Interview:

2015-06-27 Anti-Flag

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Mit „American Spring“ haben sich die Polit-Punks ANTI-FLAG aus Pittsburgh eindrucksvoll zurückgemeldet. Gewohnt kämpferisch werden die wichtigsten der aktuellen weltweiten politischen und gesellschaftlichen Missstände angegangen. Gleichzeitig zeigt sich die Band in musikalischer Hinsicht so vielseitig wie noch nie und hält die perfekte Balance zwischen eingängigen Melodien und purer Wut. Bassist und Sänger Chris #2 beantwortete unsere Fragen zum Album und dazu, was sich in den über 20 Jahren seit der Band-Gründung alles verändert hat. Interview

Euer letztes Album „The General Strike“ ist 2012 erschienen. Was ist in der Zwischenzeit passiert?

Dreieinhalb Jahre sind eine lange Zeit, um sie so kurz zusammenzufassen… Ich selbst habe die wohl schlimmste Zeit meines Lebens durchgemacht: das Ende einer für mich unglaublich wichtigen Beziehung, dann die Angst und die Trauer über die scheinbar endlose Serie von Polizeimorden und das Unvermögen der amerikanischen Justiz, irgendwie Verantwortung dafür zu übernehmen. Also haben wir getan, was wir eben tun. Wir haben uns eingeschlossen. Wir haben unser erstes Album seit unserem 20-jährigen Band-Jubiläum geschrieben. Unser zehntes Album – das wohl das wichtigste ist, das wir je gemacht haben.

Die Songs auf „American Spring” klingen einerseits nach Old School und immer wieder auch sehr melodisch, sind andererseits aber auch voll mit Energie und Wut. Woher nehmt ihr das alles?

Wir touren. Wir treffen täglich Menschen, die an Empathie und Menschlichkeit glauben. Daher kommt unsere Hoffnung. Das Album klingt deshalb so, weil es widerspiegelt, wo wir 2015 stehen, als Gesellschaft und als Band, die das kommentiert und reflektiert. 

Titel und Artwork des Albums verweisen auf den Arabischen Frühling. Ist es ein Konzeptalbum?

Ein Konzeptalbum in dem Sinne, dass es ein Thema hat: Empathie. Aber die Songs überschneiden sich ansonsten nicht, außer in ihrem gemeinsamen Kampf.

Mit welchen Themen beschäftigt ihr euch in den Songs?

Polizeimorde, Umweltzerstörung, die größte Kluft zwischen Arm und Reich, die es jemals gab… Wir wollten ein Dokument für die Geschichte erschaffen, das zeigt, dass ANTI-FLAG im Jahr 2015 eine Band auf der Seite der Menschen war.

Wird es über die Jahre einfacher, Songs zu schreiben, oder wird es schwieriger?

Es verändert sich. „American Spring“ war gleichzeitig das schwierigste und das leichteste Album für unsere Band. Es war schwierig, die Songs zu schreiben, und wir haben sie unermüdlich überarbeitet. Die Studioarbeit dagegen war ein Kinderspiel. Wir haben so schnell aufgenommen wie noch nie und mit der geringsten Anzahl an Vorfällen oder Blockaden, die wir je hatten. 

Was hat es mit der „Resistance“ auf sich?

Das ist der Teil des Albums, mit dem wir die Möglichkeiten weitergeben, in den Aktivismus einzusteigen: Infomaterial, Websites, Bücher, Gruppen, Podcasts – eben die Einstiegsdroge zum Aktivismus. (zu finden im Album-Booklet – Anm. d. Red.)

Das Album ist auf dem finnischen Label Spinefarm Records erschienen. Warum habt ihr es nicht auf eurem eigenen Label A-F Records veröffentlicht?

Wir sind eine globale Band. Spinefarm ist ein globales Label. A-F Records ist wirklich klein, größtenteils ein Vinyl-only-Label. Wir haben nicht die Manpower und die Reichweite, die „American Spring“ gerecht geworden wäre.

ANTI-FLAG existiert seit über 20 Jahren. Was hat sich in der Zeit seit der Band-Gründung verändert? Was ist besser geworden, was schlechter?

Besser geworden ist die Art, wie wir kommunizieren. Es ist so einfach geworden, Ideen auszutauschen und Informationen zu erhalten. Es ist so einfach geworden, sich einzubringen und Teil weltweiter Bewegungen zu werden, auch wenn man nicht vor Ort sein kann. Es ist einfacher, zu organisieren. Schlechter ist, dass es leichter geworden ist, sich ablenken zu lassen und Kunst und wahre Empathieäußerungen abzuwerten. Wir sind so leicht manipulierbar und so leicht dazu zu verleiten, uns nur um uns selbst zu kümmern. Wir müssen anerkennen, dass niemand immun ist. Nur dann können wir damit leben.

Welche Veränderungen im Punk-Rock habt ihr während dieser Zeit wahrgenommen?

Punk-Rock war klein, DIY, intern. Dann wurde er ungeheuer einflussreich im Mainstream. Dann wurde er wieder klein. Dann in den 2000ern wurde er mit seinem Hass und seiner Wut auf die Bush-Regierung zurück in den öffentlichen Diskurs gestoßen. Derzeit ist er wieder klein und ein kompaktes Kollektiv. Aber ich spüre, dass immer mehr Menschen Musik mit Bedeutung wollen. Ich bin mir sicher, dass Punk-Rock eine Macht ist, mit der in der nahen Zukunft zu rechnen ist.

Könnt ihr eigentlich von eurer Musik leben?

Wir leben von der Band. Aber wir leben in Pittsburgh, wo die Lebenskosten sehr niedrig sind. Das ist nicht New York City oder Los Angeles, so viel ist sicher.

Geht ihr immer noch gerne auf Tour? Oder ist es manchmal auch hart?

Beides. Es ist hart, nicht bei den Dingen und Leuten zu sein, die man liebt. Aber wir lieben auch diese Songs und die Menschen, mit denen wir sie teilen.

Im Sommer werdet ihr für einige Festivals nach Europa kommen. Wird es danach auch eine Club-Tour geben?

Wir haben gerade unsere Herbst-Tour angekündigt, mit RED CITY RADIO, TROPHY EYES und THE HOMELESS GOSPEL CHOIR! Das ist ein fantastisches Line-Up. Sehr wahrscheinlich kommen wir auch in eine Stadt in deiner Nähe!!

 

 

 



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