Interview:

2004-06-20 Chaosbreed

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Teil3: Im letzten Teil der CHAOSBREED-Trilogie erfahrt ihr mehr über Schlagzeuger und Musikjournalisten Nalle Östermann selbst und die Kinderschuhe der finnischen Metalszene, über die bestechenden Fähigkeiten eines kleinen Stückes Stahl in den falschen Händen und darüber wie eine mitdenkende Plattenfirma ihre Musiker begeistern kann:InterviewDeine Band-Kollegen Taneli Jarva, Esa Holopainen und Olli-Pekka Laine haben mit SENTENCED und AMORPHIS in Deutschland relativ großen Bekanntheits-Status erreicht, Marko Tarvonen und du müssten sich der deutschen Öffentlichkeit mal vorstellen:


Was soll ich da sagen? Ich laufe inzwischen seit ungefähr zwanzig Jahren in der Metal-Szene herum. Ungefähr mit 13 habe ich angefangen, Konzerte zu organisieren und seitdem ich 15 bin, schreibe ich für verschiedene finnische Magazine. Mit 13 habe ich auch angefangen, Schlagzeug zu spielen. Aber davon hatte ich nach einiger Zeit die Nase voll, ich wollte selbst die Songs für eine eigene Band schreiben, also bin ich umgestiegen und habe angefangen, Gitarre zu lernen. Ich gründete GANDALF, und die gab es dann neun Jahre lang. Anfangs spielte Gas Lipstick (heute Drummer bei HIM - laetti) bei GANDALF Schlagzeug, auch noch auf dem erste Demo. Leider war er danach zu sehr mit seiner anderen Band KYYRIA beschäftigt. An dem Punkt musste ich mich entscheiden, wenn die Band weiter bestehen sollte, musste ich das Schlagzeug wieder lernen. In den neun Jahren mit GANDALF haben wir bei Wicked World, einem Unterlabel von Earache, zwei Alben veröffentlicht, "Deadly Fairytales" und "Rock Hell". Ich glaube, die Band hat sich aufgelöst, weil es mit der Zeit immer mehr Spannungen zwischen den Bandmitgliedern gab. Ich fühlte mich von den anderen mit der Arbeit allein gelassen, die fühlten sich von mir überfordert. Am Ende wurde es noch mal richtig stressig, dann haben die schlechten Momente die guten definitiv überwogen, da war es besser aufzuhören. Natürlich habe weiter für Magazine geschrieben, weiter Konzerte organisiert und hier und da in verschiedenen Projekten gespielt. Am Anfang waren CHAOSBREED auch eher wie ein Projekt, nebenbei habe ich noch in einer Art Hardrock-Band gespielt. Aber das war nicht das Wahre. CHAOSBREED entwickelten ein Eigenleben, und die Arbeit an dieser Hardrock-Band hat zu viel Zeit gefressen, die ich lieber mit CHAOSBREED verbracht hätte. Seitdem spiele ich nur noch in einer Band.


Außerdem führe ich gerade ein paar kleine Verhandlungen mit Dan Tobin von Earache/Wicked World über eine mögliche Reunion von GANDALF. Das einzige Original-Mitglied wäre ich, der Rest eine völlig neue Mannschaft. Aber mal sehen, wie sich das entwickelt. Aber wenn ich noch mal etwas mit der Band mache, dann will ich auch die Kontrolle darüber haben.


Marko Tarvonen von MOONSORROW ist der jüngste in eurer Altherren-Riege?


Ja, er ist unser kleiner Welpe. Er müsste drei oder vier Jahre jünger sein als wir anderen.


Und was sagt er, wenn ihr in Erinnerungen über die frühen Neunziger schwelgt?


Na, er ist auch damit aufgewachsen. Er ist zwar ein paar Jahre jünger als wir, aber nicht so viel jünger, insofern ist das kein Problem. Bei zehn Jahren Unterschied würde er wahrscheinlich mit Recht fragen, was für einen Affentanz wir hier veranstalten. Ich weiß gar nicht, ob wir überhaupt so viel über 1990 reden. Ok., natürlich reden wir ab und zu über die Neunziger, über all die verrückten Dinge, die wir angestellt haben, als wir noch jünger waren. Vielleicht sind wir immer noch jung, jedenfalls stellen wir immer noch verrückte Dinge an.


Zum Beispiel seid ihr einfach so zum Spaß mit der Fähre nach Stockholm gefahren, als Thomas Skogsberg euren Termin abgeblasen hat.


Stimmt. Früher sind wir oft mit einigen Freunden zusammen mit der Fähre nach Schweden gefahren, um uns dort Konzerte anzugucken. An einen echten Klassiker kann ich mich noch erinnern, CARCASS haben in Stockholm als Headliner gespielt, davor ENTOMBED, DISMEMBER, GRAVE, TIAMAT und DESULTORY. Alle einflussreichen schwedischen Death Metal-Bands waren auf diesem einem Konzert vereint, CARCASS waren die Krönung. Sechs Bands geben ein Konzert vor rund 300 Personen, und etwa zwanzig Leute davon kommen aus Finnland. Das war ein intensives Erlebnis. Der Song "Moralized" kommt von einer dieser Touren. Auf den Fähren von Finnland nach Schweden fuhren immer eine Menge Zigeuner mit, das führte dann schnell zu Schwierigkeiten. Die benahmen sich seltsam, und wir besoffenen Halbstarken haben uns über sie lustig gemacht. Die Zigeuner konnten da nicht drüber lachen und sind fuchsteufelswild geworden und haben uns dann gedroht, wir würden den Hafen nicht lebend verlassen. "Na, warte, wenn wir in den Hafen kommen, warten da unsere Brüder schon auf euch." Aber hier sind wir, und wir leben noch. Der Song "Moralized" kommt nun nicht daher, dass einer den Zeigefinger hebt und mahnende Worte spricht, sondern von den Messern, die diese Zigeuner eigentlich immer dabei haben. In Finnland heißen diese Messer "Mora". Es ist ein kleines Wortspiel, "Moralized" bedeutet also, ein Messer in den Körper gerammt zu bekommen. In letzter Zeit bin ich nur noch selten mit der Fähre gefahren. Irgendwann wurde das auch langweilig, wir sind wahrscheinlich viel zu oft mit dem Boot über die Ostsee gefahren. Die Alleinunterhalter an Bord spielen ihre wirklich schlechter Version von "House Of the Rising Sun", für die Kinder ist eine schreckliche Disco. Heute fliege ich lieber.


Was hat Kasper Martenson zu der Platte beigetragen? Auf der Vinyl-Edition soll ein Intro von ihm sein?


Kasper hatte ein Intro für uns geschrieben. Aber wir haben uns dann entschieden, es doch nicht auf die CD zu nehmen. Der Titel unseres Albums ist "Brutal", da fanden wir es nicht mehr richtig, mit einem langsamen, doomigen Intro anzufangen. Stattdessen wollten wir lieber passend und direkt in das Album einsteigen. Wir wollten keine Intros, wir wollten keine Tändelei, wir wollten brutale Musik. Century Media kamen mit der Idee an, das Album auch auf Vinyl zu veröffentlichen. Klar haben wir da zugestimmt: "Killer! Macht einfach weiter so! Tut, was immer ihr für richtig haltet!" Von der Aufnahme-Session war noch der Song "Slutrush" und dieses Intro übrig geblieben, das konnten wir jetzt guten Gewissens als Bonus freigeben. Kasper hat hier und da mal ein paar Keyboards gespielt. Außerdem ist er jetzt fest bei MANNHAI eingestiegen. Kasper kenne ich schon ganz lange, zu unserer Teenager-Zeit hat er zusammen mit Oppu und mir in einer Band gespielt. Bei dieser Band schließt sich der Kreis auf verschiedenen Ebenen, das ist großartig.


Ich finde es großartig, in dieser Band zu spielen, ich habe noch in keiner Band gespielt, in der so ein guter Vibe herrschte. Wir blicken alle in die gleiche Richtung, haben die gleichen Ziele mit der Band und haben die gleiche Lebenseinstellung. Das ist ein totaler Unterschied, ob man mit Leuten mit professioneller Einstellung zusammen in einer Band spielt oder mit Hobbymusikern im schlechtesten Sinne. Das ist auch die Erklärung dafür, wie viel wir mit CHAOSBREED in kürzester Zeit erreicht haben. Wenn ich diese kurze Geschichte allein mit GANDALF vergleiche, was wir da alles in neun Jahren nicht geschafft haben. Bei CHAOSBREED stimmt das Klima. Selbst wenn wir uns aus der Vergangenheit teilweise gar nicht so gut kennen. Oppu und ich kennen uns zum Beispiel noch aus unserer Teenager-Zeit und haben damals in einer Band zusammen gespielt. Als er bei AMORPHIS eingestiegen ist, habe ich in einer anderen Band Schlagzeug gespielt. AMORPHIS sind dann durchgestartet, bei uns sah es erst auch ganz gut aus, dann haben wir allerdings, hm, mit komischen Substanzen herum experimentiert. Es war nicht so wild, aber wir haben danach nichts mehr auf die Kette bekommen, während AMORPHIS immer größer geworden sind. Esa kenne ich seit der Zeit. Taneli habe ich kennen gelernt, als SENTENCED "Amok" veröffentlicht haben und ich ihn deshalb interviewt habe, aber die meiste Zeit hat er in Oulu gewohnt. In dem Sinne kennen wir uns doch alle schon sehr lange. Nur Marko fällt da ein bisschen raus. Eine zeitlang muss Marko mich sogar richtig gehasst haben, er hatte lange ziemliche Vorbehalte gegen mich. Egal, heute sind wir quasi die besten Freunde, alle zusammen. CHAOSBREED ist ein großer Spaß, ich spiele in einer großartigen Band.


Vor allem hört ihr euch so an, als würdet ihr euch blind verstehen.


Ja, ich glaube, das kann man so sagen. Ich sehe das genauso, und das ist lustig und faszinierend. Wenn wir zusammen auf der Bühne stehen und einer von uns einen Fehler macht, überspielen die anderen das ganz professionell und so geschickt, dass es sich so anhört, als solle es so sein. Die Chemie stimmt einfach. Das ist wahrscheinlich unsere größte Stärke. Hätten wir uns im Vorfeld darüber zu viele Gedanken gemacht oder zu viele Pläne geschmiedet, hätte es wahrscheinlich nicht geklappt. So ist es einfach passiert. Wenn AMORPHIS, MANNHAI oder THE BLACK LEAGUE plötzlich aus dem Nichts wieder mit Death Metal im alten Stil angekommen wären, wäre es doch aufgesetzt und dumm gewesen. So hat ein Haufen von Leuten zusammen Musik gespielt, wir hatten zusammen Spaß und - schwupps, hatten wir genug Songs zusammen um ein Album zu füllen. Das ging alles so schnell. Es ist irre witzig. Und großartig.


CHAOSBREED Teil 1 - "Mit Make-Up bergab" - lesen...


CHAOSBREED Teil 2- "Mit Entombed abgelacht" - lesen...