Interview:

2007-08-21 Inferno

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INFERNO gelten als eine der ersten und einflussreichsten deutschen Hardcore-Bands überhaupt. Die Augsburger waren nicht nur in der internationalen Punk-Szene erfolgreich, sondern beeinflussten auch diverse namhafte Extrem-Metal-Bands. Jetzt ist mit "Pioneering Work" eine Doppel-CD erschienen, auf der nahezu sämtliche Releases ihrer von 1982 bis 1990 reichenden Schaffensperiode enthalten sind. Grund genug, bei Ex-Gitarrist Archi Alert anzufragen und sich den Hintergrund der Veröffentlichung und seine Sicht der Entwicklung des Hardcore schildern zu lassen. InterviewMan kennt Dich auch als MC Motherfucker von der TERRORGRUPPE und als Produzent von z. B. THE MOVEMENT. Was treiben die anderen von Euch heute?


Keine Ahnung. Zwei Leute der damaligen Besetzung sind irgendwie unauffindbar verschollen, und Howie, der Sänger, hat ja mit mir zusammen an der Werkschau gearbeitet. Er arbeitet als freischaffender Mediengestalter in Augsburg, macht Webseiten und so´n Kram und schreibt Rezis fürs Trust Magazin.


Was empfindet Ihr, wenn Ihr an die Zeit von INFERNO zurückdenkt? Hättet Ihr im Nachhinein irgend etwas anders gemacht?


Hoffentlich hätten wir nichts anders gemacht, sonst wären wir nicht zu der Institution geworden die wir heute darstellen. Es macht mich schon sehr stolz, in einer Band gespielt zu haben, die an der Entwicklung eines wichtigen Musikstils entscheidend mitgewirkt hat, mutig und ohne Rücksicht auf kommerzielle Verluste. Nur so entsteht etwas mit wirklichem Wert!


Existieren Eure Szene und Eure Freundschaften von damals noch? Was hat sich verändert?


Die Hardcore-Punkszene war im letzten Drittel der 80er ja schon wieder am Aussterben und verlor komplett ihre Daseinsberechtigung. Sie wurde schnell von anderen dynamischeren Jugendbewegungen abgelöst. Grunge, Techno, Hip Hop! Am besten sieht man das daran, wie sich die Szene aufgespalten und sich vorwiegend mit unwichtigen Haarspaltereien beschäftigt hat, wie Straight Edge, Newschool, Oldschool, Metalcore und andere Vercrossoverungen. Persönlich gingen ich und die in Augsburg verbliebenen Bandmitglieder natürlich komplett getrennte Wege, schon wegen der Distanz, und damals war da ja auch noch die DDR dazwischen. Während meiner Zeit bei der TERRORGRUPPE verlor ich dann auch zunehmend Kontakt zu den Jungs, weil ich auch einfach in einer anderen Welt lebte. Ich glaube, die Basisbesetzung der Band ist 1996 bei einem TG-Gig in Augsburg am Billardtisch des Kerosin-Clubs zum letzten Mal zusammengetroffen.


Habt Ihr Euch selbst verändert? Seid Ihr womöglich ruhig und gesetzt geworden?


Ich weiß nicht, wie´s bei den anderen ist, aber ich persönlich hab schon immer wieder mal richtig Lust, ganze Musikrichtungen zu zerstören, um was Neues, Wildes daraus zu erschaffen. Als nächstes ist mal wieder Punkrock dran, würd ich sagen. Diese Musikrichtung muss zerstört werden. Ruhiger bin ich vielleicht, aber als "gesetzt" kann ich mich nicht bezeichnen!


Wie ging es mit Eurem Label "Rise & Fall Productions" weiter, nachdem Ihr Euch aufgelöst hattet?


Wir hatten uns ja damals nicht aufgelöst. Ich bin nach Berlin gezogen und hab dann nach einiger Zeit die Band verlassen, da die Chemie auf diese Distanz einfach nicht mehr stimmte.
Das Label wurde von Howie weitergeführt, und er hat dann noch "It Should Be Your Problem" und das Album der INFERNO-Nachfolgeband SOULSTORM darauf veröffentlicht.


Was hat Euch dazu bewegt, sämtliche Aufnahmen noch einmal zu veröffentlichen?


Die letzte, offizielle Wiederveröffentlichung liegt auch schon wieder 15 Jahre zurück. Seither werden Originale zu horrenden Preisen bei eBay gehandelt oder eben gebootlegt. Es war an der Zeit, diese Baustelle aufzuräumen um sie Interessierten wieder geregelt zugänglich zu machen. Die Werkschau erschien mir für diesen Zweck die beste Variante zu sein.


Ist das Album vor allem für Eure Fans von früher gedacht, oder glaubt Ihr, dass Ihr dadurch auch neue gewinnen werdet?


Beides. Es gibt viele alte Hardcore-Punk-Fans, die sich dieses Zeitdokument gern wieder zulegen möchten. Auf der anderen Seite sind etliche junge Musikfans ständig auf der Suche nach den Ursprüngen und für die ist diese Veröffentlichung auch gedacht.


Die wichtigen deutschen Städte für Punkrock waren Düsseldorf, Berlin und Hamburg. Wie erklärt Ihr Euch, dass grade Augsburg zur Wiege des deutschen Hardcore wurde?


Weil WIR dort herkamen, genügend Mut und Experimentierfreudigkeit besaßen und eine Vision hatten. Punk dümpelt ja seit dieser Zeit auch in den westdeutschen Großstädten eher
provinziell vor sich hin. Hat eine deutsche Punk- oder Hardcore-Band in den letzten 25 Jahren irgendwann mal international von sich Reden gemacht, die aus Westdeutschland kam, außer INFERNO...?


Im Film "American Hardcore" wird gezeigt, wie Anfang der 80er Jahre der Frust über das politische und gesellschaftliche System durch aggressive Musik kanalisiert und die Wut herausgeschrieen wurde, was zur Entstehung der US-Hardcore-Szene führte. Könnt Ihr Euch damit identifizieren oder hattet Ihr ganz andere Motive?


Unsere Entwicklung lief komplett parallel und zeitgleich. Aber der Film ist extrem Scheiße, typisch Ego-amerikanisch. Die Macher des Films unterschlagen komplett, dass die Entwicklung von Hardcore-Punk weltweit von statten lief und auch die Amis von den europäischen Bands lernten und profitierten. Man darf ja nicht vergessen, dass es vorher nichts Vergleichbares gab und die Bands sich untereinander inspirierten und die Sache weiter trieben bis sie dann irgendwann mal so extrem aggressiv, hart und intensiv wurde. Die Amis und Engländer waren in dieser Zeit immer etwas hinten dran und die wirklich innovativen Bands kamen eher vom europäischen Festland oder aus Japan.


Die USA haben noch AGNOSTIC FRONT und SICK OF IT ALL, und mit TERROR gibt es auch amtliche Nachkommen. Kennt Ihr auch eine deutsche Band, die den Niedergang des Hardcore überlebt hat?


Das hören diese Bands vielleicht nicht gern, aber für mich sind sie irrelevant. Hervorragende Bands vielleicht, aber ohne jede Daseinsberechtigung. Heutzutage noch eine Punk- oder Hardcore-Band zu betreiben, ist konservatives Nostalgikertum.


Wie seht Ihr die Entwicklung des Hardcore seit Ende der 80er? Haben moderne Stilrichtungen wie Metalcore oder gar Emocore noch etwas mit den Ursprüngen zu tun?


Der Ursprung von Hardcore ist die Grundrezeptur von Punkrock: den etablierten Stadion-/ Mainstreamrock zerstören und durch etwas Simples, Starkes, Aggressives, Reduziertes ersetzten. Eine Jugendkulturrevolution eben. Ich sehe nicht, dass Metal-, Emo- oder Wasauchimmercore auch nur annähernd etwas mit einer Jugendkulturrevolution am Hut hat. Das ist heute kleine, brave, gepiercte Jungenmusik, komplett etabliert und selbst schon Mainstream.


Ab Mitte der 80er wurde Euere Musik auch durch Thrash-Metal-Bands beeinflusst, Ihr seid Eurer Linie alles in allem aber treu geblieben. Gab es irgendwann mal Überlegungen, andere Stile einfließen zu lassen oder Euch sonst wie musikalisch weiterzuentwickeln?


Wir hielten es wie auch zu Anfängen des Hardcore-Punks. Als wir mitbekamen, dass Trash-Metal-Bands wie S.O.D., ANTHRAX und SLAYER uns als Inspiration nannten, beschäftigten wir uns mit deren Musik und ließen uns selbst wiederum von diesen Bands beeinflussen. So entwickelte sich auch unser Sound weiter. Allerdings schieden sich dann auch so langsam die Geister in der Band. Ein Teil wollte zurück rudern und simple Hardcore-Musik wie zu Anfangstagen machen, ein anderer Teil drängte auf Weiterentwicklung und wollte experimentieren. Das war eigentlich schon das Ende der Band.


Was war für Euch wichtiger: Die Messages Eurer Texte oder die Musik?


Ich bin schon immer überzeugt gewesem, dass das bei einem perfekten Song alles zusammengehört, eine homogene Einheit bilden muss.


Im Booklet der CD erzählt Ihr, dass Ihr 1987 "Ram It Up" neu eingespielt habt, weil S.O.D. Euch den Song geklaut hatten und alle dachten, Ihr würdet ihn covern. Gab es jemals eine Reaktion seitens S.O.D.?


Ich hab die Jungs mal Ende der 90er auf dem With Full Force-Festival getroffen, und sie stellten sich als sehr nette, interessierte Fans unserer Musik heraus. Scott fragte mich besorgt über den Text von "Linke Sau" aus und war beruhigt, dass der Text keinen rechtsradikalen Hintergrund hatte.


Gab oder gibt es Pläne für eine Reunion?


Nein, so einen Quatsch mach ich nicht, das macht keinen Sinn!

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