Interview:

2003-08-24 Destruction

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Schmier, Sänger und Bassist, trinkt gern Rotwein, Caipirinha und Bier, bezeichnet sich als Choleriker und will als Rock´n´Roller gesund alt werden. So steht‘s auf der Homepage seiner nicht ganz unbekannten Band namens <b>DESTRUCTION </b>. Jetzt hat er mit seinen Kollegen Mike (Gitarre) und Neuzugang Marc (Schlagzeug) ein neues Album eingethrasht. Das zehnte heißt übrigens "Metal Discharge" und wird am 22.September in den Läden stehen. Als Bonus wird es einen Videoclip enthalten ("Desecrators Of The New Age"). Begeben wir uns also auf eine Zeitreise durch die Jahrzehnte.InterviewWas passiert, wenn zwei gesetztere Herren sich im Sommer verabreden? Richtig , sie reden als erstes übers Wetter. Allerdings gab es im August in Deutschland auch allen Grund dazu. Schließlich herrschte der "Jahrhundertsommer". Und wenn es hier im Norden schon warm war, dann war’s im Südwesteck, der Heimat Schmiers, so richtig mollig.

"40 Grad, der heißeste Ort in Deutschland. Kein Regen, kein Sturm. Und dann muß ich noch in die Küche, die aufgeheizte Bude."

Ach ja, im richtigen Leben betreibt der 66er-Jahrgang ein Restaurant namens Barracuda.

"Wenn’s irgend geht übernehme ich eine Schicht, meist bis 23 Uhr. Wir bieten internationale und gutbürgerliche Küche an. Und es gibt ´ne Juke-Box, die auch Metal spielt. An sich ist Istein ein Urlaubsort, bietet mit dem Isteiner Klotz eine ziemliche Sehenswürdigkeit. Burgen, Festungen, versteinerte Reptilien aus dem 16 Jahrhundert... Alles in allem ganz nett, aber kein Ort zum Älter werden."

Auch ein Grund, warum der 1,92 Meter-Riese Spanien als sein Lieblingsland bezeichnet.

"Es ist schon ein schönes Fernziel, in Spanien - vielleicht im Süden in Andalusien - ein schönes Leben zu leben. Das ist nicht so weit weg, man könnte DESTRUCTION am Leben erhalten und seine Freunde wären auch nicht aus der Welt. Das wäre im Falle Australien was ganz anderes."

Ach ja, da war ja noch was. DESTRUCTION. Soll der 88-Kilo-Mann doch mal was zur neuen Scheibe "Metal Discharge" erzählen.

"Unsere Zielsetzung war ein etwas abwechslungsreicheres Album als "The Antichrist". Das war schnell und hart und auch gut. Aber irgendwie fehlte der originale Live-Klang, der die Band wirklich repräsentiert. Das ist uns jetzt besser gelungen. Und ich habe endlich die Vocals, die ich haben will - sei es die Phrasierung oder der Sound. Außerdem haben wir in der Produktion bewußt auf Trigger, Pro-Tools und Computer verzichtet. Am liebsten wäre 24-Spur-analog gewesen. Die Leute haben uns für verrückt erklärt. Aber wir wollten uns ein wenig abheben von der metal-digitalen Scheiße. Vielleicht klingt das Ganze deswegen ein wenig mehr old-school. Oder einfach wärmer. Lieblingsstücke? Nimm den Opener "The Ravenous Beast": Ohne Tempowechsel geht’s voll auf die Zwölf. Oder das Titelstück. Aber viel wichtiger finde ich, daß ich auch nach vier bis sechs Wochen noch keinen Loser-Song gefunden habe. Sonst kommt so was immer vor, wenn man das Album einige Wochen hinter sich hat. Vielleicht fehlt der absolute Megahit, aber die Gesamt-Qualität ist dafür sehr hoch."

Ob das wohl auf die Texte zutrifft?

"Viele meinen Ja, Heavy Metal dürfe nicht politisch sein. Ich will da auch niemandem etwas vorschreiben, denke aber, man sollte mit offenen Augen durch das Leben laufen. Nimm als Beispiel "Historical Force Feed". Der Inhalt könnte einerseits bedeuten, daß ich für immer als Nazi bezeichnet werde, weil ich aus Deutschland komme. Andererseits könnte es auch ein Aufruf zu mehr Toleranz verstanden werden. Wer braucht weitere Texte über tote Drachen oder den Herren der Ringe. Egal, jeder soll die Lyrics lesen und sich sein Urteil bilden."

Was ein junger Mann im Internet gemacht hat. Und euch schlechtes Englisch bescheinigt. Dem bist du dafür mit ziemlich derben Worten ("Lutsch meine Nülle ...") begegnest.

"Wieder so ein Ami. Seit "Fuck The USA" sind viele Fans von drüben sauer. Sie wollen uns einfach andauernd an die Karre pissen. Entweder ich reagiere gar nicht mehr drauf oder eben derb."

Noch mal zurück zur Produktion. DESTRUCTION hat mit V.O. Pulver zusammen gearbeitet, der mit GURD derzeit eine große Scheibe am Start hat. Nicht mehr mit Meister Tägtgren. Wieso, weshalb, warum?

"Wir sind im Frieden auseinandergegangen. Ein drittes Mal in Schweden zu arbeiten, wäre ein Rückschritt für die Band gewesen. Wir brauchten einfach mal wieder was Neues. Und V.O. ist ja bekanntlich seit langem ein guter Kumpel, wohnt nicht weit weg. Wir haben mehr zusammen gearbeitet, wobei er so was wie eine Co-Produzenten-Rolle übernommen hat. Quasi eine Beraterfunktion. Er weiß ziemlich genau, was für DESTRUCTION gut ist. Schließlich ist er, auch, wenn es viele nicht glauben wollen, ein echter Thrasher. GURD sind für mich so etwas wie eine Mischung aus Exodus und Prong."

Begeben wir uns weiter auf Zeitreise. Beschreib‘ mal die Entwicklung der Band Anfang bis in die Gegenwart: Drei unglaubliche Platten, dann ging’s bergab bis zum Split, dann die Reunion ...?

"Stimmt. Die Band mußte sterben, weil jeder etwas anderes wollte und wir gar nicht wußten, wie cool das eigentlich war, was wir geschaffen hatten. So ist jeder seinen Weg gegangen und schließlich haben wir wieder zusammen gefunden. Dann mußten wir den Reunion-Mief weg bekommen. Und jetzt sind wir wieder erfolgreich, weil wir machen, was wir wollen: Musik, Layout, Fotos, Video, alles ist selbst bestimmt, wirklich niemand redet uns rein."

Fehlt noch der Grund für die Reunion.

"Ausschlaggebender Punkt war meine Ex-Alte. Ich habe zwischendurch zwei Jahre lang überhaupt keine Musik gemacht, dafür wohl umso mehr darüber gequatscht. DESTRUCTION hier, DESTRUCTION da. Dann kamen immer wieder Interview-Anfragen. Na, und da meine sie dann irgendwann, ich solle einfach Mike anrufen. Das habe ich dann gemacht. Er meinte aber, er habe keinen Bock, alte Songs aufzuwärmen und sich zu blamieren. Dann feierten wir eine Party - nur so, hoch die Tassen. Es waren zehn Jahre Gras drüber gewachsen, und wir merkten, wie stark die Erinnerungen an eine geile Zeit waren. Naja, und dann starteten wir doch mal ein Jam-Session. Und als wir "Mad Butcher" spielten, war die alte Magie zurück. Mit Headhunter zockten wir das Ding ja auch, aber das war was völlig anderes. Als wir dann in Wacken auftraten, die unglaublichen Fan-Reaktion sahen und die Labels uns mit Angeboten überhäuften, wir uns Peter leisten konnten, da haben wir gesehen, daß es ein richtiger Entschluß war."

Tommy, Schlagzeuger zu Beginn der Karriere, war aber nie als Drummer im Gespräch.

"Nein, der hat ja eine Polizei-Laufbahn eingeschlagen und ist inzwischen Oberkommissar. Aber die alten Probleme sind ausgeräumt, er ißt bei uns, besucht uns öfter im Proberaum und findet die ganze Sache inzwischen witzig. Jetzt hat er sogar wieder lange Haare. Ist wohl Undercover unterwegs."

Nun mal ein Blick in die Zukunft: DESTRUCTION geht auf’s Weihnachts-Tourneelein, das war zwischendurch ein wenig wackelig.

"Ach was. Ich hatte mal meinem Unmut über die Teilnahme Deicides geäußert. Wir wollten mit Hypo touren, mit Deicide lieber nicht. Nun sind wir aber dabei. Letztlich sind diese Tourneen für Bands und Fans eine gute Sache mit ordentlichem Preis-Leistungsverhältnis. Und wem es zu anstrengend ist, der kann ja später kommen."

Oder früher gehen, oder auf die DESTRUCTION-Headliner-Tour kommen.

"Stimmt, die wird auch noch folgen. Ich würde ja gerne mit Exodus spielen, aber die Ami-Bands sind immer recht teuer, weil da irgendwelche dubiosen Manager mitmischen. Wer weiß, was klappt, es wird auf jeden Fall ein lohnendes Package."

In Japan ist auch noch eine Live-Scheibe rausgekommen, die hierzulande über Nuclear Blast erhältlich ist.

"Stimmt. Wir haben das Material den Japanern angeboten für unsere dortigen Dates."

Dafür erscheint hier in Kürze eine Digital Versatile Disc.

"Wenn’s klappt soll die DVD zu Weihnachten herauskommen. Die Fans fragen echt immer wieder danach. Allerdings weiß ich nicht, ob wir das wirklich pünktlich hinkriegen. Wir haben wirklich Tonnen von Material zur Verfügung. Allein das Auswerten dauert elend lange. Und da es ein echtes Monumentalwerk werden soll, könnte es durchaus sein, daß sich die Veröffentlichung noch ein wenig nach hinten verschiebt."

DESTRUCTION sind jetzt seit 1982 unterwegs, da kommt es auf die paar Monate auch nicht an. Soll uns Schmier doch mal mit auf die Zeitreise durch die Metal-Szene nehmen.

"Am Anfang war die Euphorie viel größer, die Leute begeisterungsfähiger. Heute sind viele satt, vor allem im zentralen Europa. Wenn ich aber nach Wacken gehe oder so, dann spüre ich das alte Feeling. Gut ist hingegen, daß das Schubladendenken nicht mehr so ausgeprägt ist. Deather-Fans hören auch Thrash, Power-Metaler auch Black-Metal. Wobei ich persönlich nichts mit diesem Drachentöter-Scheiß und den dazu gehörigen Kindermelodien anfangen kann. Es ist wirklich eine traurige Entwicklung, daß jungen, nachwachsenden Fans weisgemacht wird, das sei Heavy Metal. Aber trotz aller Unkenrufe hat sich die Szene aufgerappelt, steht derzeit ganz gut da. Es ist noch gar nicht lange her, da waren ganze Stilrichtungen am Sterben, in den Medien fand Metal überhaupt nicht statt. Heavy Metal wird wohl immer Underground bleiben und sich immer gegen Trends wehren müssen. Ist vielleicht auch besser so, als wenn sich ein Haufen Idioten auf Konzerten rumtreibt und nach ein paar Monaten wieder weg sind, weil es irgendwas anderes gibt. Und zu diesem ganzen Gemecker gegen größere Plattenfirmen von wegen Ausverkauf, Kommerz und überhaupt: Das ist doch nur Futterneid gegen Firmen, die sich als Fans von unten nach oben gearbeitet haben. Wie zum Beispiel Nuclear Blast. Auch, wenn es sich pathetisch anhören mag: Metaller müssen zusammenhalten, an einem Strang ziehen, damit die Szene überleben kann. Und im Moment und für ein paar weitere Jahre glaube ich, daß es klappt."

Noch mal zurück zu den Anfangstagen: Ihr seid Mitte der Achtziger mit Slayer auf Tour gewesen. In Wacken fielen die Kollegen vor allem durch absolut rock-star-mäßiges und arrogantes Gehabe bei der Autogramm-Stunde (und durch leisen Sound) auf. Ob das früher auch schon so war?

"Ignorante Amis. Aber ich will dazu nichts weiter sagen, sonst heißt es nur, der Schmier kann die Amis sowieso nicht ab und ist nur neidisch. Klar sind nicht alle Amerikaner so. Auch in der Band nicht. Lombardo war damals super-nett und ist heute auch noch völlig normal und okay. Reicht das?"

Zu diesem Thema schon. Vielleicht gibt’s aus dem Privat-Bereich noch etwas zu berichten? Hobbies, Hund, Katze, Maus?

"Freundin (ver-)suche ich. Ist halt nicht ganz einfach, weil ich weiß, was ich will. Und ich brauche eine Frau, die mich komplett unterstützt und nicht immer meckert, wenn ich mit der Band unterwegs bin oder einfach keine Zeit habe. Zeitmangel ist auch der Grund, warum ich kaum Hobbies habe. Ein bißchen Sport hier, ein Kino-Filmchen da. Wobei mich der zweite Teil von Matrix absolut enttäuscht hat. Schlechte Dialoge, Effekte wie im Videospiel, keine düstere Magie mehr und christliches Geseiere am Ende."

Geht es nicht noch ein wenig privater? Rasierfetischist?

"Haha. Die Geschichte! Das geht wohl auf die Crematory-Keyboarderin zurück. In der Markthalle Hamburg gibt es Backstage nur einen einzigen, winzigen Duschraum. Und als ich mich dann gerade frisch gemacht hab, kommt sie rein, erschreckt sich und babbelt was von: Schmier rasiert sich seine Rakete. Komisch, ist doch wohl nix Ungewöhnliches. Wer hat schon gerne Haare im Mund?"


So sieht´s aus, schon immer. Ein Gewitter zieht auf: Das neue Album heißt METAL DISCHARGE. Gruppenbild mit Instrument: DESTRUCTION. Promo-Arbeit.