Interview:

2002-11-18 Fallen Yggdrasil

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FALLEN YGGDRASIL haben ihr Lager in der idyllischen Studentenstadt Heidelberg aufgeschlagen und beackern nun schon seit einigen Jahren die deutsche Metal-Szene. Ihr letztes Lebenszeichen war die MCD "In No Sence Innocence", auf der die Jungs ihre Klasse beweisen und richtig geilen Death Metal zelebrieren. Grund genug Sänger und Bandurgestein Simon Kratzer vor den PC zu holen.....Interview"In No Sense Innocence" - so der Titel eurer neuen CD... Was hat es damit auf sich? Warum und wofür seit ihr nicht unschuldig?


Simon: "In no sense innocence" ist sehr vielschichtig und verschieden interpretierbar. Ich selber hatte, als ich den Titel und den dazugehörigen Text geschrieben habe, einen ganzen Wust von Ideen, die teilweise in ganz unterschiedliche Richtungen gehen. Hauptsächlich geht es aber um die Pervertierung des Schönen in der Welt durch den Menschen und die Frage, ob die Menschen so eine Art "Erbschuld" daran in sich tragen. Außerdem handelt der Song auf der persönlichen Ebene davon, dass es Zeiten gibt, in denen einen alles, selbst das eigentlich Schöne ankotzt. Man könnte also sagen, dass es in dem Song um zwei Ebenen geht: Eine allgemeine und eine
persönliche. Das ist bei vielen meiner Texte so. Die persönliche Ebene ist vor allem für mich selbst, die allgemeine Ebene für alle, die den Text lesen. Aber letzten Endes kann man ihn auch ganz anders verstehen...


Wie zufrieden bist du mit Resultat, der CD?


Simon: Insgesamt bin ich - und ich denke, ich spreche da für die gesamte Band - sehr zufrieden. Ok, es gibt immer ein paar Kleinigkeiten, die man im Nachhinein vielleicht anders hätte machen können, und mit jedem mal, mit dem ich die CD anhöre, fallen mir mehr solcher "Verbesserungsvorschläge" auf, aber das ist ja immer so. Man darf sich davon auch nicht verrückt machen lassen. Es ist eben so: Das, was da auf CD ist, ist eine Momentaufnahme von dem Stand der Lieder zu diesem Zeitpunkt. Aber die Lieder und auch wir bleiben ja nicht stehen mit der Aufnahme, sondern wir entwickeln uns weiter, die Songs werden weiter gespielt und dabei kommen einem dann hier und da Ideen, was man noch hätte anders machen können.
Aber diese Ideen kommen eben zu spät und daran lässt sich nix mehr ändern, also Scheiss drauf...Zumal es sich in aller Regel nur um minimale Dinge handelt, die für den Hörer eventuell kaum einen Unterschied machen. Was mich mehr ärgert ist, dass das Cover so schlecht rauskam beim Druck. Das ist ärgerlich, aber auch daran kann man nichts mehr ändern (vielleicht bei der nächste Auflage).


Wo habt ihr aufgenommen und wie waren die Erfahrungen dort? Werdet ihr dort wieder aufnehmen? Wie sieht’s überhaupt mit einem Nachfolger aus, habt ihr für den schon eine ungefähre Planung?


Simon: Wir haben in Backnang im Maranis-Studio aufgenommen. Dieses Studio ist noch relativ neu und wird von Vagelis Maranis geleitet. Vagelis war früher Sänger bei den Prog/Power-Metallern SANVOISEN, ist also ein echter Vollblutmusiker und versteht sein Fach. Außerdem sind die Leute dort echt cool und es herrscht eine entspannte Atmosphäre. Was aber natürlich nicht heißt, dass da die ganze Zeit nur Party abging! Bei aller Lockerheit ist der Vagelis auch ein harter Arbeiter, der sehr motiviert und anspruchsvoll ist. Das selbe erwartet er auch von den Bands, das heißt, wir haben auch ganz schon ranklotzen müssen. "Ohne Fleiß kein Preis", eben.
Ich denke, das Ergebnis spricht eindeutig für diese Arbeitsweise. Wenn alles klappt wollen wir im Frühjahr wieder ins Studio gehen. Das ist aber auch eine Geldfrage, denn wir zahlen ja alles selbst. Auf jeden Fall würden wir sehr gerne wieder zum Vagelis. Mal sehen, ob das alles klappt.


Ihr spielt recht viel live und habt zwei neue Mitglieder. War es schwierig, sie zu integrieren und wie fühlt man sich, wenn man auf der Bühne neue Gesichter neben sich hat?


Simon: Wir könnten es uns nicht vorstellen, die ganze Zeit nur im Proberaum zu hocken, sondern wollen raus. Live spielen ist auch sehr wichtig für den Zusammenhalt innerhalb der Band, weil "on the road" auch das Bandgefühl gestärkt wird. Es war zum Beispiel total cool, dass wir, als wir 2001 eine Tour gemacht haben, in der ganzen Zeit nicht einmal Stress hatten, obwohl wir ja
ziemlich lange permanent auf engstem Raum zusammengepfercht waren. Ich denke da zeigt sich, ob die Band zusammenhält oder nicht. Naja, Bandzusammenhalt hin oder her, der Dierk (Bass) hatte dann trotzdem nicht mehr die Zeit und die Lust, weiterzumachen und so mussten wir uns nach einem neuen Basser umschauen. Mit dem Suli haben wir einen gefunden, der schon davor zum näheren Bandumfeld gehört hat und bei dem wir uns sicher waren, dass es menschlich keine Probleme gibt. Außerdem haben wir bei der Gelegenheit auch gleich noch einen zweiten Klampfer in´s Boot geholt, den Denno. Der ist auch ein "alter Bekannter". Es sind also in beiden Fallen keine wirklich "neuen Gesichter" und von menschlicher Seite gibt es da keine Integrationsprobleme. Problematischer ist dann schon eher die musikalische Seite, denn die Neuen sind natürlich einem gewissen Druck ausgesetzt, dass sie das Material möglichst schnell möglichst perfekt spielen können müssen. Das ist natürlich alles andere als einfach, aber das
haben sie beide ganz ordentlich hinbekommen. Wir hatten in der Vergangenheit schon recht viele Besetzungswechsel, aus der Urbesetzung sind nur noch Raffael und ich übrig...Ich hoffe, dass wir jetzt wieder für eine Zeitlang eine feste Truppe haben.


Warum kam es überhaupt zum Wechsel?


Simon: Wie oben angedeutet, waren die Gründen recht simpel: Keine Zeit mehr, vermutlich auch kein Bock mehr. Es ist ja immer so: Wenn man selbst keinen Bock mehr hat, dann empfindet man auch die Zeit, die für die Band "draufgeht" zunehmend als "verlorene Zeit". Und gerade wenn man dann viel Live spielt, dann gehen da die Wochenenden gleich reihenweise für die Band drauf... Das war bisher in dieser Form bei jedem Besetzungwechsel in der Bandgeschichte das Problem.
Aber es war in jedem Fall nix persönliches oder so. Es gab auch keinen Streit zwischen uns, obwohl der Dierk uns schon in eine einigermaßen schwierige Situation gebracht hat, als er wenige Tage vor einem Open Air-Termin abgesagt hat. Aber ist ja alles gut gegangen...


Gab’s irgendwann einen Zeitpunkt, wo ihr nach einer erneuter Line-Up-Veränderung drauf und dran wart, hinzuschmeißen? Oder kannst du dir ein Leben ohne FY gar nicht mehr vorstellen?


Simon: Eigentlich stand eine Aufgabe nie zur Debatte, obwohl wir schon eine ziemlich "gebeutelte" Band sind, wenn man es sich genau überlegt. Seit den ersten Anfängen begleiten uns ständige Besetzungswechsel und Probleme mit den Proberäumen... Speziell für den Raffa und mich als einzig verliebende Relikte der Urbesetzung ist die Band aber schon sehr lange ein Teil unseres Lebens. Wenn ich so drüber nachdenke, dann stelle ich mir ein Leben ohne die Band schon sehr leer vor. Ich mein’, da geht es ja nicht nur um die Musik alleine, sondern auch um das Drumherum, die Kontakte, die Konzerte, die Gemeinschaft und so weiter.
Es gab allerdings mal einen Punkt, an dem ich dem Raffa mit Austritt gedroht hatte. Allerdings eigentlich auch irgendwie in dem Bewusstsein, dass es nicht soweit kommen würde. Das war 2000, als unser damaliger Drummer Matze uns ziemlich an der Nase rum geführt hat, so mit Proben schwänzen, Konzerte platzen lassen und so weiter. Das war sehr frustrierend und die Band trat total auf der Stelle. Ich war dafür, sich von Matze zu trennen, Raffa wollte ihn halten. Damals habe ich gesagt, wenn es so weitergeht wie im Moment, dann habe ich keinen Bock mehr. Wir haben uns dann darauf geeinigt, dem Matze noch eine Gnadenfrist zu geben, uns gleichzeitig aber schon mal vorsichtshalber nach einem Nachfolger umzusehen. Kurz darauf kam dann der Anruf vom Matze, dass er aussteigen wolle...Damit hatte sich das dann sozusagen von selbst erledigt und mit dem Molch hatten wir gleich den Ersatzmann zur Hand.


Steht noch eine Tour an? Mit wem würdest du gerne mal live spielen? Wer sind so deine musikalischen Vorbilder?


Simon: Dieses Jahr haben wir nichts in der Richtung geplant, weil wir ohnehin dieses Jahr mal etwas kürzer treten wollten, um mal wieder intensiv neues Zeug zu schreiben und zu proben. Nächstes Jahr würde ich dann gerne wieder was in dieser Richtung machen. Mal abwarten.
Hm, es gibt einige Bands, mit denen ich mal gerne spielen würde. Dismember zum Beispiel, das ist auch eine Band, die uns auf gewisse Art beeinflußt hat. Obwohl ich persönlich ihre letzten beiden CD’s nicht mehr ganz so stark fand [Blasphemie! - Anm. d. Verf.]. Aber da sind andere in der Band ganz anderer Meinung...


Du wohnst in Heidelberg, einer Studentenstadt. Wie ist es da um die Metal-Szene bestellt?


Simon: Naja, man sieht relativ viele Leute in Metalshirts, aber wie überall sind nur die wenigstens am Underground interessiert. Dafür, dass es hier so viele relativ junge Leute gibt geht in Heidelberg selber aber erschreckend wenig in Sachen Metal. Gut, es gibt den Schwimmbadclub, wo hin und wieder Konzerte sind. Aber für Undergroundgigs ist der Club nur sehr selten zu haben. Ansonsten gibt es hier nix. Einen richtigen Metalschuppen natürlich erst recht nicht...Aber im Großraum Heidelberg/Ludwigshafen/ Mannheim geht einiges mit Bands
und Konzerten, als das ist schon eine ganz gute Gegend würde ich sagen.


Was hälst du von der momentanen Metal-Szene? Der Death Metal ist ja wieder im Kommen, scheint mir.....


Simon: Ich habe auch das Gefühl, dass der Death Metal wieder etwas populärer ist. Der Trend scheint mir ganz eindeutig in Richtung "brutal Death/Grind" zu gehen. Da wird der Zenit aber bald erreicht sein, denn gerade bei dieser Mucke besteht halt die Gefahr, dass die Bands doch sehr gleich klingen, zumal viele davon klauen, wo’s nur geht. Hier a bissle Suffocation, hier ein bißchen Dying Fetus, gemischt mit einer Brise Corpse und fertig ist die "neue Sensation". Und bei vielen Bands hab ich das Gefühl, dass sie ihren Mangel an Originalität dann durch möglichst krasse Texte oder "Artwork" wettzumachen versuchen. Auf die Gefahr hin, dass ich mich hier als "Weichei" oute: Ich finde diese ganzen Gore/ Porn-Sachen ziemlich hohl. Ich mein, welchen Sinn macht es, irgendwelche geplatzten Schädel abzubilden oder Vergewaltigungsszenen zu schildern? Das schockt ja nicht mal mehr, seit es das alles live und in Farbe in allen möglichen Medien - oder noch schlimmer in der Realität - gibt. Meiner Meinung nach pure Effekthascherei, das sieht man ja dann daran, wie stolz die Bands und Labels sind, wenn sie verkünden können, dass irgendein Cover irgendwo zensiert wurde...Gäääähn. Das nur als meine persönliche Meinung.
Allgemein platzt der Metalbereich schon seit Jahren aus allen Nähten. Ich denke das ist vor allem die Schuld der Labels, die CD’s auf den Markt werfen wie die Weltmeister. Dazu kommen dann noch die ganzen alten Säcke, die ihre Chance sehen, irgendwelche mülligen Reunions zu starten, die eigentlich niemand will und vor allem niemand braucht. Ich denke man kann das, was da abgeht schon als "Quantität statt Qualität" charakterisieren. Und dann wundern sich die Labels, warum die Umsätze zurückgehen: Weil kein normaler Mensch mehr das ganze Zeug kaufen kann / will, was da auf den Markt gepupst wird. Die Labels scheinen darauf zu reagieren, indem sie Bands nicht mehr danach beurteilen, ob sie gute Musik machen, sondern danach, ob sie sich aufgrund irgendeines Images gut vermarkten lassen. Denn gute Musik allein scheint heute bei dem Veröffentlichungsoverkill nicht mehr zu genügen, um Platten zu verkaufen, man muss vor allem ein vermarktbares Image haben. Und so nimmt das Unglück seinen Lauf...
Ich konzentriere mich schon seit einiger Zeit hauptsächlich auf den Underground. Der ist musikalisch gesehen nicht schlechter, aber vom Feeling her fühlt man sich da wohler. Obwohl auch an ihm gewisse Entwicklungen nicht spurlos vorüber gehen.
Aber trotz Labelpolitik und Veröffentlichungsflut: Solange es unter all den Trendies und Image-Rockern wahre Metaller gibt, ist die Welt noch in Ordnung. In diesem Sinne: Metal up your ass.



Haben alle deine Texte einen persönlichen Hintergrund, eine persönliche Ebene? Könntest du dir vorstellen, mal so einen richtig "klassischen" Metal-Text inklusive aller Klischees (power, sword, steel, fight...) zu schreiben?


Simon: Eigentlich haben den alle Texte, mal mehr, mal weniger offensichtlich oder dominant. So einen Klischeetext hatten wir übrigens auch mal. Auf dem 98er Demo war ein Song namens "Eternal Flame". "Eternal Flame of Metal burn all whimps away, eternal flame of Metal eat their heart, drink their blood, thy kingdom come”. Irgendwie so.
Der Text war natürlich mit einem gewissen Augenzwinkern geschrieben, aber gleichzeitig sollte er unsere Verbundenheit mit dieser Musik ausdrücken.
Für die Zukunft ist so was aber nicht mehr "geplant". Was aber nicht viel heißt, denn eigentlich planen wir ja eh nichts...


Was soll das Cover symbolisieren? Das sieht ziemlich religiös angehaucht aus ...


Simon: Das freut mich aber echt, dass Du das Cover "religiös angehaucht" empfindest, denn das ist durchaus beabsichtigt. Das Cover steht in relativ enger Beziehung zum Titeltrack. Ich habe für das Cover das "Daedalus/Ikarus"-Motiv von den alten Griechen ausgeliehen. Die Sage kennt ja vermutlich jeder: Daedalus baut künstliche Flügel aus Wachs und Federn. Trotz seiner Ermahnung fliegt sein Sohn Ikarus in seinem Übermut zu hoch, kommt zu nah an die Sonne, das Wachs schmilzt, Ikarus stürzt ins Meer und stirbt. Diese Story lässt sich als typisches Beispiel menschlicher Hybris deuten: Der Mensch überschreitet Grenzen, die er nicht überschreiten sollte, und nimmt für sich Fähigkeiten in Anspruch, mit denen er offensichtlich nicht verantwortungsvoll umgehen kann. Das gilt für Daedalus sogar noch mehr als für Ikarus, der letztlich nur das Opfer ist.
Auf dem Cover ist der Moment dargestellt, an dem Daedalus, der noch seine Flügel umgebunden hat, seinen Sohn im Meer versinken sieht - hier entferne ich mich übrigens von der Originalsage, denn dort gibt es eine solche Szene nicht. Er versucht den Sohn zu erreichen, aber sein Arm reicht nicht weit genug, Ikarus ertrinkt. Daedalus bleibt nur noch die Einsicht, dass er seinen Sohn mit seiner Erfindung in den Tod geführt hat. Ihm bleibt also nur noch, seine Schuld einzugestehen und zu bereuen.
Der Daedalus auf dem Cover ist unverkennbar dämonisch. Damit wollte ich ihn als einen Verführer kennzeichnen. Einer, der die Menschen reizt und antreibt, ihre Grenzen zu überschreiten. Eine Art Mephistopheles, wenn man so will... Du merkst also, das Cover, "In no sense Innocence" mit seiner Schuldthematik und "NewAgeMephisto" stehen in engem Zusammenhang miteinander. Und bei "Crown of all Creatures" begegnen wir übrigens erneut Ikarus.


Werdet ihr die nächste Platte länger machen? Oder ist "In No..." nur als MCD geplant? Das Teil geht ja nicht mal eine halbe Stunde ...


Simon: "In no sense..." ist als MCD gedacht, so bieten wir sie auch an. Einige Vertriebe / Mailorder verkaufen sie aber als volle CD, bzw. schreiben nicht dazu, dass sie nur 24 Minuten geht. Vermutlich liegt das auch daran, dass es im Moment ja immer mehr Bands gibt, die recht kurze Scheiben als Full-Length rausbringen. [Blood Duster mit "Cunt": 28 Minuten! Beschiß! - Anm. d. Verf.] Das ist ein Trend, der uns nicht gerade gefällt - und schon gar nicht angesichts der Tatsache, dass CD’s gleichzeitig immer teurer werden. Aber letzten Endes haben wir null Einfluß darauf, als was die Vertriebe/ Mailorder unsere CD anpreisen...das gleiche gilt übrigens auch für den Preis. Nur bei einigen wenigen Underground-Vertrieben konnten wir vertraglich einen Höchstpreis festlegen lassen.
Die nächste Veröffentlichung soll dann schon eine "ordentliche" Länge haben, nicht unter 40-45 Minuten. Das hängt aber auch davon ab, wie das jetzt weiterläuft mit den beiden Neuen.


Was bedeutet euer Bandname und warum habt ihr ihn gewählt?


Simon: Der Bandname stammt aus der Zeit, als es die Band noch gar nicht gab. Als großer Fan des schwedischen Death Metals bin ich irgendwann mal auf die nordische Mythologie gestoßen und das Bild des Weltenbaumes Yggdrasil fand ich irgendwie beeindruckend. Der Fall Yggdrasils wäre das endgültige Aus für die Welt und alles, was darauf ist. Das ist dann eigentlich auch die übertragene Bedeutung von "Fallen Yggdrasil": Untergegangene Welt.
Naja, also wie gesagt hatte ich mir das damals ausgedacht, so mit dem Gedanken im Hinterkopf "Wenn ich mal eine Band haben sollte, dann soll sie so heißen". Und darauf haben wir dann bei der Bandgründung einfach zurückgegriffen. So einfach war das. Zwischenzeitlich war ich immer wieder mal etwas angenervt, weil ich den Namen dauernd buchstabieren und erklären muss, aber das ist eben so. Wir sind ja selber schuld, haha.


Seid ihr auf der Suche nach einem Label? Oder wollt ihr unabhängig bleiben?


Simon: Das ist eine gute Frage. Wir haben für die CD locker mit einem kleinen Label zusammengearbeitet, das lief aber auf einer wirklich sehr lockeren Kooperationsbasis ab, einen "Plattenvertrag" in dem Sinn hat es nie gegeben. Uns hat das letzen Endes bisher nicht viel gebracht, es hat uns aber auch nichts gekostet.
Ansonsten suchen wir eigentlich nicht aktiv nach einem Label. Wir stehen zwar mit allen möglichen Plattenfirmen in Kontakt, aber uns geht es in erster Linie darum, in den diversen Mailordern drin zu sein. Und das klappt auch tadellos, ich denke man kann "In no sense Innocence" so ziemlich überall bestellen, auch bei den größeren Mailordern wie Morbid oder NB.
Die Sache mit dem Labelvertrag sehen wir demzufolge nicht so eng. Wir haben ausreichend viele Konzerte und unser Zeug verkauft sich sehr gut. Ich möchte fast behaupten, dass es genug gesignte Bands gibt, bei denen es schlechter läuft als bei uns. Ein Label ist ja nicht automatisch der Garant dafür, dass Du von Heute auf Morgen 100x so viele CD’s verkaufst und 300 Tage im Jahr auf Tour bist.
Für uns würde ein Label nur Sinn machen, wenn es einen guten Vertrieb hat, so dass die CD auch im Plattenladen stünde und wenn es uns über unseren jetzigen Status hinaus weiterbringt. Denn ansonsten würde es ja keinen Sinn machen. Irgendwie ist es natürlich auch äußerst bequem, wenn man sein eigener Herr ist. Unser Motto lautet also: Wir ziehen einfach unser Ding durch und schauen, was kommt.


Wäre es denn das, was du willst? Einen Großteil des Jahres unterwegs sein, ständig "on the road"? Ist sicherlich eine geile und interessante Art zu leben, aber man muß auch viele Opfer bringen. Würdest du so einen Schritt machen?


Simon: Naja, also das mit den "300 Tagen" war natürlich nur mal so gesagt, aber generell würde ich sagen: Hin und wieder mal eine Tour wäre von meiner Sicht aus schon geil, aber 300 Tage am Stück würde ich das vermutlich weder psychisch noch physisch aushalten. Wir haben ja letztes Jahr eine eineinhalbwöchige Tour gemacht, die recht erfolgreich war und auch eine Menge Spaß gemacht hat. Aber trotzdem wurde schon bei dieser kurzen Zeit klar, wo der Haken an der Sache ist: Tourleben bedeutet auch eine Menge Stress und erfordert große Disziplin, denn On-Tour-Sein ist nicht nur jeden Abend auf der Bühne stehen, jeden Abend Party und meinetwegen jeden Abend Groupies flachlegen, oder was man sich da sonst für Vorstellungen macht!!! Eine Tour bedeutet auch: jeden Tag stundenlang durch die Gegend zu fahren, stundenlang auf den Auftritt zu warten, permanent Leute um dich rum zu haben, die erwarten, dass Du mit ihnen Party machst - egal ob Du Bock drauf hast oder nicht. Ach ja, und was die von vielen Leuten so gepriesenen Groupies anbetrifft: Die sind nicht nur stockdumm, sondern meist auch weniger ansehnlich, als man denkt. Wären sie das nicht, hätten sie nicht nötig, sich so wegzuwerfen. Es ist natürlich auch ein Unterschied, ob Du eine Underground-Band bist wie wir, die sich um alles selbst kümmert und im kleinen Van durch die Gegend zockelt, oder ob Du im fetten Nightliner durch die Gegend fährst und eine halbe Armee Roadies und Manager an Bord hast, die alles für dich erledigen... Aber sehr kräftezehrend ist das Touren so oder so. Ich glaube, das ist auch eine der Ursachen dafür, dass viele Musiker auf Drogen kommen.
Wie oben gesagt würde ich darum lieber hin und wieder kürzere Touren machen, als eine Riesentour. Zumal dann auch die Gefahr geringer ist, dass Du das Live-Spielen irgendwann nur noch als Routine empfindest.


Mit welcher Band würdest du gerne mal auf Tour gehen (unabhängig von obiger Frage)? Und was würdest du für eine Tour für Opfer bringen?


Simon: Also eine "Wunschband" hab ich in der Beziehung nicht. Sie sollte in erster Linie menschlich ok sein, ich glaube das ist besonders wichtig. Darüber hinaus sollte sie musikalisch soweit in unserer Richtung liegen, dass die Leute etwas mit dem Package anfangen können –und wenn sie ordentlich Zuschauer zöge, wäre das auch nicht verkehrt, haha. Wegen Opfer": Es ist die Frage, was man als "Opfer" empfindet. Eigentlich habe ich mir darüber noch kaum Gedanken gemacht. Also das größte Opfer für mich wäre vermutlich, dass sowohl Privatleben als auch Privatsphäre während der Tour so ziemlich am Arsch ist. Ich glaube das kann ich eine gewisse Zeitlang aushalten, aber nicht längerfristig.


Als Student hast du es doch relativ leicht, Zeit freizumachen, oder?


Simon: Naja, sagen wir mal so: Es ist auf jeden Fall leichter, als bei einem geregelten Job, weil sich bei mir als Student keine Sau drum kümmert, was ich wann mache. Nur ist es ja so: Wenn es dann an die Prüfungen geht, muss das Wissen parat sein und die Pflichtveranstaltungen müssen nachgewiesen werden. Wann ich das gemacht habe ist den Profs egal, aber ich muss es gemacht haben. Was ich damit sagen will ist, dass ich meine Zeit als Student flexibel einteilen kann, was ein großer Vorteil ist, aber alles was ich verpasse muss ich dann irgendwann nachholen. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, sozusagen. Aber letzten Endes ist das für die Band natürlich trotzdem praktischer als einen Fulltime-Job zu haben.


Was sagst du zu "Pay to Play?"


Simon: Das ist ja eigentlich normal. Wenn Du irgendwo ein Tourpackage siehst, bei dem die Vorband nicht auf dem selben Label oder wenigstens dem selben Management ist wie der Headliner, kannst Du Gift drauf nehmen, dass die zahlen. Ob wir das machen würden, hängt von den konkreten Konditionen ab. Wenn man jeden Abend soundsoviel Euro blecht, nur um 19.30 Uhr vor 15 Zahlenden verheizt zu werden, dann stimmt da für mich das Preis-Leistungs-Verhältnis nicht so ganz. Und dann hört man ja auch immer so Stories von wegen dass die Hauptband ihre Vorband absichtlich früher auf die Bühne gehen lassen oder ihr absichtlich einen schlechten Sound macht, weil sie Schiss hat, vom Opener an die Wand gespielt zu werden. Wenn eine Band so was nötig hat, ist das echt ein Armutszeugnis. Wenn der Headliner aber fair ist, dann kann das schon lohnenswert sein. Dann hätten wir damit auch kein Problem glaube ich. Nur abzocken lassen will ich mich nicht.


Welche Veröffentlichungen haben’s dir denn in letzter Zeit besonders angetan?


Simon: Hm, das ist so eine Frage, bei der ich mich immer gerne etwas bedeckt halte, weil ich natürlich weiß, dass einige befreundete Bands jetzt erwarten, dass ich sie nenne und dann enttäuscht sind, wenn ich das nicht tun sollte. Aber eine Band, die mir sehr gefallen hat sind BOOMERANG aus der Pfälzer - Ecke. Deren CD wurde mir letzte Woche zugesteckt und ich muss sagen, sie ist echt geil geworden. Die Jungs machen melodischen Power Metal, der mich echt überzeugt hat, weil er sich wohltuend von diesem Trendzeug abhebt, das ich im Moment echt nicht mehr hören kann.


Ihr spielt in nächster Zeit recht viel live.... Gibt’s da einen Gig, auf den du dich besonders freust?


Simon: Wir freuen uns eigentlich immer auf jeden Gig - und werden dann hin und wieder enttäuscht, haha. Einen Gig, auf den ich mich in letzter Zeit besonders heiß war, war der in Reutlingen am 5.10. Das lag zum einen daran, dass Reutlingen ganz in der Nähe unserer Heimatstadt Tübingen ist, zum anderen daran, dass der Gig von einem guten Freund von uns organisiert wurde und der sich immer richtig Mühe gibt. Der Gig war dann auch sehr cool, wie immer super organisiert und es waren ein paar Kumpels da, die ich nicht oft sehe. Hm, ansonsten freue ich mich wie gesagt immer auf den nächsten Gig, also in dem Moment, wo ich das hier schreibe, auf Konstanz. Da waren wir noch nie, bin gespannt, was da abgeht.


Was wollt ihr haben, wenn ihr irgendwo spielt? Gibt es Angebote, die ihr ablehnen würdet?


Simon: Das hängt von der Entfernung ab, da sich unsere Gagenforderung zu einem relativ großen Teil aus den anfallenden Unkosten, und das bedeutet in erster Linie Spritgeld, zusammensetzt. Wir sind aber auch für andere Regelungen wie zum Beispiel Eintrittsbeteiligung offen, obwohl wir damit in der Vergangenheit schon hin und wieder schlechte Erfahrungen gemacht haben, weil wir aus der Distanz natürlich nicht einschätzen können, wie die Szene in der Stadt XYZ ausschaut. Aber normalerweise machen wir solche Verluste dann wieder durch Merchandiseverkäufe einigermaßen wett.


Werdet ihr euch 2003 bei Festivals bewerben?


Simon: Wir haben ein paar Sachen am Laufen, da ist aber noch nichts konkret. Bei den großen Festivals wie z.B. Wacken haben wir uns nicht beworben, ich denke das ist rausgeschmissenes Geld. Es ist zum Teil echt peinlich, wie sich manche Bands bei den Veranstaltern anbiedern... da genügt oft schon ein Blick in’s Gästebuch so manches Festivals... Es ist ein entwürdigendes Schauspiel, wie da manche Bands rumschleimen und rumnerven. Sowas wird’s bei uns nie geben, denn dafür sind wir uns echt zu schade. Das ist Teil unserer Bandphilosophie: Wenn uns etwas interessiert, dann schicken wir eine Promo hin und fragen eventuell etwas später nach, aber das soll’s dann auch gewesen sein, wir gehen niemandem auf den Sack und gebettelt wird erst recht nicht. Aber zurück zu den Festivals: Wie gesagt würden wir gerne wieder ein paar kleinere Sachen mitnehmen, den Festivals sind echt eine coole Sache. Metal unter freiem Himmel, ein Campingstuhl, was zu trinken und ein paar Kumpels...Herz, was willst Du mehr?


Warst du dieses Jahr in Wacken? Das hat ja für zwiespältige Meinungen gesorgt....


Simon: Ich selbst war nicht in Wacken. Ich geh schon seit einigen Jahren nicht mehr hin, weil es mir zu unübersichtlich und zu teuer geworden ist. Für das Geld geh ich dann lieber auf zwei bis drei kleinere Sachen. Partysan, Fuck the Commerce und Summerbreeze stellen im Moment mein Festival-Dreigestirn dar. Die große Wacken-Schelte des Rock Hard hab ich auch nur am Rande mitbekommen. Mein Bruder und FY- Gitarrist Raffael war aber auf Wacken und er fand’s geil...


So, das war ein sehr ausführliches Gespräch und hat eine Menge Spaß gemacht. Noch ein paar Worte zum Abschluß?


Also erstmal natürlich vielen Dank an Dich für die Mühe und so. Ich hoffe natürlich, dass es Dir etwas Spaß gemacht hat - mir auf jeden Fall -, und dass ich ein paar interessante Dinge zu erzählen hatte. An alle die das Interview lesen: Wenn Ihr Bock habt, schaut mal auf der Homepage vorbei, mailt/schreibt wenn Euch danach ist, oder wenn Ihr noch Fragen habt. Wer Interesse an "In no sense Innocence" hat, der kann die bei mir bestellen (10 Euro inkl.) oder bei allen möglichen Mailordern kaufen.
Ach ja, was ich im Interview vergessen hatte zu schreiben: Demnächst wird eine neue Auflage der CD rauskommen, nachdem die ersten 1000 weg sind. Wenn es klappt, wird das Ganze offiziell über ein Label veröffentlicht. Das ist aber noch nicht sicher, die Gespräche laufen und es kommt jetzt drauf an, ob wir einen gemeinsamen Nenner finden. Wie oben geschrieben, sind wir nicht zwingend darauf angewiesen und wenn das mit dem gemeinsamen Nenner nicht klappt, dann erscheint eben auch die nächste Auflage als Demo/Eigenproduktion. Wir werden sehen...Tschüs!


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