Interview:

2004-06-18 Chaosbreed

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In ihren Hauptbands spielen sie inzwischen nur noch Rock, die Spannbreite reicht vom rotzigem MOTÖRHEAD-Soundalike THE BLACK LEAGUE über die Ausflüge in Alternative und Psychedelic-Kram bei AMORPHIS bis zum Glam-Rock von MANNHAI. Aber bei CHAOSBREED zocken die finnischen Death Metal-Veteranen Taneli Jarva, Esa Holopainen, Olli-Pekka Laine, Nalle Östermann und Marko Tarvonen - na, was wohl? - alten, skandinavischen Death Metal im Stil der frühen Neunziger herunter. Ihr Album "Brutal" kam vor vier Wochen bei Century Media raus und ließ die Gleichaltrigen nostalgisch schmunzeln. Zum Schmunzeln findet ihr hoffentlich auch unseren editorischen Kunstgriff, denn dieses Interview gibt es der besseren Lesbarkeit halber auf drei Häppchen verteilt: Das Festbankett aus Anekdoten, dass uns Schlagzeuger Nalle Östermann auftischt, ist sonst wahrscheinlich ein zu großer Brocken. Teil eins beginnt im Sonnenlicht und endet bei Metallica:InterviewStimmt es, dass ihr ursprünglich geplant hattet, zu Thomas Skogsberg ins Sunlight Studio zu gehen? Produziert der überhaupt noch? Ich meine, bestimmt zwei Jahre nichts von ihm oder über ihn gehört zu haben.


So lange ist es gar nicht her, dass Thomas Skogsberg das Reunion-Album "Back From The Grave" von GRAVE produziert hat. Dieses Album hatte er sogar aufgenommen, abgemischt und produziert. Und das Album ist wirklich gut, hat einen guten Sound und eine gute Produktion. Wenn ich mich nicht irre, kam dieses GRAVE-Album letztes Jahr raus. (Da haben wir uns wohl beide ein wenig verschätzt, die letzte GRAVE kam im November 2002 raus. - laetti) Die entscheidende Motivation war natürlich, dass es einfach cool wäre, seinen Namen auf dem Album stehen zu haben. Aber es hat wohl nicht sein sollen. Ungefähr eine Woche bevor wir ins Studio gehen wollten, hatte er sich bei uns gemeldet. Wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt mehrfach vergeblich versucht, ihn zu erreichen. Dann bekamen wir eine SMS von ihm, dass er einige familiäre Probleme habe, ob wir nicht die Aufnahmen um eine oder zwei Wochen nach hinten verschieben könnten? Aber in der Woche drauf hatten wir schon Verpflichtungen in Finnland, Taneli war mit THE BLACK LEAGUE in ein Studio gebucht, Olli-Pekka "Oppu" Laine mit seiner Band MANNHAI ebenfalls und Esa hatte ein paar Gigs mit AMORPHIS. Wir hatten diese eine Woche bei ihm gebucht und nur in dieser Woche Zeit und also keine Wahl. Skogsberg hatte keine Zeit für uns, also mussten wir improvisieren. Zum Glück hatte Esa mit Santeri Kallio und Niclas Etelävuori von AMORPHIS über unser Pech gesprochen. Die beiden haben ihr eigenes "CCPC"-Studio hier mitten in Helsinki im Stadtteil Kallio. Wir haben uns entschlossen, es wenigstens dort zu versuchen, wir hatten nichts zu verlieren. Und das Resultat hat unsere Erwartungen auch bei weitem übertroffen. Wir hatten ein "Happy End".


Das CCPC-Studio ist inzwischen wohl Krach gewöhnt, zuletzt hatte Nico dort sein Grindcore-Projekt TO SEPARATE THE FLESH FROM THE BONES aufgenommen.


Wir haben uns in dem Studio mehr oder weniger selbst produziert. Sande hat ein bisschen an den Knöpfen gedreht und Nico war für die gute Laune zuständig. Die Aufnahmen liefen dann wie geschmiert. Wenn ich früher mit meinen Bands im Studio war, fühlte sich das immer wie eine strenge Aufnahme-Session an. Das hier war ganz anders, eher ein Abhängen mit netten Leuten und guten Freunden. Und das Resultat war viel besser, als all diese Platten, die in strenger Studio-Atmosphäre entstanden sind. Meiner Meinung nach ist das ein viel besseres Arbeitskonzept, Sachen einfach entstehen zu lassen und dann am Ende sich ganz verwundert über das Ergebnis freuen zu können: "Ernsthaft? Haben wir eben ein Album gemacht?"


Also braucht ihr keinen Aufseher?


Vielleicht brauchen wir noch nicht einmal Thomas Skogsberg.


Alles fing mit den "Evil Chucks" an?


Ja, das muss der Anfang gewesen sein, nach diesem Auftritt wussten wir wieder, wie es sich anfühlt, Kram wie diesen zu spielen. Natürlich ist es traurig, dass erst Chuck Schuldiner sterben musste, damit wir wieder anfangen, Death Metal zu spielen und das Gefühl dafür zurück bekommen, aber so ist es dann gekommen. Oppu und ich hatten nach Chuck Schuldiners Tod die Idee, ein Memorial-Konzert für ihn zu organisieren. Ein paar finnische Bands haben dort gespielt, NORTHER und DIABLO, außerdem MORBID DREAM, die sich eher wie die technische Seite von DEATH anhören. Dann brauchten wir nur noch eine Tribute-Band und haben "The Evil Chucks" auf die Beine gestellt: Ich saß am Schlagzeug, Oppu am Bass, der Gitarrist von MOONSORROW an der einen Gitarre und der Gitarrist von Rytmihäiriö an der zweiten. Die Sänger haben sich abgewechselt, und so kam Taneli auch für ein paar Songs dazu. Ich glaube, er hat von diesem Gig das gleiche Gefühl zurück behalten wie wir. Trotzdem hat es noch bis 2002 gedauert, bis wir anfingen, eigenes Zeug zu spielen. Damals habe ich zuerst mit Marko Tarvonen über eine Band wie CHAOSBREED gesprochen. Wir sind zusammen zum Proberaum gestiefelt, Oppu und Marko hatten ein paar Riff-Ideen, wir haben die zusammen ausgearbeitet, und nach einiger Zeit kamen dann Taneli und Esa dazu. In dieser Konstellation haben wir nach wenigen Proben gemerkt, dass das mehr werden könnte als eine betrunkene Cover-Band. Klar haben wir trotzdem ordentlich Bier in den Proberaum gestellt, rumgesessen und an die guten alten Zeiten gedacht. Wir wollten einfach eine gute Zeit haben, und hatten das Gefühl, "das hier ist etwas, wofür es sich lohnt, weiterzuarbeiten". Und so ist es weitergegangen. Ich bin der Meinung, dass diese Band jetzt über den Status als Projekt drüber hinweg ist und eine "richtige Band" geworden ist.


Na ja, trotzdem habt ihr mindestens zwei Leute bei CHAOSBREED, die sich mindestens genauso auf den Erfolg ihrer anderen Band konzentrieren: Die nächste MANNHAI wird eine großartige Platte und Taneli vergisst in keinem Interview, THE BLACK LEAGUE zu erwähnen.


Keine Ahnung. Ich nehme die Sachen so, wie sie kommen. Man kann den Erfolg nicht herbei reden, und das können die beiden auch nicht. Kein Mensch weiß heute, was die nächste Platte verkaufen wird, selbst, wenn alle Pressestimmen gut sind. Wir machen mit CHAOSBREED einfach weiter gute Musik, und wenn alles gut ausgeht - prima. Die Leute denken alle viel zu viel darüber nach, was wäre wenn - und bekommen dann nichts mehr gebacken, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, darüber nachzudenken, was sie tun könnten, anstatt es zu tun. Wir konzentrieren uns mit CHAOSBREED also einfach auf das, was wir tun. THE BLACK LEAGUE haben nach ihrem letzten Album kaum live gespielt, MANNHAI ebenso wenig. Klar hoffe ich für die beiden, dass deren Bands jetzt durchstarten, aber ebenso hoffe ich für CHAOSBREED, dass wir endlich eine Möglichkeit bekommen, zu touren.


Man munkelte, ihr hättet auf die Tour mit MAYHEM aufspringen können?


Das stimmt, aber das hätte vorn und hinten nicht gepasst. Als die MAYHEM-Tour los ging, war unser Album noch nicht in den Läden. Wir fanden dass überflüssig, für eine Tour bezahlen zu müssen, wenn das Album noch nicht draußen ist und die meisten Leute von uns wahrscheinlich noch nichts gehört hatten. Noch nicht einmal die Reviews wären draußen gewesen. Das war der eine Grund. Ein anderer war, dass einige von uns hier in Finland andere Verpflichtungen hatten, Esa ist erst vor kurzem Vater geworden und muss sich um sein Kind kümmern, andere von uns konnten nicht so kurzfristig auf der Arbeit frei bekommen. Aber das hätten wir vielleicht alles arrangieren können, MAYHEM sind außerdem nicht die perfekt passende Band gewesen. Einige von uns fanden die Idee nicht gerade berauschend, mit einer Band auf Tour zu gehen, die gewisse Tendenzen dazu hat, auf und neben der Bühne ziemlich dumme Dinge zu tun. Angefangen mit ihren Messer-Spielchen. Wir hatten wirklich nicht das Gefühl, dass wir so super zu diesem Paket gepasst hätten. Es ist außerdem ein Unterschied, ob man vor beinharten Black Metal-Fans spielt oder vor echten Death Metal-Anhängern. Bei uns in der Band tendieren die wenigsten zum Black Metal. Klar mag ich die alten BATHORY und VENOM, aber da ist mein Black Metal-Horizont auch schon zu Ende. Heute distanzieren sich die meisten Blackmetaller ja davon, was Anfang der Neunziger in Oslo passiert ist, aber ich würde mich trotzdem nicht ganz wohl fühlen, mit einer Band auf Reisen zu sein, die damals mittendrin war. Also warten wir ab. Ich glaube, dass wir mit "Brutal" ein so starkes Album abgeliefert haben, dass wir auch die Möglichkeit bekommen werden, es live zu supporten. Und wenn dem nicht der Fall ist, verschwinden wir halt wieder im Studio und setzen noch einen drauf.


Ihr habt verdammt coole Promo-Fotos. Seid ihr etwa extra nach Schweden gefahren, um das ENTOMBED-Foto mit dem Kreuz nachzustellen?


Oppu kennt sich mit so was aus. Es gibt nämlich hier in Helsinki auch einen Friedhof mit so einem großen Kreuz. Die Dinger sind ganz im Geiste der ersten ENTOMBED-Fotos geknipst, wir waren entschlossen, auch diese Idee gnadenlos von ihnen abzukupfern. Wir haben die Fotos in derselben Laune gemacht wie die ganze Band, wir sind dort hingegangen, haben Posen aus unserer Jugend nachgemacht und hatten eine Menge Spaß. Viel zu viele Bands wollen auf ihren Promo-Fotos entweder cool oder böse aussehen, und im Resultat sehen sie dann entweder blöde oder deprimiert aus. Wir haben uns gar keine Mühe gegeben, anders als blöde auszusehen, und das Resultat ist meiner Meinung nach extrem cool. Ein bisschen ist das mit den frühen METALLICA-Fotos vergleichbar: Als METALLICA musikalisch noch richtig geil waren, haben sich keinen Deut um Eitelkeiten gekümmert und für ihre Fotos Grimassen geschnitten und herumgeblödelt. Das sind die besten Fotos, die es von METALLICA gibt. Als sie dann ihren kommerziellen Durchbruch hatten, haben sie Anton Corbijn engagiert, um stylische Fotos mit Make-up von ihnen zu machen. Und seitdem geht es mit der Band abwärts. Wenn wir uns also mal geschminkt ablichten lassen, dann wisst ihr Bescheid, dass es ab jetzt nur noch schlechter werden kann....


CHAOSBREED Teil 2 - "Mit Entombed abgelacht" - lesen...


CHAOSBREED Teil 3 - "Der Kreis schließt sich" - lesen...

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