Interview:

2006-10-18 Cradle Of Filth

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Black Metal oder nicht Black Metal - das ist hier die Frage! Es scheint aber, als ob diese Frage nur unter den Fans ausdiskutiert werde, denn CRADLE OF FILTH können sowohl mit ihrem bisherigen Werdegang, als auch mit ihrem neuen Werk "Thornography" absolut zufrieden sein. Auch wenn Frontvampir Dani Filth selbst nicht mehr genau weiß, welchen Stil die Band spielt, ist er dennoch gewiss, mit seinen (teilweise neuen) Mitstreitern auf dem richtigen Weg zu sein - egal, wohin dieser noch führen wird… InterviewWas ist denn innerhalb der Band seit dem Release des letzten Albums, "Nymphetamine", alles passiert? Gab es irgendwelche neuen Erfahrungen in den letzten zwei Jahren?



Oh, es war schon Einiges los; wir sind mit dem neuen Album getourt, echt klasse! Dann kam unsere neue DVD "Peace Through Superior Firepower" heraus, und wir hatten zwei schrittweise Änderungen im Line - Up. Zuerst hat uns unser Gitarrist James Mcilroy verlassen, weil er sein Studium an der Universität beenden wollte. Er wurde dann durch Charles Hedger ersetzt, einem Freund der Band, der sich schon seit längerer Zeit in unserem Umfeld bewegt. Dann verließ uns unser Keyboarder Martin Powell, den wir aber im Moment nicht ersetzen müssen, da wir mit Rosie Smith unsere Tour - Keyboarderin haben, die all die Shows und Festivals mit uns durchgezogen hat. Es kann sein, dass sie irgendwann ein permanentes Bandmitglied wird, aber zurzeit kommen wir als Fünf - Mann - Kapelle sehr gut klar. Die Keyboard - Parts auf dem neuen Album wurden von insgesamt drei Leuten eingespielt, das funktioniert echt gut.



Euer letztes Werk "Nymphetamine" wurde sogar für einen "Grammy" nominiert. Wie findest Du die Idee, dass eine ehemalige Black Metal - Band solch einen Preis verliehen bekommt?



Nun, wir haben ihn ja am Ende nicht bekommen, hahaha!



Aber ich meinte auch die Idee an sich…



Das ist natürlich großartig, fantastisch! Ich habe meine Medaille, die ich bekommen habe, meiner Mutter geschickt. Das war echt klasse, aber wahrscheinlich auch ein Verdienst von Roadrunner Records, die in Europa einen tollen Job für uns gemacht und wir gut verkauft haben. Nun geht es für uns auch in den Staaten gut los, und die Staaten sind bekanntlich schwer zu knacken.



Ihr habt "Thornography" von Andy Sneap mixen lassen. Seid Ihr denn mit seiner Arbeit zufrieden?



Ja, jetzt schon, aber ich hatte am Anfang meine Zweifel, weil wir mit den Leuten, die an "Nymphetamine" gearbeitet hatten, sehr zufrieden waren. Unser letzter Produzent Rob Caggiano hat das Album ja eingetütet, aber unser treuer Engineer Dan Turner, der bei den letzten drei Alben mit uns zusammen gearbeitet und gemixt hatte, war leider in andere Projekte involviert, aber Andy Sneap hat einen erstklassigen Job gemacht und sich total mit dem Album auseinandergesetzt.



"Thornography" ist außerdem wieder ein sehr langes Album geworden. Es scheint so, als ob Ihr zuletzt Alben mit einer Spielzeit von jenseits der 60 Minuten bevorzugt…



Wir hatten gar nicht beabsichtigt, dass es wieder so lang wird, wir haben sogar noch Einiges mehr an Material geschrieben. Wir haben dann Material gesammelt und erstaunt festgestellt, dass es wieder 60 Minuten und mehr geworden sind. Es ist eigentlich nicht so gut, dass ich jetzt schon darüber rede, aber wir planen außerdem noch eine Special Edition, denn wir haben zusätzlich noch eine Coverversion und drei eigene Tracks aufgenommen, die es leider nicht mehr auf das eigentliche Album geschafft haben. Andy Sneap ist so gut, die Songs für uns zu mixen, aber wir müssen noch ein paar Sachen ausarbeiten, wie Gitarrensoli oder Gesang. Ich denke, diese Special Edition wird etwa ein halbes Jahr nach dem normalen Release erscheinen. Wir wollten wirklich nicht wieder so lang daherkommen und haben versucht, uns ein wenig zu zügeln, doch es ist wieder so viel geworden, haha!



Diese Sache mit der Special Edition habt Ihr doch auch schon mit "Nymphetamine" durchgezogen, meiner Meinung nach eine mehr als zweifelhafte Aktion, denn der Fan, der das Album am normalen Release - Termin erwirbt, guckt ein halbes Jahr später dumm aus der Wäsche, wenn er das Album mit zusätzlichen Bonustracks erneut im Laden sieht.



Der Fan muss das Album deswegen aber nicht noch einmal erwerben, denn er kann sich die übrigen Songs herunter laden. Ich persönlich wollte lieber eine EP daraus stricken, aber unsere Plattenfirma war damit nicht einverstanden. Insgesamt werden es wohl sieben neue Tracks sein, die man aber allesamt downloaden kann.



Ist "Thornography" denn erneut ein Konzeptalbum geworden?



Nein, aber es gibt gewisse Charakterzüge und Themen, die sich durch das Album ziehen. Das Cover - Artwork führt alles zusammen, und man mag denken, dass es ein Konzeptalbum sei, aber es besteht eher aus Kurzgeschichten. Wir haben die Freiheit echt genossen, und der Hörer wird länger bei der Stange gehalten, weil er nicht denkt: "Oh fuck, nicht schon wieder so ein Konzeptding!". Man muss dann die Songs um das Konzept herum stricken und nicht Konzept um die Songs herum. Bei dem neuen Album stehen die Songs stärker im Mittelpunkt als bei unseren vorherigen Scheiben. Das merkt man zum Beispiel an den Singalong - Chorusses, der Cover - Version von "Temptation" oder dem Gastauftritt von Ville Valo in "The Byronic Man", das von Lord Byron handelt. Es ist eine fucking heavy Scheibe, aber einer der Hauptunterschiede zu unseren früheren Alben ist, dass wir versucht haben, die Songs eingängiger zu gestalten.



Sind die einzelnen Songs denn zumindest durch ein gemeinsames Thema miteinander verknüpft?



Nein, nicht notwendigerweise und nicht alle davon. "Lovesick For Mina" zum Beispiel ist ein weiterer Song, der mit der Vampirthematik aufwartet, während etwa "I Am The Thorn" die Figur des Racheengels oder einer bestrafenden Macht in den Mittelpunkt stellt. "Under Huntress Moon" ist dann wieder eine Hymne auf die große Jägerin Diana, liegt also im Bereich der klassischen Mythologie. Es gibt aber auch wieder genügend traditionellen CRADLE OF FILTH - Stoff, der dann eben Stücken wie "Tonight In Flames", "I Am The Thorn" oder "The Foetus Of A New Day Kicking" gegenübersteht. Das sind allgemein poetische Sichtweisen von Dingen, die um uns herum passieren.



Ein Stück fällt aber meiner Meinung nach darunter besonders auf, nämlich das erwähnte "The Foetus Of A New Day Kicking". Ich habe zwar den Text nicht vorliegen, aber es scheint dort um Terrorismus zu gehen?!



Auf eine gewisse Art, ja, aber ich glaube, Du beziehst Dich auf das im Song erwähnte "Ground Zero". Es gibt auf dem Album ein paar Songs, die in diese Richtung gehen. Das hat aber eher religiöse Motive, verglichen etwa mit der Auferstehung Christi, also der Rückkehr eines gequälten Geistes, der, aus allen Rohren feuernd, zurückkommt, doppelt so stark. Es ist die Wiederauferstehung, die Wiedergeburt des einen Geistes, vielleicht mit dem Ziel der Rache.



In einer Frage vorhin habe ich Euch als "ehemalige" Black Metal - Band bezeichnet, weil Ihr Euch meiner Meinung nach innerhalb der letzten Jahre stark vom traditionellen Black Metal - Stil wegbewegt habt. Siehst Du CRADLE OF FILTH den selbst überhaupt noch als eine Band dieses Genres?



Im Geiste, ja! Aber musikalisch weiß ich selbst nicht mehr, was wir genau sind, haha! Es ist aber die größte Ehre für die Band, wenn man sie nicht kategorisieren kann. Es ist einfach CRADLE OF FILTH! Es wäre natürlich hochnäsig, das zu wünschen, aber es wäre genau das, was wir möchten. In unserer Essenz sind wir immer noch eine Black Metal - Band, aber wir gehören nicht wirklich in diese Szene, das war auch noch nie der Fall! Wir wurden auch von der skandinavischen Szene stets gemieden, nicht von jedem, denn wir sind gut mit DARK FUNERAL, IMMORTAL, EMPEROR oder GORGOROTH befreundet. Es gibt da schon einen Unterschied zwischen Skandinavien und Europa und England, den wir sitzen hier alleine auf unserer Insel fest und mussten uns immer wieder anhören, dass wir nicht "True Black Metal" sind. Irgendwann dachten wir: "Fuck you, ok, dann sind wir das eben nicht!", haha!



Habt Ihr denn schon eine Idee, in welche stilistische Richtung Ihr Euch in der nahen Zukunft bewegen könntet?



Gebt uns eine Chance, das herauszufinden, hahaha! Aber nein, wir haben jetzt erstmal "Thornography" draußen und werden sehen, was passiert. Aber das ist ja gerade das Gute daran: wenn man es planen würde, käme es nicht mehr aus der Seele. Ich will jetzt auch noch gar nicht wissen, welchen Weg wir beschreiten werden, ich will nur, dass wir weiterhin dunkel und gefährlich rocken. Man sollte nur immer glücklich mit sich selber sein, das ist das Wichtigste!




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