Interview:

2005-02-03 Entombed

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Über ENTOMBED noch viele einleitende Worte zu verlieren, ist sicherlich unnötig. Die alten Haudegen und Mitbegründer des (schwedischen) Death Metals dürften jedem Metalfan geläufig sein und von den meisten für eine ihrer Schaffensperioden geliebt werden. Mit der Veröffentlichung von "Unreal Estate" haben ENTOMBED für Überraschungen gesorgt, ist die Scheibe doch eine Live-Aufnahme einer ENTOMBED-Show, aufgenommen in der Stockholmer Oper, wo die Band mit Ballett-Tänzern auf der Bühne stand. Wie es dazu kam, brachte ein gut gelaunter Alex Hellid (guit.) näher. Interview Ich war ein wenig überrascht, dass "Unreal Estate" erstmal nur als CD veröffentlicht wird. Eine DVD hätte sich doch angeboten, oder?


Oh, es wird sicher auch als DVD herauskommen, in einer nicht so weit entfernten Zukunft. Wir arbeiten daran, wenn auch fast nur in meinem Kopf *lacht*. Wir wollen eben nicht einfach nur eine DVD veröffentlichen, sondern eine richtig gute Scheibe machen. Es ist unsere erste richtige Live-Aufnahme seit 1991 und wir haben dadurch einfach so viel Material, Fotos und so, die wir mit raufpacken wollen. Vielleicht auch noch eine andere Show, die wir mitgefilmt haben.

Die "Unreal Estate"-Geschichte ist dazu noch sehr neu und individuell, da will jeder natürlich auch sehen, was passiert ist. Es wurden so viele großartige Fotos während unserer Show im Opernhaus gemacht, die wir sichten müssen und dann auf die DVD packen können. Das alles zu arrangieren dauert eben seine Zeit.

Eine Menge Leute fragen nach einer DVD und ich weiß, das viele sie kaufen wollen, aber wir wollen eine DVD machen, die richtig gut ist. Normalerweise schaut man eine DVD doch nur einmal an, während man eine CD immer wieder hört. Wir wollen die Leute dazu bringen, unsere DVD öfter anzuschauen, damit sie was für ihr Geld bekommen. Es soll etwas sein, was ich mir selbst auch kaufen würde.


Warum wurde "Unreal Estate" denn erst so spät fertig? Gespielt habt ihr die Show doch schon 2002…


Es war einfach nur Zeitmangel, der das Ganze so verzögert hat. Wir waren auf Tour, haben ein neues Album aufgenommen, das hat alles viel Zeit gekostet. Das Booklet zu entwerfen war auch ziemlich aufwendig. Es war einfach alles ein Zeit-Ding. Und da auch einfach alles gut aussehen soll, dauert es eben.


Was für Leute haben euch an dem Abend in der Oper zugesehen? Waren es Metal-Fans oder die normalen Opernbesucher?


Es waren viele der normalen Besucher da, also Leute die zu jeder Veranstaltung dort gehen, die ein Saison-Ticket haben und somit oft in der Oper sind. Es gibt auch viele Leute, die einfach zu jeder Premiere gehen, die in der Oper stattfindet. Viele von den Leuten sind natürlich nie vorher bei einem Metal-Konzert gewesen, dafür sind sie oftmals einfach auch zu alt. Aber es waren nicht nur diese alten Leute da, sonder auch die echten Metalheads mit langen Haaren und Kutte. Die Typen mit Kutte und Patronengurt da sitzen zu sehen und sich Ballet anschauen, war schon sehr bizarr.

Die Show war in drei oder vier Abschnitte unterteilt, einer war sehr kurz. Wir waren der letzte Akt, vorher waren noch zwei Akte normales Ballet *lacht*. Ich konnte leider das Ballet nicht sehen, aber ich glaube, dass viele Leute schon ein wenig gelangweilt davon waren. Gerade die, die nur wegen uns da waren. Beide Akte waren so 20 Minuten lang und dazwischen war glaube ich noch ein fünfminütiger Akt. Wir haben dann im letzten Akt um die 45 Minuten gespielt.


Warum habt ihr nicht länger gespielt?


Es gab einen Abschnitt in der Mitte, der komplett ruhig war, bei dem nur das Ballet getanzt hat. Den haben wir bei der CD schon weggelassen. Es war ja auch keine richtig ENTOMBED-Show, sondern mehr eine besondere Performance und es gab eine Set-Time von 45 Minuten. Nach der Show fiel der Vorhang und die Leute gingen nach Hause *lacht*. Das ist der Grund, warum die Show so lang war, wie sie lang war. Wir hatten einfach keine Möglichkeit, daran etwas zu ändern.


Von wem stammt eigentlich Idee für diese Show? ENTOMBED zusammen mit Ballett-Tänzern?


Die beiden Choreographen der Oper haben uns kontaktiert und angefragt, ob wir so was machen würden. Als wir die Mail bekamen und durchgelesen hatten, waren wir nicht sicher, ob sich da nicht jemand einen Scherz erlaubt hat. Ich meine, die hatten (in schwedisch) gefragt: "Würden sie gerne im Stockholmer Opernhaus auftreten, zusammen mit einem Ballett-Ensemble?" *lacht*. Wir waren uns eigentlich sicher, dass da jemand einen Witz machen. Aber dann haben sie ein zweites Mal geschrieben, diesmal in englisch. Und dann noch eine. Wir haben dann geantwortet und nach und nach begriffen, was sie eigentlich von uns wollten *lacht*. Wir hatten aber nie damit gerechnet, dass so eine Show wirklich stattfinden würde.

Sie wollten uns wissen, ob wir uns eine solche Sache überhaupt vorstellen können und interessiert wären. Wir hielten die Idee zwar für verrückt, aber waren einverstanden. Ich denke, es war sicher die abgefahrenste Sache, die wir seit langer Zeit gemacht haben *lacht*. Nachdem wir unsere Zusage gegeben hatten, wurde es ernst und die beiden haben mit uns abgesprochen, wie die Show ablaufen wird und welche Musik wir spielen werden, also welche Songs.

Da haben wir dann ein wenig Panik bekommen *lacht*. Sie wollten, dass wir einige ganz neue Sachen schreiben, die zur Show passten. Wir wussten nicht genau, was sie wollten, aber die beiden haben uns sehr geholfen und gesagt, wie das und das klingen muss. Sie wollten ein wenig die Atmosphäre von "Clandestine", aber zusätzlich ein paar neue Arrangements. Sogar ein kurzer Grind-Part. Wir wussten zwar nicht, wie das zum Ballet passen soll, aber sie wollten Grindcore *lacht*.


Haben die Tänzer sich während des Grindcore-Parts denn bewegt?


Weißt du, wir standen dort, wo normalerweise das Orchester ist. In dem Graben. Da gab es einen Lift, auf dem wir standen und mit dem wir hoch und runter gefahren werden konnten, bis zur Höhe der Bühne. An einer Stelle der Show, in der Mitte ungefähr, wurden wir hochgefahren und spielten diese beiden Grind-Songs. Da gab es auch düstere Beleuchtung und zum Ende hin wurden wir wieder runtergefahren. Der Grind-Part war also so was wie die Klimax des Ganzen. Ich glaube, die Tänzer hatten da Pause. Es war soviel Action, da hab ich kaum auf die geachtet *lacht*.


Ein wenig hat mich die Ruhe im Publikum überrascht.


*lacht* Das lag wohl auch daran, dass alle saßen und das Opernhaus natürlich nicht wie ein Club wirkt, sondern ehrwürdig und edel aussieht.


Schon klar, aber ich hätte gedacht, dass die anwesenden Metal-Fans ordentlich Lärm machen.


Für viele Leute war es ein anderes Gefühl, bei diesem Konzert zu sein, auch wenn wir dort gespielt haben. Der Raum hat eine ähnliche Atmosphäre wie eine Kirche, da ist man automatisch ruhiger. Die Leute wurden vom Raum selbst beruhigt *lacht*.


Mal weg von "Unreal Estate". Wann werdet ihr anfangen, ein neues Album zu schreiben? "Inferno" ist ja schon ein wenig älter…


Wir haben bereits damit angefangen. Deswegen haben wir eine ganze Zeit auch nur einzelne Shows gespielt und keine langen Touren. So konnten wir konzentriert an dem Album arbeiten. Aber las mich überlegen. Ich denke, dass Album wird nicht vor Herbst 2005 erscheinen, aber ganz genau kann man das ja nie sagen. Vielleicht wird es auch ein wenig schneller gehen.


Also nach dem Sommer-Festivals im nächsten Jahr?


Ja *lacht*.


Seit ihr immer noch bei Music For Nations?


Nein, "Inferno" war das letzte Album für Music For Nations. Music For Nations wurde vor kurzem von Zomba aufgekauft und dann geschlossen. Das war für uns natürlich ein guter Zeitpunkt für einen Wechsel. Wir sind jetzt bei unserer eigenen Firma, Threeman Recordings. Während der letzten beiden Alben hat MFN schon nur Scheiße gemacht, sie waren einfach viel zu sicher und stur, was die Arbeit mit uns betraf. Als sie dann von einem Major gekauft wurden, veränderten sich auch ihre Prioritäten und sie hätten sich mit so was wie Britney Spears befassen müssen. Das wäre sowieso nicht gut gegangen.

Wir wollen nicht mit Leute arbeiten, die keine Ahnung haben, also haben wir uns entschieden, unseren eigenen Weg zu gehen. Wir haben mit Threeman ja schon einige Erfahrung und bereits vor dem Ausverkauf von MFN war unser Entschluss ziemlich fest.


Werdet ihr eigentlich irgendwann mal wieder im Sunlight aufnehmen? So als Tribut an die alten Tage?


Ich weiß es nicht, da bin ich mir nicht sicher. Wir müssen uns natürlich mit Tomas [Skogsberg - Produzent im Sunlight] zusammen setzen. Aber das Ding ist, dass das alte Sunlight nicht mehr existiert. Das Studio, in dem wir unseren ersten drei Alben aufgenommen haben, gibt es nicht mehr. Tomas ist aufs Land gezogen, wo er mehr Platz für sein Studio hat. Das Sunlight war richtig klein und beengt, da wurde es wohl mal Zeit für einen Wechsel. Er muss jetzt erstmal sein Studio wieder aufbauen. Aber wenn er fertig ist, würden schon wieder mit ihm arbeiten.


Aber viel gemacht hat Tomas vor seinem Umzug auch schon nicht mehr, oder? So ist jedenfalls mein Eindruck.


Ich denke, das hat viel mit seinem Umzug zu tun. Er hat in der Zeit vor dem Umzug auch nicht mehr so aufgenommen, das stimmt. Ich kann mich gar nicht erinnern, was er zuletzt aufgenommen hat *lacht*. Aber es stimmt nicht, dass das Sunlight geschlossen ist.


Zum 15-jährigen Jubiläum habt ihr ja nichts besonderes veröffentlicht. Werdet ihr das noch nachholen oder ist "Unreal Estate" euer Geschenk an die Fans?


Das sicher nicht, nein. Die meisten Leute fragen uns nach den Demos, zu NIHILIST-Zeiten, also werden wir die 2005 herausbringen. Eine schwarze Kollektion der Demos. Die ersten vier Demos, also auch das unter dem Namen NIHILIST aufgenommene Zeug. Mit den ganzen alten Fotos aus der Zeit, so komisch die heute auch wirken *lacht*. Wir nach den ganzen Demos der alten Sachen auch eine Scheibe mit Outtakes aller Alben machen und auch die Demos aus der Zeit von "Wolverine Blues" mit raufpacken. Also auch die Songs, die es nicht auf ein Album von uns geschafft haben. Wir haben ja schon eine Doppel-CD mit allen Coversongs gemacht, da wird es auch Zeit für eine Scheibe mit raren Sachen, Bonussongs und so was. Aber das ist noch in Planung.

Und wir wollen auch die Rechte an unseren alten Alben zurückkaufen, um sie dann als Re-Release auf den Markt zu bringen. Aber ich bin mir da über die rechtliche Lage noch nicht im Klaren.

Zum Jubiläum gibt es aber erstmal die Demos *lacht*.


Wo du grade die Cover-Scheibe angesprochen hast: werdet ihr mal eine Show nur mit Coversongs bestreiten?


Nein, ich denke eher nicht. Wir haben die meisten Songs ja noch nie live gespielt, das wäre echt schwierig *lacht*. Aber man weiß ja nie, was passiert. Eine Menge Leute fragen uns nach einer solchen Show, aber wir sind wohl noch nicht bereit dafür. Einige der Songs spielen wir ja live, z.B. die MOTÖRHEAD-Sachen, aber die meisten Songs auf "Sons Of Satan…" waren wirklich nur als einmaliger Tribut von uns an die Bands gedacht. Mehr nicht *lacht*.


Wie stark seit ihr von der ganzen Download/ mp3-Geschichte beeinträchtigt?


Ich weiß es nicht. Es laden sich bestimmt viele Leute unsere Songs gratis aus dem Netz, aber die hätten unsere Alben wahrscheinlich sowieso nicht gekauft. Und die Fans kaufen unsere Alben nach wie vor. Es kommen aber vielleicht dadurch mehr Leute zu unseren Shows, ich weiß es nicht.

Wenn ich persönlich ein mp3 einer Band höre, das mir gefällt, will ich auch das Album und das kaufe ich mir dann. Aber vielleicht bin ich da auch old-school. Ich mag es eben einfach, Platten zu kaufen - selbst wenn ich die Scheibe als gebrannte Kopie bekommen kann. Wenn man in einer Band wie ENTOMBED ist, bekommt man auch viele Promos und Demos von Bands, die mal mit uns spielen wollen. Und bei Threeman kommt natürlich auch viel an. Ich will aber von Musik, die mir gefällt, keine gebrannte Kopie, sondern das ganze Album. Das liegt vielleicht auch daran, wie wir aufgewachsen sind. Man hat sich damals einfach gefreut, wenn man sich eine neue Platte kaufen konnte und hat die immer und immer wieder gehört. Heute schient das bei den Kids anders zu sein. Der Rest der Kumpels hat sich dann eine Kopie gemacht, aber jeder hat auch andere Platten gekauft. Heute wird man wahrscheinlich nicht mal diese eine Platte los *lacht*.

Ich weiß also nicht, ob das Internet uns da negativ berührt. Aber wir können es sowieso nicht ändern, also müssen wir abwarten, was passiert. Ich denke, dass die Pop-Branche da stärker betroffen ist. Metal-Fans sind einfach treuer und kaufen viel mehr Platten. Popfans sind nicht unbedingt Fan der Band, sondern Fan des Songs. Das kommt stark durch Radio und MTV zustande. Metal-Fans sind viel stärker Fan der Band und nicht nur von einem Song.

Ich kann verstehen, warum die Major Labels da so viel Angst haben.


Ja, die verlieren eine Menge Geld.


Genau. Und das trifft sie natürlich hart.


Auf der anderen Seite gibt es aber auch Label wie Century Media, die 2004 ihre Verkäufe deutlich steigern konnten.


Ja, oder Metal Blade. Es geht anscheinend aufwärts mit Metal *lacht*.


Du bist ja nicht nur bei ENTOMBED aktiv, sondern auch bei Threeman Records eingespannt. Ist es das, was du schon immer machen wolltest? Den ganzen Tag mit Musik, aber auch dem Musikbusiness zubringen?


Ja. Ich war natürlich schon immer sehr daran interessiert, Musik zu machen, aber auch genauso hinter die Kulissen zu blicken. Es hat einige Zeit gedauert, bis Threeman Records aufgebaut war, aber das hat sich gelohnt. Und es war und ist interessant, ein Label zu betreiben. Sich um so Sachen wie T-Shirt-Design oder Videos zu kümmern, macht einfach Spass. ENTOMBED und das Label sind natürlich eine Menge Arbeit, das darf man nicht unterschätzen. Aber es ist cool.


Du siehst dann ja auch beide Seiten der Medaille. Hat das einige Illusionen zerstört, die du über Musik hattest?


Nein, nicht wirklich. Ich glaube, ich war da schon immer sehr realistisch. Es ist eben nicht romantisch, wie das manche Leute sehen. Viele Leute denken, dass eine Band nicht mehr arbeiten muss, wenn sie erstmal einen Plattendeal hat. Aber genau dann fängt die Arbeit erst richtig an. Und daran gehen viele Bands auch zugrunde, sie unterschätzen einfach die Zeit, die man für die Band aufbringen muss.

Man muss sich schnell klarmachen, dass man einfach nichts umsonst bekommt. Jeder will ein Geschäft mit einem machen und niemand ist bereit, irgendwas zu verschenken. Es ist wichtig, sich Connections aufzubauen und einen Namen zu machen. Das ist harte Arbeit, genau wie den ganzen Ablauf beim Entstehen einer Platte zu überwachen. Das ist ja nicht nur Aufnahme, sondern auch Pressen, Layout, Promotion und viel mehr.


Entombed_1