Interview:

2010-07-16 Frenzy

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Um ehrlich zu sein, war mir das englische Psychobilly-Trio FRENZY bis vor kurzem völlig unbekannt. Umso erstaunter war ich, als mir das neue Album „In The Blood“ in die Hände fiel und ich feststellen musste, dass die Band schon seit 27 Jahren existiert und zusammen mit Bands wie den METEORS, den POLECATS oder den GUANA BATZ die Psychobilly-Szene begründet hat. Mehr als Grund genug, um einmal bei Bandkopf, Bassist und Sänger Steve Whitehouse zum neuen Album sowie zur Entwicklung der Band und der Psychobilly-Szene nachzufragen. InterviewHi Steve! Eure Fans mussten drei Jahre auf euer neues „Album „In The Blood” warten. Warum hat es so lange gedauert?


Hi Metal Inside! Ja, für das Album haben wir drei Jahre gebraucht, und der Grund dafür ist, dass wir wollten, dass es unser ultimatives Album wird. Eigentlich veröffentlichen wir sowieso nur alle drei Jahre Alben, denn einige Male hatten wir irgendwelche Probleme mit Labels und Lizenzen, und so etwas kann die Veröffentlichung eines Albums stark verzögern. Aber mit „In The Blood“ war es anders. Wir hatten uns vorgenommen, unser bestes Album überhaupt zu machen, ein echtes Album, anstatt nur eine Sammlung von Songs, die zusammengeworfen und als Album veröffentlich werden. Wir haben lange und hart daran gearbeitet, um die Songs zu einer Einheit von Tracks zusammenzufügen. Wir wollten, dass sich die Songs gegenseitig ergänzen und jedes Stück perfekt hinter das jeweils vorhergehende passt. Ich hatte auch in meinen Texten viel zu sagen. Während der letzten Jahre habe ich einige starke Gefühle durchlebt und Erfahrungen gemacht und wollte viel davon in den Texten ausdrücken. Und so eine Inspiration kann natürlich nicht geplant werden, es passiert einfach, wenn es passiert. Wir haben auch im Studio viel Zeit darauf verwendet, um die besten Sounds aus unseren Instrumenten herauszuholen, noch mehr an den Vocals zu arbeiten etc. Alles in allem wollten wir bei allem das Beste herausholen und ein spezielles Album machen. Bei all dem Kram, den wir in der Vergangenheit gemacht haben, blieb oft ein „Oh, Ich wünschte, wir hätten dies oder jenes tun können.“ oder „Wenn uns diese Geangs- oder Gitarrenlinie eingefallen wäre...“ Wir waren nie zu 100 Prozent glücklich mit dem fertigen Produkt. Bei „In The Blood“ sind wir sicher gegangen, dass wir zu 100 Prozent glücklich sind, und es hat funktioniert! Es gibt auf dieser Platte nichts, mit dem wir unzufrieden sind. Wir sind einfach wirklich, wirklich glücklich mit dem fertigen Produkt! Dazu kommt noch, dass wir dieses Mal auf den richtigen Platten-Deal gewartet haben. Wir wollten ein so gutes Album nicht an ein Mist-Plattenlabel verschwenden. People Like You ist ein großartiges Label, und sie haben unsere neuen Tracks sofort gemocht.


Ich mag den Sound von „In The Blood“ sehr. Man kann alle Instrumente sehr klar heraushören, und es gibt keine Horror-Sounds, Echo-Effekte oder sonstige Spielereien. Offenbar wolltet ihr, dass die Musik und die Instrumente wirklich im Mittelpunkt stehen. Ist das richtig?


Ja, das stimmt. Wie schon erwähnt: Es ging darum, den absolut besten Sound aus jedem Instrument und Gesangsmikro im Studio herauszuholen. Wir wollten, dass jeder Teil so groß und kraftvoll klingt, wie er nur kann. Wir haben mit vielen Amps und Mikrofonen und feinen Effekten gearbeitet. Das war schon unser Plan, bevor wir überhaupt nur einen Fuß ins Studio gesetzt haben. Normalerweise gehen wir einfach rein, spielen die Tracks ein, arbeiten ein bisschen an ihnen und mischen sie dann ab. Ich möchte nicht, dass die Leute denken, wir würden einfach ins Studio gehen und unseren Kram raushauen. Das ist einfach nicht der Fall, und wir sind dafür viel zu sehr Perfektionisten. Aber dieses Album wurde viel mehr als alle anderen zuvor im Vorhinein geplant und durchdacht, was bedeutete, dass wir wussten, was wir wollten, schon bevor wir ins Studio gegangen sind. Schön, dass du das bemerkt hast, und schön, dass dir der Sound gefällt! Danke!


„In The Blood” ist euer erstes Album auf People Like You. Wir seid ihr mit dem Label in Kontakt gekommen?


Eigentlich ist das Label auf uns zugekommen, nachdem einer unserer Booker die neuen Songs gehört hatte und People Like You gesagt hat, dass sie uns signen sollten. Sie hörten sich die Tracks an und fanden sie großartig. Eines Tages bekam ich einen Anruf vom Label-Manager, der mich fragte, ob wir daran interessiert wären, bei ihnen zu unterschreiben. Was hätte besser sein können? Vorher waren wir schon mit Hellcat im Gespräch, und sie haben sich einige Shows während unserer US-Tour angeschaut. Die letzte war beim Ink ´n´ Iron-Festival in Long Beach, wo wir vor 2.000 Leuten gespielt haben, die komplett ausgerastet sind. Wir haben einen guten Eindruck hinterlassen, aber der Deal schien nie zustande zu kommen, obwohl er uns zugesagt worden war. Wir waren auch noch im Gespräch mit I Hate People Records, aber mit denen kam aufgrund von Finanzierungsproblemen nichts zustande. Da kam PLY auf uns zu… und hier sind wir!


Wie ist die Zusammenarbeit mit People Like You?


People Like You ist toll für uns, wir freuen uns sehr über die Zusammenarbeit. Vor allem zeigt PLY bislang viel Eigeninitiative. Und das ist das, was uns an dem Label immer schon beeindruckt hat. Nachdem wir unser eigenes Label Crash Records gegründet und „Nitro Boy“ darauf veröffentlicht hatten, haben wir immer gesagt, dass wir nie mehr zu einem anderen Label gehen würden. Unser eigenes Label hat gut für uns funktioniert, und immerhin wussten wir da, dass wir bezahlt werden! Aber als wir gehört haben, wie sich „In The Blood“ entwickelte, wussten wir, dass wir ein größeres Publikum erreichen mussten. Wir haben lange Zeit an unserer Fanbase in den Staaten gearbeitet, indem wir dort getourt sind, aber wir wussten, dass wir einfach nicht die Zeit und die Kontakte haben, um wirklich gute Vertriebs-Deals zu bekommen. Dazu kommt, dass man diesen ganzen businessmäßigen Mist nicht erledigen kann, wenn man auf Tour ist. PLY haben Büros in den Staaten und in Europa, und sie haben uns einen großen Push in den USA versprochen. Das war Musik in unseren Ohren! Aber wir sind mittlerweile sehr vorsichtig mit unserem Material, und wir haben sichergestellt, dass wir immer noch die Rechte an dem Album besitzen. Wir haben in dieser Hinsicht nämlich schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht. In diesem Sinne: Wir freuen uns auf eine lange und produktive Zusammenarbeit mit Tobbe und PLY.


Die Release-Party für „In The Blood” hat in Bochum stattgefunden. Habt ihr eine spezielle Fanbase in Deutschland?


Ja, wir hatten immer eine großartige Fanbase in Europa und im Speziellen in Deutschland. Es schien uns nur logisch zu sein, die Release-Party in einer Stadt zu veranstalten, die zentral in Europa liegt. Und die Show war großartig!


Die METEORS gelten als die erste Psychobilly-Band überhaupt. Waren sie Vorbilder für euch?


Oh nein! Ich liebe ihr erste Album „In Heaven”, aber seitdem mochte ich keinen einzigen Song mehr. Das erste Album hat mich in gewisser Hinsicht schon ein bisschen beeinflusst, aber ich würde nie sagen, dass die METEORS ein Vorbild für FRENZY waren. No sir!


Was waren denn deine hauptsächlichen Einflüsse, als du FRENZY gegründet hast?


Die Frage ist eigentlich vielmehr, was zu dieser Zeit KEIN Einfluss auf mich war. Ich mag so viel verschiedene Musik. Offensichtlich ist ja, dass ich all den guten alten 50s-Kram liebe, mit dem ich aufgewachsen bin. Aber ich mochte auch viel punkigen Kram… und Jazz Funk (großartige Bassisten!), außerdem auch Rock und Metal, viel New Wave und Indie. Und natürlich war ich stark beeinflusst durch das 80s-Rockabilly-Revival, durch Bands wie die STRAY CATS, die POLECATS etc. Als ich 1980 die ersten Singles dieser Bands gehört habe… das war’s einfach! Mich hatte es erwischt… hier kam alles zusammen. Über die Jahre habe ich immer wieder ein bisschen von vielen Einflüssen ins Songwriting eingebaut. Der Rest der Band ist genauso drauf, wir mögen eine große Spannbreite von Musik.


Was sind deine heutigen musikalischen Einflüsse?


Auch für diese gilt: Sie sind wirklich breit gefächert und vielfältig. Ich höre immer noch viel alten Kram. Ich liebe es, auf meine 80er-Einflüsse zurückzugreifen, wann immer ich kann. Als Steve Eaton 1999 an der Gitarre in die Band eingestiegen ist, hat mir dies erlaubt, meine Einflüsse noch mehr zu erweitern, denn er kennt sich extrem gut mit Underground-Punk-Bands aus. Das hat meinen Ohren viele neue Türen geöffnet. Er hat dadurch auch den Blickwinkel auf unser eigenes Songwriting beeinflusst, und dadurch bekam es einen neuen Twist. Auch als Adam nach einigen Jahren Abwesenheit wieder zur Band an die Drums zurückkam, hat dies einen großartigen, neuen musikalischen Einfluss ergeben, weil er wieder andere Sachen hört. FRENZY ist wie ein gut durchgerührter Topf, und ich glaube, dass das unser Vorteil ist. Wir können mit diesem Album ein völlig neues Publikum erreichen, weil wir viele Genres berühren und sowohl ein neues junges Publikum als auch unsere treue, standhafte Fanbase damit ansprechen.


Was war der Grund für eure Wiedervereinigung 2007, und warum habt ihr euch vorher überhaupt getrennt?


Wir haben uns nie getrennt, nicht in 27 Jahren! 2007 gab es keine Wiedervereinigung, sondern ein Re-Launch. Ungefähr im Oktober 2006 haben wir einige Bands gesehen, die wir bewundern, wie THE LIVING END und GREEN DAY. Und wir konnten nicht glauben, wie viel Aufmerksamkeit diese Konzerte hatten und wie viele Fans kamen – besonders bei THE LIVING END! Wir haben sie in Exeter gesehen, und als der Kontrabass nach der Support-Band auf die Bühne gebracht wurde, ist das Publikum durchgedreht. Aufgrund eines Kontrabasses! Wir dachten uns, dass, wenn dieses junge Studenten-Publikum auf die Band abfährt, die uns als Einfluss genannt hat, als sie sich gegründet hat, und da wir wahrscheinlich eine von fünf Bands sind, die diese Szene begründet haben, sollten wir auch ein Stück von dem Kuchen abbekommen. Also machten wir uns daran, ein eigenes Label zu gründen, ein neues Album („Nitro Boy“) aufzunehmen und unseren Namen wieder ganz nach oben zu bekommen. Zu diesem Zeitpunk hätten wir nie gedacht, wie gut alles werden würde. Die ganze Welt scheint wieder einen Punk- und Billy-Fetisch zu haben, und das bedeutet, dass wir über den ganzen Globus reisen und mit neuer Energie großartige Shows spielen können. Die beste Sache ist, dass wir mittlerweile den Ruf haben, eine der besten Live-Shows der Szene zu bieten. Wir haben eine großartige Zeit auf der Bühne, besser denn je! Kommt zu einem Konzert, dann werdet ihr es sehen!


Was hat sich nach 27 Jahren im Geschäft für euch als Band verändert?


Seit wir die Band gegründet haben, ist viel Zeit vergangen. Und wir haben in diesen 27 Jahren einige großartige Erfahrungen gemacht. Wie viele Bands können schon von sich sagen, dass sie auf diesem Level so eine lange und aufregende Karriere hatten? Nicht allzu viele… Aber ich muss sagen, dass die letzten vier Jahre die weitaus besten waren. Die Einheit aus mir, Steve Eaton und Adam Seviour ist etwas Spezielles geworden. Das ist ein chemisches Ding, es macht einfach „klick“, und kaum jemals muss ein böses Wort gesprochen werden. Auf Tour sind wir jetzt viel lockerer, und all die Egos sind verschwunden. Früher war es normal, dass wir uns ständig gegenseitig angemacht haben. Jetzt geht es um die Show, die Gigs, die Touren und die Songs. Besonders um die Show – die ist die Nummer eins!


Welche Veränderungen in der Psychobilly-Szene hast du über die Jahre wahrgenommen?


Über die Jahre gab es viele Veränderungen in der Szene. Zunächst hat sie eher als eine Rockabilly-basierte Szene angefangen, die Neo-Rockabilly genannt wurde, ein Ausdruck, den ich dem Begriff Psychobilly vorziehe. Das war eine großartige und bunte Zeit. Der Großteil der Einflüsse kam aus den 50ern. Dann in den 90ern wurde die Billy-Szene sehr düster und Gore-basiert. Diese Periode mochte ich wirklich nicht, und ich nenne sie „the dark times“ für die Szene. Heutzutage stammen die Einflüsse aus einem viel melodischeren Punk-Stil, der mit Rockabilly zusammengeworfen wird. Das hat einige großartige Bands hervorgebracht, die wirklich gute Songs spielen, und ich muss sagen, dass das ein angenehmer Wechsel ist. Die traditionelle Rock ´n´ Roll-/Rockabilly-Szene ist während der dunklen Periode in den 90ern weggebrochen. Bis zu diesem Zeitpunkt gehörten die Rockabillies zur Szene, es war eigentlich alles ein und dieselbe Szene. Aber als sie zu sehr durch dreckigen Punk beeinflusst wurde und zu gorelastig und düster wurde, sind die traditionellen Rock ´n’ Roller weggebrochen und gingen wieder zurück zu ihren gemütlichen kleinen Weekendern und diesem Kram. Ich habe damit kein Problem, und ich denke, das war sicher das Beste für diesen Teil der Billy-Szene. Neues, junges Teenage-Publikum, das sich in die 2000er Version der Billy-Szene eingeklinkt hat, scheint aus allen möglichen Backgrounds zu kommen. Ich glaube, Bands wie wir, THE LIVING END, die PEACOCKS, LONG TALL TEXANS und TIGER ARMY haben Kids vom Street-Punk-Background hineingezogen, und das hat das Publikum mächtig anschwellen lassen. Die Szene ist jetzt so gesund und pulsierend wie seit Jahren nicht mehr, und wir lieben es, ein Teil davon zu sein.


Wie sieht die Psychobilly-Szene in England aus?


Die Szene in England ist im Moment noch relativ klein, aber sie wächst schnell, dank der Hilfe einiger engagierter Promoter, die gute Shows, All-Dayers und Weekenders auf die Beine stellen. Das hilft wirklich enorm. Natürlich ist die Rockabilly-Szene in den 80ern in England floriert, als die STRAY CATS aus den Staaten kamen, und eine Zeit lang war die Szene hier massiver als irgendwo anders auf der Welt. Als sie in England schon wieder ein bisschen abstarb, hat sich die Welle in großem Stil über ganz Europa verbreitet, vor allem in Holland und Deutschland. Und dann ist sie schließlich weiter gezogen, nach Japan, Australien und Amerika.


Es gibt andere Psychobilly-Bands aus England, die bekannter sind als FRENZY – auch wenn sie nicht unbedingt besser sind. Woran, glaubst du, liegt das?


Ich weiß nicht genau, auf wen du dich beziehst, aber ich möchte dazu sagen, dass FRENZY zu den bekanntesten Billy-Bands aus England zählen. Wir waren wesentlich daran beteiligt, die Szene am Anfang zu formen, zusammen mit Bands wie den METEORS, den POLECATS, RESTLESS und den GUANA BATZ. Meine erste Profi-Band, THE SHARKS, hatte ebenfalls eine Schlüsselrolle beim Bilden der Neo-Rockabilly-/Psychobilly-Szene. Aber ich glaube, mit der soliden, harten Arbeit, die wir seit Januar 2007 in Konzerte und Touren gesteckt haben, gehören wir weltweit zu den Top-Bands der Szene, nicht nur in England.


Was hälst du von den Psychobilly-Bands, die auf der Bühne Kostüme tragen und sich schminken?


Ich weiß, dass viele Kids das mögen, aber meiner Erfahrung nach kaschieren Bands, die das machen, eigentlich nur, dass sie entweder nicht spielen können oder ihr musikalischer Gehalt scheiße ist. Es gibt auch Ausnahmen, versteh mich nicht falsch, aber generell glaube ich, dass es so ist. Für FRENZY ist so etwas wirklich nichts.


Was sind eure Pläne für die zweite Jahreshälfte?


Die zweite Jahreshälfte wie auch überhaupt die absehbare Zukunft sind dazu bestimmt, „In The Blood“ bis zum Gehtnichtmehr zu promoten. Wir sind immer „on the road“, in irgendeinem Land, und derzeit arbeiten wir daran, im September wieder einmal in die Staaten zurückzukehren. Wir haben viele Shows in Europa entweder bestätigt oder in der Pipeline. Australien wird diskutiert, ebenso eine Rückkehr nach Japan zu irgendeinem Zeitpunkt. Wir müssen uns viel mit der Presse und anderen Medien beschäftigen, und wir planen, so hart wie möglich daran zu arbeiten, unsere Fanbase noch zu vergrößern. Unsere Mission ist es, so viele Menschen wie möglich aus so vielen verschiedenen Backgrounds wie möglich dazu zu bringen, sich „In The Blood“ anzuhören. Ich glaube, das ist ein Album, das in alle Ohren gelangen kann, und wir werden mit so vielen Leuten wie möglich daran arbeiten, um das geschehen zu lassen. Danke für das Interview!



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