Interview:

2006-01-13 Amorphis

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"Eclipse” wird das erste AMORPHIS-Album sein, bei dem nicht Pasi am Mikro steht, sondern der neue Mann, Tomi, den Job macht. Grund genug, sich mal von Gitarrist Esa anklingeln zu lassen und mit ihn über das neue Album, den neuen Sänger und das neue Label zu plaudern. Alles neu bei den Finnen also. Kurz nach Neujahr sprach ich dann mit einem bestens aufgelegtem Esa, der dem Klischee vom schweigsamen Finnen Lügen straft. Interview Ich habe vor Kurzem in einem zwei Jahre alten Interview gelesen, dass die Lyrics auf "Far From The Sun” sehr dunkel und melancholisch sind. Wie sind sie auf "Eclipse"?


"Eclipse" ist ein Konzeptalbum. Als wir uns von Pasi trennten, mussten wir uns Gedanken machen, wer die Texte ab sofort schreiben wird, da er auf den vorherigen Alben einen Großteil geschrieben hatte. Wir hatten schon vor zwei Jahren die Idee, die Geschichte des Kalevala [finnische Sagensammlung - lh] zu nehmen, aber aus verschiedenen Gründe wurde das vergessen.

Jetzt kam die Idee zurück, denn wir hatten den Gedanken, dass es jetzt an der Zeit wäre, die Geschichten daraus zu nehmen, da sie gut zu den Songs und der Musik auf "Eclipse" passen. Im Grunde dreht sich die Geschichte um einen Mann, es ist eine sehr düstere Geschichte und sehr realistisch geschrieben. Man kann sie leicht auf das heutige Leben übertragen.


Also sind keine persönlichen Ansichten und Erfahrungen in die Texte eingeflossen?


Nein, nein. Sie sind in einem sehr traditionellen Tonfall geschrieben und haben mit unseren Leben als solche nichts zu tun.


Hat einer von euch an den Texten gearbeitet oder konntet ihr sie so übernehmen?


Wir mussten nur ein wenig auf die Gesangslinien achten. Die spezielle Version des Kalevala, die wir nutzten, ist auch Teil eines alten Buches, das 1974 veröffentlicht wurde [den finnischen Namen hab ich beim besten Willen nicht verstanden - lh]. In dem Buch wird das Kalevala aufgegriffen, aber es ist eher wie ein Theaterstück geschrieben und leichter zu verstehen. Wir haben uns die Erlaubnis des Autors besorgt, die Texte des Buches nutzen zu dürfen, womit er kein Problem hatte. wir mußten dann nur noch die Texte für unsere Songs arrangieren.


Das ist ein ungewöhnlicher Weg…


Ja, auf jeden Fall. Wir hatten anfangs auch die Idee, Texte und Geschichten über unsere eigenen Erfahrungen zu nehmen, aber wir mochten die Version des Kalevala sehr und nachdem wir die Erlaubnis des alten Mannes bekamen, nutzten wir es. Der Autor ist mittlerweile 70 oder so und ein sehr respektierter finnischer Autor und Lyriker. Wir hatten Respekt vor seinem Text und er hatte gleichzeitig Respekt vor unserer Musik.
Die meiste Arbeit hat dann natürlich das Arrangieren der Texte mit den Songs gemacht, das war wirklich viel Arbeit.


Wo siehst du Unterschiede von "Eclipse" und "Far From The Sun"? Außer der Art und Weise der Textfindung?


Sie unterscheiden sich wie Tag und Nacht. Während "Far From The Sun" waren wir bei Virgin und das war ganz schön mühsam, sowohl bei der Promotion als auch bei der Produktion des Albums. Würden wir das Album heute nochmal machen, würde es sicher ganz anders klingen. Ich mag die Songs immer noch und es wäre sehr nett, das Album noch einmal aufzunehmen. Vielleicht irgendwann in der Zukunft *lacht*.

Bei "Eclipse" ist natürlich unser neuer Sänger Tomi zu nennen, der völlig anders klingt als Pasi. Insgesamt ist die Produktion heftiger, druckvoller, und die Musik ist mehr ein Schritt zurück und liegt irgendwo zwischen "Elegy" und "Tuonela". Außerdem hatten wir vorher noch nie ein Konzeptalbum gemacht, was "Eclipse" ja ist. Das ganze Package mit Cover, Artwork, Lyrics und Musik passt einfach sehr gut zusammen.


Den Eindruck hatte ich auch, als ich mir die Platte das erste Mal anhörte. Ihr habt auch ein neues Studio gewählt, das Sonic Pump Studio. Das war ja noch nicht mal ganz fertig, als ihr mit den Aufnahmen angefangen hattet, oder?


Oh ja, das stimmt *lacht*. Die technischen Sachen waren fertig, aber die Sauna und sowas waren noch nicht fertig, einige Details und kleine Sachen mußten noch gemacht werden. Es ist ein sehr sehr nettes Studio geworden, mit gutem Equipment und guten Leuten, die dort arbeiten. Wir haben die Sessions dort sehr genossen. Es wird sicher ein Studio werden, das viele finnische Bands nutzen werden und das man mit dem Finnvox vergleichen kann.


Warum habt ihr euch entschlossen, diesmal wieder mit einem Soundengineer [Nino Laurenne von THUNDERSTONE - lh] zu arbeiten?


Nino gehört das Studio und er war meiner Meinung nach die beste Wahl, um mit uns das Album aufzunehmen. Das Mixen wurde zwar im Finnvox gemacht, da der Besitzer es so will und immer in seinem kleinen Keller arbeiten will beim Mixen, aber die Aufnahmen wurde alle mit Nino gemacht.


Warum haben Sande und Niclas nicht wieder die Aufnahmen geleitet?


Wir wollten nicht das gleiche Problem wie beim letzten Mal haben: sie waren zu sehr beschäftigt, sowohl aufzunehmen als auch zu proben und einzuspielen. Sie waren einfach immer im Studo, während der Rest von uns auch mal eine Pause hatte. Man muss ja nicht von Anfang bis Ende da sein. In der Zeit hatten wir eine stärkere Intensität in der Band, denn wir nahmen alle im gleichen Raum zur beinahe der gleichen Zeit auf. Wir waren also beinahe permanent alle da. Es war nett, aber auch sehr anstrengend und man verliert ein wenig von der Intenstität, die für ein gutes Album notwendig ist.

Niclas und Sande haben gutes Equipment und gute Ideen, aber ich denke dass sie besser arbeiten, wenn sie in einem anderen Studio sind. Für "Eclipse" haben wir einfach einen anderen Raum gebraucht, um aufnehmen zu können.


Wer war denn der Hauptsongwriter bei "Eclipse”?


Ich glaube die meisten Songs sind von mir und unserem Keyboarder Sande. Tomi hat auch ein paar Songs geschrieben, aber das waren glaub ich die Songs, die nicht auf dem Album sind. Wir hatten 16 Songs und als wir etnscheiden mussten, welche auf das Album sollten, haben wir seine fallengelassen.


Tomi ist ja mittlerweile ein Jahr in der Band. Wenn du das Jahr im Rückblick siehst, was sind deine Gedanken?


Als Erstes fällt mir ein, wie er das erste Mal zum Proben kam. Wir wußten fast sofort, dass er unser neuer Sänger sein würde. Wir brauchten einen Sänger, der auch die alten Sachen live singen kann und die Growls als auch die cleanen Sachen kann, denn wir hatten im März eine US-Tour gebucht. Mit Tomi haben wir dann gleich ein paar alte Songs geprobt und er hat uns mit seiner Stimme wirklich beeindruckt. Da wußten wir, dass er unser Kerl ist. Besonders als er während der ersten Tour (in den USA) sich als angenehmer Typ entpuppte und wir in als Person besser kennenlernten.

Also ja, ich habe gute Erinnerungen an das Jahr. Wir hatten aber auch ein paar Momente, an den wir es für unmöglich hielten, Ersatz für Pasi zu finden. Es war wirklich, wirklich schwer, einen neuen Sänger zu finden.


Es war auch ein echtes Experiment mit einem Sänger auf Tour zu gehen, der erst zwei Monate in der Band ist…


*lacht* Yeah. Das war es auf jeden Fall.
Es gibt eine Menge Dinge, die sich ändern, wenn ein neuer Sänger in eine Band kommt. Als Pasi ging, sagten wir uns "das ist keine große Sache, er ist nur der Sänger" *lacht*. Aber wenn man dann einen Ersatz, die richtige Stimme eben, sucht, wird es wirklich unmöglich, jemanden zu finden. Ich weiß nicht, was passiert wäre, wenn Tomi kein netter Kerl gewesen wäre. Die Tour wäre mindestens schrecklich geworden *lacht*.


Hast du noch Kontakt zu Pasi?


Ja, wir sind immer noch in Kontakt und auch noch gute Freunde. Wir hatten nie einen Streit, als es darum ging, dass er die Band verlassen würde. Niemand hat ihn gefeuert oder ihn im Streit rausgeschmissen. Wir haben uns einfach unterhalten und alles ausdiskutiert und er kam zu der Entscheidung, dass er nicht mehr touren kann und will und nicht mehr motiviert genug ist. So war es die beste Entscheidung, dass er Amorphis verläßt.

Ich sehe ihn nicht mehr so oft wie früher, als er noch bei Amorphis war, aber wir sind noch immer gute Freunde.


Das ist ein sehr vernünftiger und reifer Umgang miteinander.


Ist es, ist es. Wir machen das normalerweise in der Band immer so und diskutieren alles aus. Wir halten keine Themen in uns. Das muss man einfach tun, wenn die Chemie in der Band stimmen soll. Man muss einfach über Probleme reden. Es gibt einfach keine andere Lösung. Das war bei der Trennung von Pasi eben auch so.

Pasi hat unseren neuen Sänger noch nicht getroffen, aber "Eclipse" schon gehört- und er mag den Gesang und das ganze Album. Das ist fein.


Ich mag Tomis Stimme auch, sie eigenständig aber passt zu Amorphis.


Ganz genau, so ist es. Er kann einfach alles und wir waren wirklich überrascht, als wir das Endprodukt "Eclipse” hörten. Tomi ist das was, was uns in der Musik gefehlt hat. Er steckt eine Menge Energie und Gefühl in seinen Gesang und verbreitet es. Er kann sowohl emotional als auch agressiv singen.


Aggressiv… gutes Stichwort. Du hattest da mal so ein feines Sideproject. Wie steht es um das?


Yeah *lacht*. Ich weiß auch nicht, was damit gerade los ist. Jeder ist schwer beschäftigt im Moment, mit Black League, Mannhai und wir ja auch mit Amorphis *lacht*. Wir haben keine Pläne für dieses Jahr, aber wer weiß. Es wäre nett, mal wieder zu proben wenn wir alle mehr Zeit haben und ein paar Death Metal-Tracks zu veröffentlichen. *lacht*

Das ist für micht so eine Art Therapie *lacht*.


Wie sehen eure Tourpläne für 2006 aus?


Wir haben ein paar Dates für Finnland gebucht und arbeiten an einer Europa-Tour im April. Wir suchen gerade nach Dates und werden sie wahrscheinlich selbst buchen. Aber es gibt noch keine Pläne, ob es eine Package-Tour wird. Das sind alles noch offene Fragen. Wir wollen aber auf jeden Fall vor den Sommerfestivals touren.
Gerade in Deutschland macht mir das Touren viel Spass.


Ihr habt ja bei Nuclear Blast unterschrieben. Ist es ein längerer Vertrag oder habt ihr aus dem Relapse-Vertrag gelernt, der ja nahezu ewig lief?


Ähm. Wir müssen anfangen, als wir von Viring gedroppt worden sind. Sie waren einfach nicht in der Lage mit unserer Band zu arbeiten. Sie haben gutes Geld bezahlt, aber das war’s auch. Wir haben dann mit "Far From The Sun" Markus Staiger, den NB-Boss, getroffen und er machte Scherze, dass irgendwann alle Bands bei ihm landen würden. Nach der Virgin-Sache wollten wir nicht noch ein Album verschwenden und haben einfach bei ihm unterschrieben. Von daher gab es keinen Wettbewerb zwischen anderen Labels.

Und wir fühlen uns gut dabei. Es ist cool, dass wir bei einem Major waren und zurück zu einem Independent-Label gehen konnten. *lacht* Der Relapse-Vertrag war einfach zu lang und wir wollten danach ein Majorlabel probieren. Virgin hat uns damals wirklich gewollt und uns überzeugt, bei ihnen zu unterschreiben. Aber ich verstehe ihre Politik nicht: sie veröffentlichen Alben aber machen keine Promotion dafür. So kam das Gegenteil von dem zustande, was sie uns versprochen hatten. Es hat immerhin unsere Meinung über Majorlabels bestätigt. *lacht*


Ihr habt immerhin mehr Geld bekommen als bei Relapse.


Oh ja, auf jeden Fall, das war ja auch einer der Grüne, zu Virgin zu wechseln. Es war ein sehr, sehr guter Vertrag und wichtig für uns. Ich verstehe zwar die Idee nicht, uns viel Geld im voraus für das Studio zu geben, aber dann keine Promotion zu machen, aber was soll’s. It’s really weird. Sie bezahlen viel Geld für die Musik und behalten die Alben dann quasi bei sich. Für ein Independentlabel wäre das kommerzieller Selbstmord. *lacht*


War der Vertrag mit NB finanziell gesehen ein Schritt zurück?


Es ist insgesamt auf dem gleichen Level. Wir machen uns darüber aber nicht zu viele Gedanken, sondern wollen lieber gute Promotion. Das machen NB auf jeden Fall. Denn das, was Viring mit "Far From The Sun" machte war close to nothing. Es gibt Leute, die dachten dass wir eine vierjährige Pause gemacht hätten. in Deutschland gab es Fans, die uns auf Tour fragten, warum wir für "Chapters" touren würden [die quasi-Best-Of - lh]. Es war echt unglaublich.


Ihr habt Amorphis schon vor einigen Jahren gestartet, vorsichtig gesagt.


Ja, 1989.


Hättest du jemals gedacht, dass du mal 20 Jahre in einer Band sein würdest?


Nein, niemals, niemals. Es war auch keine Option für uns, so weit in die Zukunft zu denken. Wir wollten einfach eine gute Zeit haben. Aber das passierte dann so. Aber die ganzen Rückschläge und spätestens der Vertrag mit Virgin haben unsere Band nur stäker gemacht.
Jetzt mit Tomi in der Band und dem Vertrag bei NB sind wir richtig glücklich und zufrieden. Unsere Karriere ging immer auf und ab. Wir hatten aber nie gedacht, so lange Amorphis zu machen.

Aber jetzt, wo wir schon so lange Musik machen, könnte ich nicht mehr ohne die Band leben. Es ist ein Teil von mir.


Hast du schon Ideen im Kopf, was ihr in der Zukunft aufnehmen werdet?


Ich denke, dass kommt drauf an, wie viel wir touren werden. Aber wir wollen schon seit langem Live-Gigs aufnehmen und als DVD veröffentlichen, NB mag das ja. *lacht* Das wäre gutes Timing. Es fühlt sich so an, als wäre es nicht unmöglich ein neues Album innerhalb von einem Jahr aufzunehmen.


Hast du schon mal Gedanken über euer 25jähriges Jubiläum gemacht? Auch wenn das noch ein wenig in der Zukunft ist…


Habe ich, ja. Ich kann mir das vorstellen und halte es nicht für unmöglich. Die Band gibt es schon so lange, also warum nicht? Amorphis wird uns immer folgen. Es fühlt sich einfach gut an, mit den anderen zu spielen und das zählt. Wenn man merkt, dass man nicht mehr motiviertist und einfach Alben veröffentlicht, um die Band am Leben zu erhalten, sollte man Schluss machen. Ich kann mir nicht vorstellen, die Band zu stoppen. Es gibt aber genug Bands, die schon vor ein paar Jahen hätten aufhören sollen. Wenn man motiviert ist und starke Ideen hat, kann man aber ewig weitermachen.

Also ja, ich kann mir 25 Jahre Amorphis vorstellen *lacht*.


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