäre natürlich, den Status zu haben, dass man auch ´ne kleine Headliner-Tour starten kann und dann Bühnen bekommt, auf denen wir unsere Live-Show umsetzten können. Auch wäre es natürlich super, wenn das eine oder andere Festival uns buchen würde, und man im Billing etwas nach oben rutscht. Wegen der momentanen Lage ist natürlich an sowas noch nicht zu denken, der Livesektor liegt komplett am Boden. Es bleibt nur zu hoffen, dass er sich wieder erholt, und die Clubs überleben. Einigen Clubs steht das Wasser ja mehr als nur bis zum Hals.

Habt Ihr noch immer einen aktiven Blick auf die Doom-Szene, und fühlt Ihr Euch diesem Genre und seiner kleinen aber sehr feinen Anhängerschaft stark verbunden?

Ich verfolge das immer durch diverse Magazine, und wenn ich auf Festivals bzw. Gigs andere Bands sehe. Ich sehe uns nicht rein im Doom verwurzelt, aber wir ziehen daraus schon einige Einflüsse. Ich finde es immer wieder höchst beachtlich, wie viel Energie und Begeisterung die Leute in der Metalszene an den Tag legen. Da werden Platten noch aktiv gehört, und es ist nicht nur klangliches Beiwerk zum Alltag. Für solche Leute schreiben wir unsere Songs. Leute die in die Musik eintauchen wollen und ihr den nötigen Raum geben. Licht aus, Kopfhörer auf und in ´ne andere Welt eintauchen. Daher finde ich das Konzeptalbum an sich höchst interessant, da man den Hörer mit auf eine Reise nehmen kann, wenn er sich drauf einlässt.

Was motiviert Euch, konzentriert weiter zu ackern, und wo wird der Doom Metal in zehn Jahren stehen?

Wir denken einfach, dass wir musikalisch noch nicht alles gesagt und unser Potential noch nicht ausgeschöpft haben. Ich denke, der Metal im Allgemeinen ist recht krisenfest und wird auch noch in zehn Jahren eine aktive Szene haben. Bei Doom Metal glaub ich das auch. Es gibt natürlich immer Phasen, in denen mehr oder weniger populär ist, aber selbst in den Charts sind Metal-Bands oft weit vorne zu finden, und die Festivalkultur sucht ja Ihresgleichen. Solange es noch Leute gibt, die mit Leidenschaft dabei sind, wird es auch ´ne Metal-Szene geben.

Letzte Frage. Was müsste passieren, damit Ihr geschlossen aus Rheinland-Pfalz wegzieht, oder stellt sich diese Frage erst gar nicht?

Das ist undenkbar, die pfälzischen Karpaten sind das LORD VIGO-Epizentrum!