Interview:

2005-01-01 Andy Sneap

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"Eine Band muss ein Ziel im Blick haben und wissen, wo sie hingeht", nach diesem Motto versucht Andy Sneap, mit seinen Bands zu arbeiten. Als Produzent saß Andy bei wegweisenden Alben wie TESTAMENTs Reunion-Scheibe "The Gathering", "Grind Bastard" von BENEDICTION oder "Dead Heart in A Dead World" von NEVERMORE hinter den Knöpfen. Für "Violent Revolution" haben sich KREATOR das erste Mal ihm anvertraut, für "Enemy Of God" sind sie erneut ins beschauliche Derbyshire gereist.InterviewHast du "Enemy Of God" ganz allein gemixt, oder ist von den KREATOR-Mitgliedern einer zu dir rüber gekommen? Einige Bands legen da ja sehr Wert drauf, andere Produzenten haben gern ein Bandmitglied neben sich sitzen.


Nein, ich habe gleich nachdem wir mit den Aufnahmen fertig waren, den allerersten Mix gemacht. Dann kam ich ausgerechnet hierher nach Hamburg, um mit MASTERPLAN an deren neuer Scheibe zu werkeln. Aber ich war damit nicht glücklich. Ich war beim Mixen noch von den Aufnahmen ausgebrannt, das waren lange Tage und Nächte. Also habe ich mir ein paar Wochen frei genommen, bin im Juli ins Studio zurück gekommen und habe es noch einmal überarbeitet. Mille vertraut mir, ich habe die Bänder ganz allein gemischt und der Band dann zum Anhören geschickt. Das ist der einfachste Weg.


War es so anstrengend, mit den Jungs zusammen zu arbeiten, oder warum warst du ausgebrannt?


Mich strengt es jedes Mal an, wenn ich an einem Album arbeite. Stell es dir so vor: Wir fangen morgens früh um 10 Uhr an, und sind nicht vor 1 Uhr nachts fertig. Als Produzent bist du von der ersten bis zur letzten Minute konzentriert, schließlich willst du verbessern und ausarbeiten. Mein Kopf kann sich nicht eine Minute ausklinken, ich bin pausenlos aufmerksam, da bin ich unbarmherzig zu mir selbst. Und wenn du den ganzen Tag vor den Boxen hockst und die ganze Zeit KREATOR hörst - am Ende tut es weh, das kann ich dir sagen.


Ok, ok, ich kann mir vorstellen, dass das extrem ist.


Eben. Und das sechs Wochen lang. Das war die schlimmste Foltermethode aus Deutschland seit 50 Jahren. (Andy lacht und genehmigt sich einen tiefen Schluck aus der Bierflasche, bevor er sich schmunzelnd in der mittelalterlichen Folterkammer des Hamburg Dungeon umguckt.)

Studioaufnahmen sind harte Arbeit. Ich mag die Arbeit, sonst würde ich sie nicht machen, aber es bleibt trotzdem harte Arbeit. Und wenn ich jemandem oder mir selbst einen gute Rat geben sollte - es ist keine gute Idee, nach sechs Wochen Aufnahme ohne Pause gleich im Anschluss zu Mixen. Normaler Weise versuche ich, mir zwischen Aufnahme und Mix mindestens zwei Wochen frei zu nehmen, in denen ich mir am besten nichts von den Aufnahmen anhöre. Danach kann ich dann mit frischen Ohren ganz neu drangehen.


Warum hast du es hier anders versucht? War dein Terminkalender so voll?


Mein Terminkalender ist schon voll, meistens schließt ein Auftrag nahtlos an den anderen an, und alle Beteiligten müssen sich an Abgabetermine halten. Dieses Mal hatte ich im Anschluss den Termin hier in Hamburg - aber es kam zum Glück genau hin und ich hatte im Anschluss noch einmal Zeit für den Mix. Ende gut, alles gut. Das ist dann auch immer eine Frage der Plattenfirma, wenn sie die Platte wegen einer möglichen Tour unbedingt im Herbst hätte rausbringen wollen, hätte es nicht mehr geklappt.


Bist du rundum zufrieden mit "Enemy Of God"?


Ja, sehr zufrieden.


Gut. Was ist dein besonderes Quäntchen an dieser neuen KREATOR?


Wie bitte?


Denkst du, dass du als Produzent KREATOR während der vergangenen zwei Alben in irgendeine Richtung beeinflusst hast, oder wussten die vier ganz genau, wie sie klingen und was sie darstellen wollen?


Mille und ich können prima zusammenarbeiten. Wir gehören beide ungefähr zu derselben Generation von Bands, wir sind beide seit den späten Achtzigern dabei. Ich glaube, daher verstehen wir beide diesen Musikstil auf dieselbe Art und Weise, haben dasselbe Verständnis vom Funktionieren einer Band. Vielleicht hatte er eine grobe oder feinere Vorstellung davon, wie KREATOR klingen sollten, ich weiß nicht, was ihn genau bei mir ins Studio getrieben hat. Wir arbeiten hart an jedem Stückchen, versuchen hier ein neues Arrangement, dort ein anderes. Mille und ich verstehen diesen Musikstil beide auf die gleiche Art, ich denke, deshalb arbeiten wir so gut zusammen.


Was war dein Anspruch daran? Hattest du eine Grundidee davon als Thrash-Platte?


In meinen Augen sind KREATOR ganz klar eine Thrash-Band. Es geht hier um runtergestimmte Gitarren und irrsinniges Tempo, es geht um doppelte Bass-Drums und kreischende Solos, es geht um aggressiven Gesang, und das ist genau das, was Leute an dieser Band lieben. Meiner Meinung nach. Klar haben KREATOR eine zeitlang Experimente in Richtung eines eher melodischen Sounds gemacht. Aber ich glaube, genau das hier ist das, wo sich die Band am wohlsten fühlt, und es passt auch am besten zu ihnen. Besonders in diesem aktuellen Line-Up. Nimm zum Beispiel Ventor, sein Stil ist um so besser, je heftiger der Thrash ist, den er knüppelt. Meiner Meinung nach müssen sie in dieser Richtung weiter machen. Und als Produzent versuche ich natürlich, sie in die richtige Richtung zu schubsen.


Alles klar. Gleichzeitig können beide Gitarristen einen ganzen Reigen von Dingen spielen und sind kein bisschen limitiert. Auf "Enemy Of God" ziehen beide das Thrash-Ding strikt durch, ohne Blick nach rechts oder links.


Stimmt. Und genau das ist, was ihre Fans von ihnen hören wollen.


Wird wohl.


Absolut. Es würde die Band wirklich demontieren, wenn sie jetzt plötzlich wieder in eine andere Richtung gehen würde. Hör zu: Ich bin 1987 das erste Mal nach Deutschland gekommen. Und seitdem hat sich die Metal-Szene bei euch nicht einen Deut verändert. Ich bin jahrelang in Deutschland getourt - und jedes Mal, wenn ich wiederkomme, sehe ich dieselben Gesichter, dieselben Leute in der ersten Reihe, die gleichen Haarschnitte, dieselben Kutten und dieselben Aufnäher auf den Kutten. Der deutsche Metal ist so. Ich will das auf keinen Fall kritisieren. Ich liebe es. Und es füllt mein Auftragsbuch. So seid ihr Deutschen nun mal, und ich finde das großartig. Ihr seid nie irgendwelchen Trends gefolgt, nicht so wie die trendsüchtigen Amerikaner.


Und nicht wie England.


England ist so wankelmütig. Nur was im Kerrang Magazin steht, ist top, die Szene ist so sehr von den Medien beeinflusst. Wenn du als Band Metal spielen willst, bist du immer auf der sicheren Seite, wenn du nach Deutschland gehst. Nimm nur KREATOR. Das wievielte Album ist das jetzt? Das elfte? Oder zwölfte? Warum sollten KREATOR neue Wege einschlagen?


Das haben KREATOR schon einmal.


Ja, das haben sie. Und ich denke nicht, dass es erfolgreich war. Es gab wenige Leute, die es gemocht haben. Eine davon bist du, die anderen siehst du da drüben (Andy zeigt auf eine Gruppe Puppen, an denen mittelalterliche Folterungen demonstriert werden). Die KREATOR-Fans wollen aber runtergestimmte Gitarren, rumpelndes Double-Bass Schlagzeug, kreischende Solos und vor allem Mille, der mit tiefhängender Gitarre vor ihnen steht. Das ist es, was die Fans von dieser Band wollen. Das soll nicht heißen, dass man eine neue Band mit demselben Erfolgsrezept an den Markt bringen könnte. Und es gibt momentan eine neue Thrash-Welle, aber es wird nicht wieder so groß werden wie damals, aber es ist eine kleine Wiederauferstehung. Trotzdem haben wir kein Thrash-Album um des Hypes willens gemacht, sondern weil genau dort das Herz der Band steckt. Mille versteht es so. Ich verstehe es so. Und wir wollten dieses Album so machen. Wir wollten das, was wir mit dem letzten Album "Violent Revolution" erreicht haben nehmen, und dann eine Schippe drauflegen. Ein bisschen mehr mit den doppelten Gitarren weiterarbeiten. Und dann kreischende Solos, kreischende Gesangslinien, Double-Bass-Schlagzeug. Damit kann man nichts falsch machen.


Abschließend eine ganz andere Frage: Mit welchem Künstler hat die Zusammenarbeit am meisten Spaß gemacht?


In den USA hatte ich ein paar Mal viel Spaß. Es ist immer ein großes Vergnügen mit STUCK MOJO zu arbeiten. Gitarrist Rich ist einer meiner besten Kumpel, ich war Trauzeuge bei seiner Hochzeit. In El Pasa in Texas habe ich mal ein Album mit den PISSING RAZORS aufgenommen. Und EXODUS: Gary Holt ist total neben der Spur, er ist so witzig, total durchgedreht. Der lebt in einem knallbunten Cartoon. Und wenn man loszieht, ein EXODUS Album aufzunehmen, weiß man vorher nicht, ob man von dem Trip wieder zurück kommt. Also EXODUS, das ist jedes Mal am witzigsten.


Lest auch das Interview mit Mille von KREATOR




Andy Sneap (Backstage Prod.) Andy Sneap (Backstage Prod.) Andy Sneap (Backstage Prod.)